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Wie OKRs in echt funktionieren
Fokus. Speed. Ahh! Zwei Gewinner auf einen Streich! Da werden Ohren in Unternehmen ganz schnell scharf gestellt. Wenn heute von OKRs gesprochen wird, dann steigt die Aufmerksamkeit an vielen Orten. Google nutzt das System seit der Zeit als sie als eins der heißesten Startups der Welt auf sich aufmerksam machten – Objectives und Key Results (OKRs).
Mehr zu unserem OKR Angebot ist unter www.fokusziele.de zu finden.
Fokus. Speed. Ahh! Zwei Gewinner auf einen Streich! Da werden Ohren in Unternehmen ganz schnell scharf gestellt. Wenn heute von OKRs gesprochen wird, dann steigt die Aufmerksamkeit an vielen Orten. Google nutzt das System seit der Zeit als sie als eins der heißesten Startups der Welt auf sich aufmerksam machten – Objectives und Key Results (OKRs). Und viele andere haben sich daran orientiert wie Airbnb, LinkedIn, Spotify oder auch Daimler und SAP. Die gegenwärtige Faszination mit Startups bringt viele Ideen mit sich – OKRs setzen sich als ein Standard durch, der vielerorts probiert wird. Wir zeigen hier unsere Erfahrungen.
Antworten auf eine schnellere Welt
Die Welt ändert sich heute rasant. Jahrelange Vorhersagen zu Markt und Strategie sind oft genauso schwierig wie Jahresziele für Bereiche und Mitarbeiter. Das ohnehin ungeliebte Zielsystem in vielen Unternehmen knüpft Bonus an 2-10 Ziele pro Jahr. Manager haben in Quartal eins alle Hände voll zu tun mit Bewertung und Planung von Zielen, sowie der Bonuskalkulation. Und wenn sich dann Strategien oder Organisationsformen ändern, fragt man sich nach der Sinnhaftigkeit dieses HR-Prozesses. Seit Peter Drucker die MBOs als Management-Werkzeug in den 1960ern formulierte, hat sich die Welt derart geändert, dass es wohl Zeit ist für neue Ansätze. In unsrer VUCA-Welt sind viele Organisationen auf der Suche nach Fokus – wenige Ziele und relevante Bündelung von Energie. Auch wünscht man sich mehr Umsetzungskraft und Eigenverantwortung. Und da kommen die OKRs ins Spiel.
Ziele mit kurzen Zyklen setzen
OKR sind ein Zielsystem im Rhythmus von Quartalen. Jeder Bereich und Mitarbeiter setzt sich pro Quartal bis zu 4 Ziele – Dinge, die am Ende des Quartals wahr sein sollen. Jedes Ziel wird mit bis zu 4 Meilensteinen beschrieben – Dinge, die helfen, das Ziel zu erreichen. Durch die limitierte Zahl und limitierte Zeit entsteht Fokus und eine Momentum-Logik.
Dabei werden Ziele sowohl auf Führungsebene als auch von Mitarbeitern gesetzt. Anders als bei MBOs folgen OKRs keiner Wasserfall-Logik (erst GF, dann Führungszirkel, dann Mitarbeiter), sondern werden sowohl Top-Down als auch Bottom-Up formuliert. Merkt man einen Schiefstand der Ziele, dann muss man in den OKR-Gesprächen am Anfang eines Quartals ausloten, wo die Prioritäten liegen sollten. Diese Gespräche ins Teams und mit Mitarbeitern formen das Herzstück der OKR Logik und übersetzen Ausrichtung des Unternehmens auf den Beitrag und Commitment der Mitarbeiter.
Während des Quartals bewerten Mitarbeiter ihrer jeweiligen Meilensteine und Ziele in 1-2 Wochen-Rhythmus auf einer Skala von 1-10. Dies wird in einem System hinterlegt und schaffen OKRs Transparenz über Teams und Bereiche hinweg. Dazu kommen regelmäßige Update-Meetings auf Team- und Bereichsebene. In PPP-Meetings werden über Fortschritt (Progress), Probleme und Pläne gesprochen. Gemeinsame Hürden und Abhängigkeiten kommen so zur Sprache und werden adressiert.
Am Ende des Quartals sprechen Mitarbeiter mit ihren Führungskräften und in Teams über ihre Erfolge und Herausforderungen. Gemeinsam reflektiert man über das Gelernte und lässt das ins nächste Quartal einfließen. Neben der Logik von OKRs sind es vor allem Kultur und offene Kommunikation, die Lernen und Disziplin in der Organisation verankern.
So sieht der Einsatz von OKRs aus
Wie läuft das in der Praxis? Bei Lumen arbeiten wir mit einem Team von 8 Personen verteilt über Europa zusammen. Wir kommen aus unterschiedlichen Disziplinen und arbeiten an Projekten tage- oder monatelang zusammen. OKRs sind seit 1,5 Jahren bei uns im Einsatz und ermöglichen uns Koordination von Prioritäten und Transparenz über Fortschritte. Wir haben OKRs in zahlreichen Organisationen eingeführt und aus diesen Erfahrungen folgende Lehren gezogen:
1) Es dauert bis zur Wirkung – 2-3 Quartale brauchen OKRs bis sie einen Effekt erzielen. Am Anfang gibt es viel Anpassungs- und Übungseffekte. Von der Disziplin über die richtige Art von Gesprächen. Die Lernkurve muss man einplanen und die nötige Geduld mitbringen.
2) Zielformulierung braucht Übung – trotz der einfachen Logik von 4 Zielen und je 4 Meilensteinen brauchen Mitarbeiter Hilfe, die richtige Formulierung zu finden. Oft ist es am Anfang entweder eine Aufgabenliste, zu allgemeine Ziele oder zu unklar beschrieben. Mit der Formulierung kommt die Kraft ins OKR System.
3) Im Herzen sind OKRs ein Austausch über Strategie und einzelnen Beitrag – ein Haupteffekt der OKRs liegt in der Diskussion über Ausrichtung. Man muss sich Zeit nehmen für das Vermitteln von Prioritäten und dem genauen Beitrag des Einzelnen. Das kann eine Umgewöhnung sein und darin liegt schon viel Potenzial, das gehoben wird, wenn die Gespräche am Anfang und Ende eines Quartals durchgeführt werden. Über die Zeit wächst Verständnis und Mitarbeiter sind sich klarer über ihre Rolle und was Strategie mit ihnen zu tun hat.
4) Ernsthaftigkeit startet von oben – Transparenz und Fokussierung muss oben kommen. Dieses Signal ist wichtig und braucht Disziplin auf der obersten Ebene. Das fordert sowohl Entscheidung über die Prioritäten als auch die Bereitschaft zur Selbstbewertung und Diskussion von Gelerntem im aktuellen Quartal.
5) Selbstbewertung braucht Augenmaß – die regelmäßige Einschätzung treibt die Transparenz. Organisationen sind geübt, sich selbst im positiven Licht zu präsentieren – daher prägt die Kultur die Selbstbewertung. Wenn man sich regelmäßig unfertig bewerten soll, ist das oft ein neuer Schritt. Hierin liegt eine Lernkurve für die Organisation wie auch große Möglichkeit, echte Beiträge griffiger zu machen. John Doerr nennt das eine der Superkräfte von OKRs.
6) Software hilft – wir haben mit Pinnwänden, Google Docs, Excel, Confluence und spezieller OKR Software gearbeitet (Weekdone, Koan in unserem Fall). Die Investition in eine besondere Plattform lohnt sich, bringt aber auch da eine Lernkurve mit sich. Zeit und Schulung sind wichtig, um die gewünschten Effekte zu erzielen.
OKRs bahnen den Weg in eine neue Kultur
OKRs bringen enorme Kraft mit sich. Der Knackpunkt liegt in der Eigenverantwortung durch das Setzen von Zielen von jedem Mitarbeiter (oder Team), sowie in der regelmäßigen Diskussion von Strategie und Prioritäten. Da unterscheiden sie sich deutlich von MBOs – die einen kommen als Wasserfall über die Organisation, während OKRs den Austausch und die Perspektive an der Linie befeuern. Und doch sind OKRs kein Selbstläufer. There is no free lunch – einer zahlt immer. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen sich mehr mit Planen und Bewerten beschäftigen. Das wirkt auf den ersten Blick bürokratisch und gegenläufig dem Ziel von Flexibilität und Verantwortung. Die Logik von OKRs ist in 30 Minuten erklärt, die erfolgreiche Einführung dauert oft 2-4 Quartale. Es braucht Disziplin, Lernkurve und vor allem das Auseinandersetzen mit Strategie, Fokus und Transparenz.
Damit sind OKRs auch weniger ein Admin-Prozess und viel mehr ein Kulturtool. In Startups wirken OKRs, weil sie der Flexibilität die nötigen Umsetzungsmuskeln verleihen. In etablierten Organisationen helfen OKRs Fokus, Offenheit und Geschwindigkeit in Teams zu bringen. Zurecht bekommen daher OKRs so viel Aufmerksamkeit – und werden über die nächsten Jahre sicher noch vielerorts eingesetzt werden. Die Welt wird weiter VUCA sein. Da brauchen wir Tools, die flexible und konsequent gleichzeitig sind. OKRs spielen genau an dieser Front.
Marlin Watling führte als Personalleiter zahlreiche Personalsysteme ein und leitete in seinen 15 Jahren in Konzernen in Management-Teams Diskussionen zu Effektivität, Alignment und Prioritäten. Heute berät er Unternehmen zu Transformations-Themen und hat über die wirkungsvollsten Tools aus der Ecke von Startups hier geschrieben.
Wie Spannungen und Paradoxien Kreativität und Innovation in Unternehmen fördern können
Die Studien zum "Paradox Mindset" haben aufgezeigt, dass es ungewöhnliche Perspektiven und eine Menge Kreativität und Selbst-Bewusstsein (Consciousness & Confidence) benötigt, um mit paradoxen Situationen *konstruktiv* umzugehen. Diese "Mindsets" finden wir insbesondere auch bei Introvertierten. Werden ihre Stimmen gehört und ihre Perspektiven zugelassen, werden andere Herangehensweisen sichtbar und Veränderung, Ideation und Innovation möglich.
“Es geht nicht nur um offene Innovation, sondern um Offenheit gegenüber Innovation.”
— Curley und Salmelin [1]
„Wenn man Innovation und Kreativität doch nur in eine Box stecken könnte! Man könnte sie für viel Geld an jede Organisation da draußen schicken,“ sagte ein Freund neulich zu mir. Gar keine schlechte Idee, oder? Es gibt bereits einige Ansätze, die sich darauf spezialisiert haben – zum Beispiel Adobe Kickbox und diverse Design (thinking) kits. Mittlerweile bieten zahlreiche Beratungsfirmen Innovationsboxen an. Doch kann es wirklich funktionieren, Kreativität und Innovation in einen festen Rahmen zu packen? Lebt doch eine offene Kultur vielmehr von persönlicher Motivation und einem bestimmten Mindset als von Management-Tools, Vorlagen und Abläufen.
Seit über zehn Jahren ist jedenfalls zu beobachten, dass der Bedarf an innovativem Denken in Unternehmen kontinuierlich steigt – und zwar in einem breiten Branchenspektrum. Dass Unternehmen großen Aufwand treiben, um ihre Innovationskraft und ihre kreativen Ressourcen zu stärken, zeigen Ansätze wie Workong Out Loud oder Design Thinking (und viele mehr). Auch der Stellenmarkt verrät etwas über diese Entwicklung: Kreativkräfte wie Innovationsmanager oder Design Thinking Manager werden mittlerweile in beinahe jeder Branche händeringend gesucht – ob im Versicherungswesen, im Bankenwesen oder im Non-Profit-Bereich. Auch das Innovationsbusiness boomt: Die Angebotspalette im Bereich Innovations- und Kreativitätsmanagement, mit dem sich Dienstleister und Programmentwickler an Unternehmen richten, ist deutlich angewachsen.
Scheint doch wie geölt zu laufen, die Innovationsmaschinerie. Doch der Eindruck trügt. Organisationen sehen sich mit enormen Spannungen konfrontiert:
Sie stehen unter hohem Innovationsdruck. Zugleich müssen sie ihr klassisches Geschäft aufrechterhalten – und das umso mehr, je etablierter sie sind. Das verleitet schnell dazu, einfache Wege zu gehen, Abkürzungen zu nehmen und Herausforderungen nicht zu Ende zu denken.
Ihnen läuft die Zeit davon, weil sich neue Wettbewerber in klassischen Märkten etablieren und das Spiel verändern. Gleichzeitig lähmen Faktoren wie die eigene eingeübte und manifeste Organisationskultur.
Am Markt und in der Organisation fehlt es an Innovationskräften, die qualifiziert bzw. erfahren genug und gleichzeitig hinreichend „radikal” in ihrer Vorgehensweise sind.
Wir beobachten, dass die meisten Organisationen – ob aus Wirtschaft, Kirche oder Non-Profit – tagtäglich mit diesen Herausforderungen zu tun haben. Wenn nun schon offensichtliche Artefakte nicht so leicht zu verändern sind, wie steht es dann um die nicht offensichtlichen Faktoren wie die eigene Organisationskultur? Gibt es womöglich Ansätze oder gar empirische Hinweise, die Kulturwandel gelingen lassen und eine Kultur begünstigen,in der ungewöhnliche Ideen größtmöglichen Entfaltungsraum bekommen, so dass Veränderungen möglich werden?
“Der Feind der Kunst ist die Abwesenheit von Begrenzungen.”
— Orson Wells [2]
Warum Spannungen nicht das Problem sind
Die Antwort liegt jedenfalls nicht darin begründet, wie sich derartige Herausforderungen und Spannungen beseitigen lassen, sondern wie man mit ihnen umgeht. Begrenzte Ressourcen beispielsweise müssen nicht, wie man meinen könnte, für eine Kreativitätsflaute sorgen – im Gegenteil. Besonders innovative und kreative Menschen machen immer wieder die Erfahrung: Je eingeschränkter sie in ihren Möglichkeiten sind, desto kreativer sind sie. Auch Untersuchungen zeigen, dass Spannungen die Ideenfindung anregen können. Entscheidend ist: Betrachtet man sie als Probleme, die es zu lösen gilt? Oder – und hier liegt der Schlüssel, Spannungen als Kreativmotor zu nutzen – als etwas, das sich managen lässt? Dahinter steckt das sogenannte paradoxe Mindset, in dem Spannungen nicht nur ausgehalten werden, sondern als Chance für Wachstum begriffen werden. Ein paradoxes Mindset fördert Kreativität und Innovation.
Die Kultur für ein paradoxes Mindset schaffen
Ein solches Mindset entfaltet sich jedoch nicht von selbst – es braucht eine unterstützende Kultur, um gehört zu werden und Wirkung (Impact) zu erzielen. In unserer westlichen (Unternehmens-)Kultur wird noch unterschätzt, welche Rolle Zurückgezogenheit spielt, um kreative Prozesse zu ermöglichen – und damit auch das Potenzial zurückhaltender Menschen. In Ideenfindungsprozessen werden die, die gern im Stillen arbeiten und sich vertiefen eher übergangen, weil sie sich Zeit nehmen, um abzuwägen, bevor sie Entscheidungen treffen. Doch an Zeit mangelt es in Projekten am meisten. Schnelle Lösungen werden bevorzugt. Häufig tun sich deshalb die Extrovertierten, Lauten und Schnellen als Problemlöser hervor. Die Art zurückhaltender Menschen kommt daher nicht nur weniger zum Zug, sie wird oft auch abgewertet: als schüchtern, verrückt, autistisch, eigenwillig oder „nerdy“ (was nebenbei auch arbeitsethische Fragen aufwirft).
Doch wo Bedürfnisse Introvertierter übergangen werden, wie zum Beispiel in Großraumbüros mit konstant hohem Lärmpegel, werden auch Talente übersehen: Persönlichkeiten wie Steve Wozniak, Rosa Parks und viele andere Introvertierte, die zu ihrer Zeit großen Einfluss genommen haben. Das ist einer der Gründe, warum sich Susan Cain in ihrem TED Talk für eine Ausgewogenheit zwischen Extro- und Introvertiertheit starkmacht. Es liegt nahe, dass gerade Introvertierte eine Kultur prägen können, in der das paradoxe Mindset aufblühen kann. Vereinzelt gibt es deshalb bereits alternative Ansätze, in denen Zuhören und Bedachtsamkeit im Fokus stehen und „die Verrückten“ sehr geschätzt werden.
Das Potenzial zurückhaltender Menschen
Wo nun der Kreativitäts- und Innovationsbedarf hoch ist, ist demnach auch der Bedarf groß, diesem versteckten Potenzial in Unternehmen auf die Spur zu kommen. Bislang gibt es allerdings nur vereinzelt Bücher und Materialien, die sich diesem versteckten Potenzial widmen. In Programmen wird noch viel zu wenig Wert auf Menschen im Hintergrund oder auf bereits vorhandene Ressourcen gelegt. Führungspersonen müssten sich stärker damit auseinandersetzen, welche Persönlichkeit mit welchem Skillset für welche Rolle geeignet ist. Es gibt etwa Aufgabenbereiche, die mehr Fokus, Ruhe und Zurückgezogenheit erfordern als andere. Ein Arbeitsplatz, an dem Menschen ständig miteinander interagieren und Ideen austauschen, ist womöglich nicht der richtige Platz für Introvertierte.
Neueste Untersuchungen zeigen, dass es im Umgang mit Menschen, die die Grundlagen für ein paradoxes Mindset mitbringen, zwei Dimensionen zu bedenken gibt: ihre kognitive und ihre emotionale Welt. Sie brauchen Raum außerhalb der üblichen Umgebung, um ein paradoxes Mindset auszubilden. Dabei können Reflektion, Begleitung durch Coaches und Mentoren, Vertrauensbildung und praktische sowie akademische Lernmethoden eine wesentliche Rolle spielen. Auf diese Weise können sie Expertise aufbauen, um mit Spannungen und komplexen Anforderungen umzugehen, und Strategien entwickeln, um mit verschiedenen Rollen klarzukommen. Ist dieser Ansatz von Erfolg gekrönt, sind sie potenzielle Multiplikatoren („kulturelle Botschafter“) innerhalb ihrer Organisation und können wiederum andere darin unterstützen, mit Spannungen und Paradoxien umzugehen.
Um ein Umfeld zu schaffen, in dem „die Verrückten“ mit ihren ungewöhnlichen Blickwinkeln und kreativen Zugängen geschätzt und gehört werden, braucht es eine andere Haltung ihnen gegenüber, die sich auch in der Unternehmenskommunikation und -struktur wiederfindet. Dazu müssen Organisationen
das paradoxe Mindset verstehen und ein tieferes Verständnis [3] für das individuelle Verhalten in diesem Mindset ausbilden;
(re)definieren, wie ein Umgang aus Organisations- und Führungsperspektive damit aussehen kann und ein organisationales Modell [4] dafür entwerfen;
das Konzept des paradoxen Mindsets in Strukturen, Abläufen, Unternehmens- und Personalmanagement-Strategien, Werten und Leitlinien berücksichtigen.
“Das Problem ist nicht das Problem; das Problem ist die Art und Weise, wie wir über das Problem denken.”
— Paul Watzlawick [5]
Wie sich das Investment in den Kulturwandel auszahlt
Im Bereich Entrepreneurship hat sich das paradoxe Mindset als große Bereicherung herausgestellt: In diesem Mindset werden Probleme völlig neu betrachtet und neu bewertet. Wichtig dabei ist, dass weniger die Ideenfindung im Fokus steht als mehr die Menschen selbst – insbesondere die, die normalerweise nicht viel zu sagen haben. Ihre Innovationskraft und Kreativität gehen aus einem paradoxen System hervor – deshalb sind sie imstande, für Revolutionen zu sorgen. Viele große Führungspersönlichkeiten und Visionäre der Vergangenheit und Gegenwart waren introvertiert – ihre Ideen und Visionen haben diese Welt bewegt.
In Organisationen finden wir jedoch oft ein Umfeld vor, das sich auf die Ideenfindung und den Austausch von Ideen fokussiert. Das kann dazu führen, dass sich die Situation noch verschärft. Große Aufmerksamkeit widmet man der Frage nach dem Warum (“Start with the why”) – was häufig in der Sache bleibt und zum Problem zurückführt. Was sich hingegen auszahlt, ist die Frage nach dem “Wer”. “Good to great” kam zu diesem Ansatz und konnte dafür empirische Erkenntnisse aus einer 5-Jahres Untersuchung aufzeigen. Der gesamte Emotional Intelligence Diskurs (Goleman) konzentriert sich auf die Person, Emotion und Identität.
Das ist auch einer der Gründe, warum wir sh|ft begonnen haben. Neben der Sache (Warum), also dem Anliegen, ungewöhnliche Partner*innen von Wirtschaft, Kirche und Gründer*innen in aktuellen Fragen der Zeit zusammen zu bringen, lautete unser zentrales Anliegen: einen Raum zu schaffen, der Menschen mit leisen und ungewöhnlichen Stimmen eine Plattform bietet. Der Fokus liegt dabei in erster Linie auf der Förderung der Person und in zweiter Hinsicht auf dem Anliegen, dem Warum. Innovationskraft entsteht nach unserer These, wenn eine Person sich entdecken und entfalten kann. Dann wird sie Widersprüche in existierenden und zukünftigen Strukturen nicht nur aushalten, sondern auch nutzen können. Als Rahmen dazu verbinden wir ungewöhnliche Menschen und gestalten gemeinsam (Co-Creation) ein ungewöhnliches Partner-Eco-System von Universitäten, Kirche, Social Business und Startups – Spannung(en) garantiert!
“Die meisten großartigen Ideen entstehen in der Einsamkeit.”
— Susan Cain
Praktisch werden
Unternehmen, die den „Verrückten“ Raum geben, ohne eine monorationale Agenda zu verfolgen, sind schwer zu finden (bspw. Produktfirmen und Kreativagenturen, die an die Marktentwicklung, Gesellschafterinteressen gebunden sind). Um praktisch zu werden, haben wir deshalb sh|ft entwickelt: Framework, Plattform und Initiative in einem, bei der „die Verrückten“ eine Community, Raum für Exploration und Publikationen über unsere Entdeckungen und Ergebnisse vorfinden.
Dabei versuchen wir in unserem Raumdesign – sowohl virtuell als auch in der Realität – zu berücksichtigen, dass Einsamkeit und Begrenzungen Kreativität fördern und spürbare Spannungen Innovation begünstigen. Um einen solchen Kreativraum zu eröffnen, haben wir ein Non-Profit-Modell gewählt, das nicht von der Marktentwicklung oder von Kundenanforderungen abhängig ist. sh|ft muss sich zwar noch bewähren, doch bereits jetzt zeichnet sich ab: Das Modell wird beiden Bereichen gerecht, die in einem paradoxen Mindset erforderlich sind: Es spricht einerseits die kognitive Ebene an und bietet andererseits Raum für Emotionen [6]. sh|ft hat es sich zum Ziel gesetzt, den „Verrückten“ zuzuhören.
Klaus Motoki Tonn, Initiator von sh|ft und weiteren Initiativen zwischen Kirche, Social Business und Wirtschaft. Forscht im Umfeld von Diakonie (IDM Bethel) zu Corporate Digital Responsibility und engagiert sich im Umfeld von digitaler Kirche und sozial verantwortlichem Gründertum / Entrepreneurship.
Quellen
[1] M. Curley, B. Salmelin, Openness to Innovation and Innovation Culture in Open Innovation 2.0, Innovation, Technology, and Knowledge Management, Springer International Publishing Switzerland 2018.
[2] Das Zitat wird Orson Wells zugeschrieben.
[3] „Paradox theory deepens understandings of the varied nature, dynamics and outcomes of organizational tensions“, Microfoundations of Organizational Paradox: The Problem is How We Think About the Problem.
[4] Communicative, ethical and strategic framework to manage corporate culture, Mindset als Form der Implementierung von CSR in das Business Model, Klaus Motoki Tonn, Manaén Yosef Stürenberg Herrera.
[5] Watzlawick, Weakland & Fisch, 1974.
[6] „As research suggests, managing conflict is not just a mental exercise, but depends on managing emotions as well.”
Warum Vorsicht der falsche Weg ist
“Die globale Wirtschaft durchlebt gerade die größte technische Transformation der Geschichte,“ eine Headline in einem Report. Amerikaner sind ja bekannt für große Ansagen. Aber die folgende Zeitleiste zeigt die Einführung von „Innovations-Plattformen“ und den Einfluss Wirtschaftswachstum. Wo früher alle Generation mal was Neues kam, war es Anfang 1900 drei Technologien auf einmal – Telefon, Auto und Elektrizität. Und die Welt war anders.
“Die globale Wirtschaft durchlebt gerade die größte technische Transformation der Geschichte,“ eine Headline in einem Report. Amerikaner sind ja bekannt für große Ansagen. Aber die folgende Zeitleiste zeigt die Einführung von „Innovations-Plattformen“ und den Einfluss Wirtschaftswachstum. Wo früher alle Generation mal was Neues kam, war es Anfang 1900 drei Technologien auf einmal – Telefon, Auto und Elektrizität. Und die Welt war anders. Dann dauerte es zwei Generation bis zum Computer, gefolgt vom Internet. Und jetzt erleben wir was, was es noch nie gab: 5 Plattformen auf einmal. Mit Künstlicher Intelligenz, Robotics, Blockchain, sowie Gensequenzierung und Energiespeicher brechen fünf Themen parallel auf uns ein. Kann einem schwindelig werden.
Viele Themen sind auch nicht ganz leicht zu verstehen. Was sind die Konsequenzen von Künstlicher Intelligenz? Welche Auswirkung wird Robotics haben? Sicherlich viele Themen, die schon vor 20 Jahren in Filmen bearbeitet wurden. Wie verhalten wir uns zu dieser nie dagewesenen Welle?
Von Armut zu Reichtum
Der Ausdruck VUCA macht schon länger die Runde. Vulnerable, uncertain, complex & ambigious – so ist unsere Welt. Dinge ändern sich rasant und hängen zusammen. Das ist das neue Normal. Und keiner fragt nach Erlaubnis. Es wird so weitergehen. Die Welt ist VUCA. Wir können uns dem nicht entziehen.
Aber früher war ja auch nicht alles stabil. Wenn man sich die USA 1850 anschaut, dann war das ein bitterarmes Land. Das ist 6 Generationen her. Damals lief eine Frau 240 Kilometer im Jahr und trug 36 Tonne Wasser zur Versorgung der Familie. Die Kindersterberate lag mit 150 Todesfällen bei 1.000 Geburten - drei Mal höher als das heute in Burkina Faso, Afghanistan oder Haiti. Heute sind die USA die Neudefinition von Wohlstand. Noch nie lebten Menschen so lange, waren so gut ernährt, hatten so viele Möglichkeiten, reisten so viel. Was war der Weg von 1850 zu 2019? Eine Reihe von Innovationen und eine Nation, die sich rasant darauf. Innovation bringt Wohlstand mit sich.
Oder Südkorea im Jahr 1960. Kurz zuvor legte Krieg das Land lahm und die Hauptstadt Seoul war vier Mal unter fremder Herrschaft. Damals gab es nur eine Textilindustrie und das pro-Kopf BIP lag bei 158 USD – auf dem Level von Ghana. Heute liegt Südkorea BIP bei USD 27.000 im Jahr, 20x so hoch wie Ghana. Auch hier zeigt sich Innovation als Haupttriebfeder für Aufschwung und Wohlstand. Samsung, Hyundai, Kia Motors und LG bescherte Südkorea einen starken Markt, Arbeitsplätze, Bildung und Infrastruktur. Kia baute zuerst Fahrräder für die Armen, dann Motorräder und Dreirad-Mini-Laster.
Der entscheidende Faktor: Umgang mit Innovation
Der Forscher Diego Camin von der Harvard Business School untersucht seit einigen Jahren, wie der Einfluss von Innovation auf Wohlstand funktioniert. Er betrachtet die historische Verfügbarkeit von Innovation, deren Erstnutzung in einem Land und wie sich das auswirkt. Das Lernen über Innovation wird immer schneller. Wenn heute im Silicon Valley was Neues gedacht und gemacht wird, braucht es wenige Wochen oder Monate bis es in vielen anderen Ländern verfügbar ist. Man möchte meinen, dass damit auch alle davon profitieren können. Sprich: die Schere zwischen führenden Nationen und allen anderen wird kleiner.
Ist aber nicht so. Die Schere wird breiter. Reiche Nationen werden reicher – und die armen kommen nicht so schnell hinterher. Obwohl sie früh um Innovation wissen. Was ist da los?
„Es gibt noch einen zweiten Aspekt,“ so Comin. „Neben Erstnutzung müssen wir die Intensität des Nutzens von Innovation anschauen.“ Was er damit meint: wie schnell findet eine Innovation Anwendung in der breiten Masse. Wie schnell durchdringt eine Innovation ein Land. Es ist genau dieser Faktor – Intensität – der entscheidend für Wohlstand ist.
Dann gehört China die Zukunft
Schauen wir und das Reich der Mitte an. Die letzten 20 Jahre ist das Reich der Mitte aufgewacht und marschiert an die Spitze. Wenn man sich die folgenden Zahlen der Studie „China’s Digital Economy“ anschaut, dann sieht man ein Land, das Innovation will.
China hat einen massiven Markt. Die vielen Menschen im Land bieten größere Möglichkeiten als sonstwo. Dabei zeigt sich, dass sie diese Möglichkeiten auch nutzen. Die Zahl der Internetnutzer ist in China höher als in den USA und der EU ZUSAMMEN.
China nutzt diese Infrastruktur und baut darauf technische Kompetenz auf. Ihre Logistik, Datenverarbeitung und Rechenleistung stellen die technischen Vorreiter in den USA in den Schatten (von Europa ganz zu schweigen).
Und China investiert heftig in Zukunftstechnologien. In jedem dieser 9 Felder sind sie unter den Top 3 vertreten, nur die USA zeigen sich noch stärker. Deutschland findet man hier nur in 3 Fällen – in Fintechs, Wearables und 3D Printing.
China investiert. China zögert nicht. Die Zukunft wird nicht von den Vorsichtigen gestaltet. In dieser Phase der Neuerung und Veränderung kann man schon sehen, wer in den nächsten 20 Jahren den Ton angeben wird.
Welchen Weg gehen wir?
Wir leben in historischen Zeiten. Mit fünf Innovationsplattformen auf einmal steht uns mega Potenzial bevor – und gleichzeitig eine Reihe schwieriger Fragen, die wir noch nicht mal richtig erahnen können. Neuerungen klopfen jeden Monat an. Niemand fragt uns, ob wir das wollen. Wir brauchen eine Haltung dazu.
Immer reinlehnen – das ist unser Vorschlag. Wir sehen, dass der Nutzen von Innovation in der Durchdringung steckt. Je mehr wir uns Neuerungen zu eigen machen und unser Handeln prägen lassen, desto besser lernen wir sie kennen. Dann können wir sie steuern und die Früchte davon ernten. Wenn wir zu vorsichtig oder langsam in der Einführung sind werden wir von anderen Nationen überholt – und das gefährdet Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven.
Tools sind das falsche Ende, Mann!
Es gibt Dinge im Leben, die muss man ziehen. Und andere sind zum Schieben da. Der Unterschied hat was. Probier mal nen Hund mit der Leine zu schieben.
Im aktuellen Agilitäts-Tsunami beschäftigt sich jeder mit den Tools, die es so zu lernen gibt. Scrum, UX, Design Thinking, jtbd, MVP etc. Da gibt es natürlich auch wieder schnell einige, für die sich das wie Ballermann anhört – überlaufen, laut und nix für feine Gemüter. Was ist, wenn die Tool-Diskussion das falsche Ende in der Change Initiative ist? Damit kommt man nicht weit – eben wie einen Hund mit der Leine schieben.
Es gibt Dinge im Leben, die muss man ziehen. Und andere sind zum Schieben da. Der Unterschied hat was. Probier mal nen Hund mit der Leine zu schieben.
Im aktuellen Agilitäts-Tsunami beschäftigt sich jeder mit den Tools, die es so zu lernen gibt. Scrum, UX, Design Thinking, jtbd, MVP etc. Da gibt es natürlich auch wieder schnell einige, für die sich das wie Ballermann anhört – überlaufen, laut und nix für feine Gemüter. Was ist, wenn die Tool-Diskussion das falsche Ende in der Change Initiative ist? Damit kommt man nicht weit – eben wie einen Hund mit der Leine schieben.
Warum Design Thinking nicht abhebt
Vor 12 Jahren war ich als Design Thinking Coach bei der SAP unterwegs. Damals hatte Hasso Plattner das richtige Näschen, dass SAP Software in der Bedienung zu kompliziert war. Klar, deutsche Techniker sind von Hause aus keine UX-Künstler. Hasso stieß auf Ideo und deren Mischung aus Empathie, Prototypen und Verbesserungen. Design Thinking formte sich und Hasso verordnete der SAP eine Design-Kur. Ein paar interne Multiplikatoren wurden gesucht und so tingelte ich mit Programmierer-Teams und Managern durch die Welt und wir bauten Prototypen für Parkplätze, Bahnhöfe und Einkaufszentren (brauchten ja ne schnelle, praktische Spielwiese).
Seit dieser Zeit schwillt im Land die Design-Thinking-Welle weiter an. Und zurecht. Braucht doch die deutsche Ingenieurskunst ne gute Dosis Kundenverständnis und Nutzbarkeit. Viele Firmen und Abteilungen sind auf den Zug aufgesprungen und schulen und experimentieren. Wenn wir bei Firmen zu Gast sind fragen wir, wer schon mal Design Thinking gehört hat oder kennt. Mittlerweile sind das 70-80% der Leute. Not bad.
Dann kommen wir aber mit der Frage, wer Design Thinking schon mal im Projekt angewandt hat. Niemand. 1x im Projekt? Nada.
Echt jetzt?
Was läuft denn das schief? Das Problem ist relativ einfach. Schulung ist leicht möglich. Da hat man sein Budget und soll sich auch mal mit neuen Themen beschäftigen. Also geht am auf die Design-Thinking Schulung. Man wird heiß aufs Thema, versteht es und bekommt einen Leitfaden mit.
Aber die Praxis plant ja munter ihre Projekte wie bisher. Scope festgelegt, Risiken bewertet, Budget zugeteilt und Stakeholder identifiziert. Da ist irgendwie dann von Anfang an kein Platz für Interviews, Personas und iterative Prozesse. Sprich, die Prozesse des Alltags walzen ohne zu Fragen über die Design-Thinking Ambitionen.
Tools brauchen den richtigen Kontext
Aus unsrer Sicht startet man das Design-Thema am falschen Ende. Tools kommen zum Schluss. Sie sind nicht der Anfang der Veränderung. Wir schlagen hier mal ein KET-Modell vor – Kopfkino, Entscheidungen und Tools. Veränderung läuft nach KET-Logik und geht viel leichter wenn es in dieser Reihenfolge aufgesetzt wird.
Kopfkino steht am Anfang. Für wirksame Veränderung braucht es ein Bild, wie das Leben anders aussieht. Wenn ich seit 10 Jahren in die gleiche Abteilung eintrudle, dann auf eine Schulung gehe (als einziger meiner Abteilung), dann brauche ich eine animierte Vorstellung davon, wie mein Alltag anders aussieht mit der neuen Denke. Also muss irgendjemand ein Kopfkino erzeugen, das mir ein Bild davon gibt, wie es anders laufen wird. Denn wenn ich kein Kopfkino habe, dann gehe ich weiter wie bisher. Wie der Mensch denkt, so lebt er.
Kopfkinos sind Visionen. Sie beschreiben eine veränderte Realität. Sie bewegen die Vorstellungskraft und oft auch die Emotionen. Damit meinen wir nicht Statements aus drei Sätzen, die mit einem 15-köpfigen Team erarbeitet wurden. Wir meinen Leidenschaft und Inspiration. Wir meinen die Sehnsucht nach dem Meer, in der sich der Mitarbeiter selbst sieht. Das Land, in dem Milch und Honig fließt. Kopfkinos ziehen, sie schieben nicht. Sie geben ein eindrückliches Bild, wie man leben könnte. Und sie machen Lust darauf.
Wo kommen die Kopfkinos her? Das ist zum Teil Strategie und dann gute Kommunikation. Meist müssen Firmenlenker oder Bereichsleiter in Vorleistung gehen. Sie müssen ihre Wünsche und Ambitionen ausarbeiten, so dass sie Kopfkino-Material werden. Und das muss vor der Schulung kommen und Teil der Schulung sein.
Entscheidungen kommen als nächstes. Das Kopfkino ist der Auslöser und muss dann unterstützt werden durch ein paar Änderungen. Es kostet.
Erfolgreiche Firmen haben sich über die Jahre optimiert. Eine gewisse Disziplin muss da sein, die den Zweck der Firma erfüllt. Prozesse wurden eingeführt und Ersparnisse realisiert. Man hat sich auf ein Ziel hin optimiert und das läuft. „A system does what a system does,“ sagte einst Stafford Beer. Und genau die Logik in diesem System macht es stark, aber auch starr. Wenn jetzt eine andere Logik Einzug erhalten soll steht sie in Konkurrenz zum bestehenden System. Das ist ein echter Konflikt, der mit Entscheidungen aufgelöst werden muss.
Budgets müssen anders verteilt, Erfolg anders gemessen werden. Prozesse brauchen neue Formen, Zeit muss zugeschossen und Entscheidungen anders getroffen werden. Und Verantwortungen und Vorgehen müssen sich ändern.
Ist ja nicht so, dass Mitarbeiter 20% ihrer Zeit rumsitzen und warten, dass ihnen jemand sagt, sie sollen bitte neue Ideen haben und Prototypen bauen. Leute sind oft zu 120% verplant, bekommen noch Projekte von der Seite rein und müssen Elternzeitvertretung in der Abteilung managen. Viel Spaß, da Design Thinking einzuführen.
Zum Schluss kommen die Tools. Wenn der Kopf Zukunft sieht und der Rahmen durch Entscheidungen geschaffen wird, dann braucht man ein Vorgehen. Innovations-Tools sind ja nichts anderes als Ideen zu Vorgehensweisen. Natürlich braucht es Schulung, Übung, Lernkurven und Begleitung. Wenn diese auf den richtigen Rahmen treffen, dann haben sie enorme Wirkgewalt. Sie können die Logik der Firma ändern.
Was wir hier vorschlagen ist ein Dreiklang aus Sollen, Wollen und Können. Kopfkino, Entscheidungen und Tools müssen aufeinander abgestimmt sein. Sie müssen in der Reihenfolge kommen, sonst frustriert man neue Gedanken und verbaut ihnen den Weg in die Organisation. Kein Tool der Welt wird auf unbereitetem Boden tiefe Wurzeln schlagen. Organisationen geben enorm viel Geld für Schulung, Konferenzen und Inspiration aus. Mit dem richtigen Vorgehen bringt diese Investition noch mehr Frucht und kann die gewünschte neue Welle in der Firma auslösen.
Marlin Watling war lange Zeit Personalleiter und hat so manchen Change begleitet. Nun ist er Partner bei Lumen und hilft Unternehmen, Transformation besser und nachhaltiger zu gestalten.
Foresight-Mindset: erfolgreich im Dunkeln tappen
Geht es um Zukunftsfragen oder den Umgang mit Herausforderungen, suchen wir die Lösung oft dort, wo wir uns auskennen. Leider trägt diese Strategie in Zeiten des stetigen Wandels und einer immer schnelleren und komplexeren Welt nicht weit. Was hilft, ist Foresight-Mindset.
Das Problem: mehr vom Gleichen
So lustig die Anekdote oben ist, so viel Wahrheit steckt auch in ihr. Geht es nämlich um Zukunftsfragen oder den Umgang mit Herausforderungen, suchen wir die Lösung allzu oft dort, wo “das Licht leuchtet“ – nämlich in uns bekanntem Terrain.
Leider trägt diese Strategie in Zeiten des stetigen Wandels und einer immer schnelleren und komplexeren Welt nicht weit. Zwar sind Menschen und Organisationen – vor allem solche mit Gestaltungswillen und Innovationstrieb – in der Regel darum bemüht, Lösungen zu suchen und nicht Probleme zu wälzen. Dabei verlassen sie sich häufig auf ihre Erfahrungen, was jedoch nicht ausreicht, um vorwärtszukommen. Es benötigt zunehmend andere, alternative Vorgehensweisen, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern.
Wie also können sich Menschen und Organisationen den Fragen und Problemen der Zukunft stellen, wenn die Paradigmen und Lösungen der Vergangenheit ihnen darin kein Licht spenden?
Die Lösung: Foresight-Mindset
Foresight-Mindset ist eine offene Art, in die Zukunft zu schauen – fernab von eingetretenen Pfaden und mit klarem Blick auf das Zukunftsbild. Es ist ein Skill-Set, eine Sammlung von Methoden, mit denen eine Person oder eine Gruppe in der Lage ist, Lösungen zu designen und in die Tat umzusetzen.
Foresight-Mindset beschreibt, wie wir über Themen reden. Das heißt: Es richtet den Blick auf die Denkweise, Einstellung, Haltung, Mentalität. In dieser Linie fokussiert es die Kultur entlang der strategischen Ziele auf die erwünschte Vision.
Foresight-Mindset verhilft Organisationen und Individuen zu einer tieferen Rezeption sowie einem besseren Verständnis von Strategie und Transformation. Implizite Wahrnehmungen und Vorstellungen werden in Wörter und Bilder gekleidet, damit sie greifbar werden.
Foresight-Mindset stellt fortwährend lösungsorientierte Fragen – etwa: “Sind wir noch an der richtigen Lösung für unsere Zielgruppe dran?”; “Tüfteln wir gerade nur an unserem Problem weiter?”. Statt “Was ist?” fragt es “Was könnte sein?” und vor allem “Wie könnte es sein?”.
Die Voraussetzung: Kultur der Offenheit
Damit Veränderung gelingt, braucht es Menschen und Organisationen, die in der Lage sind, ein gemeinsames Bild von der Zukunft zu zeichnen und eine gemeinsame Geschichte zu erzählen. Es braucht die Bereitschaft, aus neuen Erfahrungen zu lernen, und die Fähigkeit, Transformation in der richtigen Art und Weise zu gestalten. Kurz: Es braucht eine positive Haltung gegenüber den Zukunftsfragen dieser Welt.
Das kann auch bedeuten, dass die Lösung am Ende in keinem direkten Zusammenhang mehr mit dem ursprünglichen Problem steht. Vielmehr erweitert ein lösungsorientierter Ansatz das eigene Denken und Handeln. Er sorgt für eine Differenzierung und schafft Kriterien sowie eine valide und messbare Lösung.
Die Anwendung: Denken im Als-ob
“Die Fragen ‘Was ist der nächste Trend?’, ‘Wie bringt uns das Geld?’, ‘Was ist unser Tesla-Killer?’ oder ‘Warum haben wir das bisher nicht gemacht?’ sind transaktionsgesteuerte Fragen, oft auf der Suche nach einem Schuldigen.” Mario Herger
Foresight-Mindset findet unter anderem praktische Anwendung in den folgenden Methoden:
Lösungsfokussiert Fragen stellen: Eine Foresight-Frage löst einen Prozess des Denkens in Lösungsräumen aus. Sie führt den Rezipienten in einen Als-ob-Rahmen der Möglichkeiten. Nehmen wir beispielsweise an, Ihr Problem wäre gelöst: Wie wäre das dann für Sie und andere? Was wäre Ihnen dann möglich? Was noch? Und woran würden sie und andere das merken? In der Linie der aktuellen Zukunftsforschung geht es dabei darum, verschiedene Zukunftsmöglichkeiten zu sehen und eine Lösung zu finden bzw. die Kriterien dafür zu definieren. Paradoxe, aber gerade darin hilfreiche Fragen sind: Was wäre wenn? Und wie wäre es dann? Wie sind wir dahin gekommen? Und was haben wir auf dem Weg gelernt?
Andere Fachbereiche erkunden: Wie Nasreddin in der einleitenden Geschichte verfügen wir über ein tiefes Wissen im hellen Bereich. Wir sind Experten unseres Fachbereichs, unser Wissen unterliegt der sogenannten T-Verteilung: Es ist auf der vertikalen Achse tief und auf der horizontalen weit gefächert. Auf der Suche nach bisher unbekannten Lösungen ist es daher umso wichtiger, querzudenken. Haben Sie zum Beispiel mal darüber nachgedacht, wie Larry Page wohl eine Kirche bauen würde? Oder wie sich ein Pfarrer um die Zukunft eines mittelständischen Unternehmens bemühen würde?
Foresight-Mindset eröffnet uns neue Möglichkeiten in der Ausrichtung unserer Organisationen – sei es in der Strategie, beim Design von Produkten oder dem Erarbeiten von Lösungen. Es bietet das Rahmenwerk für Zukunftsfähigkeit.
In Veränderungsprozessen nimmt Esbjörn Gerking die Rolle des Coaches und Facilitators ein – sei es in klein- und mittelständischen Unternehmen oder gemeinnützigen Organisationen. Wenn Sie mehr von oder über ihn wissen wollen, er ist nur eine Mail entfernt. Und wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, in unserem Blog gibt es noch mehr davon.
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Getting shift done – so sieht die Führung der Zukunft aus
“Fast in allen Organisationen herrscht Überforderung. Die Definition von Führung ist aber wie eh und je: getting shift done. Gerade in Zeiten von radikalen Veränderungen braucht es Orientierung und Sinngebung. Für Leader kommt es darauf an, einen Rahmen zu schaffen, in dem Menschen Fortschritt erzielen.” Interview mit Marlin Watling von Lumen Partners.
Ein Interview mit Marlin Watling von Lumen Partners. Von Serge Enns.
Marlin, du bist seit über 15 Jahren als Strategieberater für Großkonzerne unterwegs und beschäftigst dich viel mit Themen wie New Work, HR, Leadership und Transformation. Womit haben Organisationen heute am meisten zu kämpfen?
Viele Organisationen sind überhitzt. Es gibt zu viele Meetings und zu viele Projekte, an denen zu viele Leute beteiligt sind und die zu lange dauern. Es herrscht ein hektischer Stillstand – viel Betrieb und wenig Vorankommen. Fast überall erlebe ich Hilflosigkeit, höre ich Fragen wie: Wie schaffen wir es, mit den vielen Prioritäten zu hantieren? Wie bringen wir Dinge zum Abschluss? Und auch persönlich: Wie halten wir dieses Rennen durch? Vielen Menschen fehlt der Rahmen, dass sie sich auf das Wesentliche konzentrieren, wieder wirklich arbeiten und einfache Entscheidungen treffen können.
Das sind allerhand Baustellen. Wie siehst du hier die Unternehmensführung gefordert?
Ganz ehrlich: viele Organisationen leben in chaotischen Zuständen. Ich denke, Führung wird deswegen noch wichtiger als sie jetzt schon ist. Weil es in Zeiten von radikalen Veränderungen, wie wir sie derzeit erleben, vor allem Orientierung und Sinngebung braucht. Die Definition von Führung ist wie eh und je: getting shift done – und das wird auch so bleiben. Wer führt, muss einen Rahmen schaffen, in dem Menschen Fortschritt erzielen. Die Formen werden sich immer wieder neu finden – je nach Setting und Bedarf. Aber die Beiträge von Führung bleiben auch in den nächsten Jahren gleich: klarer sortieren, Fokus herstellen, besser kommunizieren und eine kreative Box schaffen. Und dabei sollte der emotionale Teil nicht zu kurz kommen: Jahresberichte mit guten Zahlen und zig Projekten helfen für den Überblick. Aber was sich die Leute wirklich fragen ist: Wer steht für mich ein? Wem kann ich vertrauen?
Was können Menschen mit Führungsverantwortung tun, um ihre Mitarbeitenden zu unterstützen?
Meine Erfahrung ist: Menschen lassen sich auf Führung ein, wenn sie im Konfliktfall den Kopf für sie hinhält und sie auch mit auf die Reise nimmt. Dabei reden wir über weit mehr als Bonus-Optimierung oder Engagements-Workshops – das kannst du vergessen. Leute wollen glaubhafte Identifikationsfiguren. Wer eine Vision der Zukunft zeigen kann, die für den Einzelnen relevant und attraktiv ist, und sich für auch was kosten lässt, der wird seine Organisation elektrisieren.
Wo würdest du – ganz praktisch gesehen – den Hebel ansetzen, wenn du freie Hand hättest?
Ich würde nicht auf mehr Meetings setzen, sondern auf Klärung. Ein großes Problem sind Entscheidungswege. Das dauert oft ewig, kaum einer übernimmt wirklich Verantwortung. So wird dauernd an Abstimmung und Vorlagen gearbeitet, ohne dass die Beteiligten weitermachen können. Wenn man mehr Empowerment lebt und Entscheidungen beschleunigt, wird man schneller und kommt in die Umsetzung. Da braucht es Leute, die das verstehen, Tools kennen, Teams und Organisationen helfen, ihre Verhedderung zu lösen.
Eines deiner Herzensthemen dockt hier ja quasi wie von selbst an: das Personalmanagement mit seinen Zukunftssorgen.
HR ist riesig! Die Personalkosten sind nach wie vor der größte Ausgabenblock in Unternehmen – und hier sind vor allem die weichen Themen die Flaschenhälse: richtige Mitarbeiter, Kultur, Kollaboration, Organisation von Projekten, Stimmung, Entscheidungswege, Kommunikation. Wenn man da auch nur 10% besser wird, schaltet die ganze Organisation einen Gang hoch. Dafür braucht der HR-Bereich mehr kreative Leute und einen Mix aus Linienerfahrung, Business-Knowhow und einer Sprache für die weiche Faktoren. Historisch gesehen kommt HR aus der Administration, viele Meetings drehen sich daher um Prozesse und Policies. Es würde vielen Firmen gut tun, hier mehr Gestaltungsfokus in HR rein zu bringen.
Was bedeutet das für das Recruiting von Fach- und Nachwuchskräften, mit dem sich viele Unternehmen ja regelrecht herumplagen?
An sich ist das ganz einfach: Wir haben einen Arbeitnehmermarkt. Es sind also die Mitarbeitenden, die sich ihr Unternehmen aussuchen. Nicht umgekehrt. Ihre Motivation lautet ganz oft: geile Arbeit machen können. Dan Pink macht das in seinem Bestseller “Drive” an drei Faktoren fest: Selbstbestimmung, Sinn und Perfektionierung. Das heißt: Wenn Mitarbeitende diese drei Elemente in einem Unternehmen sehen, ist der Rest ein Katzensprung.
Heißt konkret: Wer erfolgreich sein will, sollte seinen Fokus im Recruiting auf die Kreativen legen, die Wegebahner und Starter. Leute, die nur Sicherheit wollen, bleiben ja eh und diese Motivation steht ihnen oft im Weg. Das geht Unternehmen leider am meisten ab, diese Anpacker zu finden und zu entwickeln, weil ihre Größe diese Art von Persönlichkeiten häufig frustriert und fernhält. Unternehmen brauchen Platz für “geile Arbeit” – und wo es sie gibt, darf sie auch gerne gezeigt werden. Spotify mit ihrem Squad-Modell und auch andere haben es vorgemacht und es hat ihnen geholfen bei Gewinnung von Mitarbeitern.
Worauf kommt es also in der Personalentwicklung an, um vor allem junge Leute von sich zu überzeugen und sie im Unternehmen zu halten?
Unser Bildungssystem steckt im 20. Jahrhundert fest. Viel interne Personalentwicklung (PE) ist Edutainment (Unterhaltungsprogramm) oder Compliance und dient der Hygiene – also Ablenkung, Bespaßung und Pflicht. Vor allem junge Leute suchen sich ihre Informationen heute über Pull oder Sogwirkung. Genau das brauchen PE-Programme: Relevanz und neue Methoden, um wirkliche Veränderung anzustoßen. Menschen lernen am meisten durch Erfahrung, sprich: Es braucht Räume zum Probieren und Reflektieren. Und: Beziehungen sind wichtig, ebenso ab und an mal ein geiles Konzept. Wobei: Geile Konzepte sind in 5 Jahren vielleicht schon wieder ausgeleiert. Die Welt entwickelt sich schnell und es braucht Mechanismen, die Best-Practices aufzuschnappen und zu verbreiten. Personalentwicklung muss Mitarbeitenden – und vor allem Millennials – helfen, die richtigen Themen zu finden, und ihnen dann effektive Wege anbieten, wie persönliche Veränderung passieren kann.
Marlin Watling ist Psychologe und hat langjährig in Leadership- und HR-Rollen Changeprojekte in Großkonzernen geleitet. Heute berät er als Partner bei Lumen Organisationen in Zukunfts- und Mindset-Fragen. Schreib ihm, wenn du mehr von ihm wissen oder ihn in deine Organisation einladen willst. Und natürlich: Hol dir gerne in unserem Blog weitere Insights von ihm und unseren anderen Lumen Partnern ab.