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Mit OKR Innovation als Breitensport betreiben - die Chance OKR mit JTBD zu verknüpfen
Kleine Hacks machen den Unterschied
Am 3. April 1995 kam die erster Order in sein Startup im Süden Seattles. Amazon hatte gerade seine Webseite veröffentlicht und versprochen, dass es 1 Million Buchtitel gab. So was gab es nicht und das aufkeimende Internet war noch ein Geheimtipp, den Wenige einschätzen konnten. Jeff Bezos war pfiffig und sah einen Strom von Gütern, die über das Internet verkauft werden konnten
Kleine Hacks machen den Unterschied
Am 3. April 1995 kam die erster Order in sein Startup im Süden Seattles. Amazon hatte gerade seine Webseite veröffentlicht und versprochen, dass es 1 Million Buchtitel gab. So was gab es nicht und das aufkeimende Internet war noch ein Geheimtipp, den Wenige einschätzen konnten. Jeff Bezos war pfiffig und sah einen Strom von Gütern, die über das Internet verkauft werden konnten. Der “Everything Store” war die Vision. Und in seiner unkonventionellen Art hatte er auf kein einziges Buch der 1-Million versprochenen Artikel. Wenn eine Order kam, bestellt Bezos bei einem Großhändler und schickte das an die Kunden. So baute er sein Unternehmen zunächst ohne Inventar und risikoarm auf.
Was heute unter “Lean Startup” Gang und Gäbe ist, war für Bezos ein logischer Schritt. Es sind diese kleinen Innovationen, die langfristig den Unterschied machen. Ähnlichen gesunden Menschenverstand zeigt Bezos seit das Unternehmen 1997 an die Börse ging mit seinen Investorenbriefen (als Buch hier). Ein roter Faden, der sich über all die Jahre durchzieht: Kunden zuerst und langfristig bauen. Und das über alle die Phasen von Wachstum und Wandel zu einem Unternehmen das heute knapp 800.000 Mitarbeitende zählt. Kleine Hacks, konstant durchgezogen, machen den Unterschied. Wie geht das nur?
Die Königsdisziplin: Innovation und Umsetzung
Der MIT Professor Sandy Pentland untersuchte Netzwerke und Organisationen auf ihre Innovationskraft. Er entwickelte den Gedanken von “Idea-Flow” - Mini-Taktiken, um Probleme zu lösen. Da gibt es zwei Ströme: das Finden von Mini-Taktiken im Umfeld (Exploration) und das Umsetzen dieser Ideen im Team (Exploitation). Die Balance von neuen Perspektiven und gradliniger Umsetzung machen den Unterschied aus.
OKR drängen sich in letzter Zeit als Heilsversprecher für die Umsetzungskraft in Unternehmen aus. Die Objects-Und-Key-Results (OKR) sind ein Managementsystem, entstanden bei Intel und heute von Google und prägenden Unternehmen angewandt. Die Logik ist simpel: Ziele werden in 3-Monatszyklen gesetzt, auf Wenige beschränkt, transparent kommuniziert und beschrieben. OKR bringen einige Superkräfte mit im Gepäck: Fokus, Strategiediskussion und Ownership (wenn sie nicht halbherzig oder handwerklich schlecht betrieben werden).
OKR helfen in der Praxis mit Fokus und decken damit einen Teil von Pentlands Gleichung ab: die Exploitation. Fokus stärkt die Umsetzungskraft und das ist oft schon ein Fortschritt in Teams. Vielen Funktionen im Unternehmen fehlt aber der klare Blick auf Innovation und Kundenbedürfnisse. Viele Unternehmen schreiben “Innovation” auf die Fahnen. In der Praxis ziele Mitarbeitende aber auf persönliche Zielerreichung und Abarbeiten von intern gesetzten Prioritäten. Da stellt sich die Frage: wie kann man die Kombination von Umsetzungskraft gepaart mit Innovation im Unternehmen erreichen?
OKR und JTBD geben ein Traumpaar ab
“Innovation hat nichts mit Glück zu tun”, so der Harvard-Professor Clayton Christensen. “Den Kunden und seinen Wunsch nach Fortschritt verstehen - das ist ein immenser Wettbewerbsvorteil”. Christensens Konzept von Jobs-to-be-Done (JTBD) erzielt ähnlichen Zuspruch wie OKR. Durch JTBD bekommt Innovation Systematik und das Entwickeln von Produkten einen klaren Fokus. Statt über Features und technische Beschreibungen zu argumentieren zählt für die Produktentwicklung die Einsicht in das Kundenerlebnis. “Menschen kaufen keinen Bohrer,” meinte Marketing-Professor Theodor Levitt in den 1960ern, “sie wollen ein Loch in der Wand.”
Die JTBD-Brille verbunden mit OKR lassen neue Möglichkeiten entstehen. OKR sind der Umsetzungsmuskel. JTBD sind der Innovationsmuskel. Pentlands Gleichung geht auf. Die Balance von Exploration und Execution ist in einem Prozess abgedeckt. Ziele werden demnach im OKR-System nicht mehr technisch oder intern beschrieben, sondern mit Blick auf Zielgruppe, Fortschritt und Kundensituation. Die Anwendung von JTBD auf OKR ist leicht: statt technisch oder intern-fokussiert zu planen bringt ein JTBD-Formulierung von Zielen den Kundenfokus in den Blick. Die JTBD-Brille erzwingt:
eine Zielgruppe zu benennen
deren Fortschrittswünsche zu identifizieren
und ihre Situation zu verstehen
Herkömmlich kann ein OKR-Ziel lauten: “20% neue Kunden auf die Webseite bringen”. Intern-fokussiert und frei von den Wünschen und Bedarfen der Kunden. Übersetzt auf OKR könnte dies lauten: “Marketing-Managern auf der Suche nach x helfen unsere Angebot zu finden, zu verstehen und als hilfreich für ihre Situation zu sehen.”
Die Übersetzung in JTBD-Sprache ist nicht immer intuitiv und schnell. OKR an sich haben schon eine Lernkurve von mehreren Durchgängen und Monaten, um gute Ziele zu formulieren. JTBD braucht auch eine Eingewöhnung. Das Lernen ist genau die Umerziehung, die ein Unternehmen braucht. Damit sind OKR und JTBD mehr als rein administrative Prozesse - sie sind ein Kulturtool, um Wissensarbeiter im Unternehmen zu prägen.
Bezos’ Innovations-Hacks
Zurück zu Jeff Bezos. Hier ist sein simpler Hack, um Kundenbedürfnisse mit Zielen zu verbinden. Bei Amazon gab es für jedes neues Projekt ein Dokument zu erstellen. Darin wurde das Kundenfeedback aus der Zukunft beschrieben. Wer mit einer Projektidee kommt schreibt eine Zukunftsbewertung, wen das Projekt wie zufrieden gemacht hat. Ein 5-Sterne Review in die Zukunft projiziert, was das Projekt bewirkt hat. JTBD steht so am Start des Projekts. Oder wie Steve Jobs das einst sagte: “Du musst mit dem Erlebnis des Kunden anfangen und von dort aus rückwärts arbeiten.”
Schauen wir uns ein Beispiel an. Amazon Web Service. Amazon war als Buchladen im Internet gestartet und später kam die Idee, die eigenen Infrastruktur für Kunden verfügbar zu machen. 2006 macht Andy Jassy den Vorstoß und brachte einen Projektantrag in den Vorstand. Wie immer musste so eine Bewertung enthalten: Zielgruppe, deren Problem, Defizite an bestehenden Lösungen, Wert der vorgeschlagenen Lösung.
Vergleicht man den Zukunfts-Release von 2006 mit der AWS Webseite heute hört sich Vieles ähnlich an (mehr dazu hier):
Und heute:
Das Arbeiten vom Endergebnis her erzwingt den Kundennutzen in den Fokus zu nehmen. Auch wenn Schweiß in der Umsetzung steckt bleibt der Orientierungspunkt im Blick. Was Bezos an Management-Praxis mit Zielzuständen vorgab kann ein Vorbild für Unternehmen aller Größen sein. Kundennutzen mit Umsetzung koppeln stärkt ein Unternehmen und prägt die Kultur der Firma.
Die Chance liegt auf der Hand: mit OKR Flächeninnovation treiben
OKR sind im Kommen. Bei Dynamik im Umfeld bieten sie ein Management-Tool und zeigen, dass soziale Innovation Unternehmen Superkräfte gibt. Henry Ford machte sich die Ideen von Frederick Taylor zu eigen. Peter Drucker half bei der Führung von Wissensarbeitern. Agile Methoden beflügeln Unternehmen zu mehr Geschwindigkeit. Wenn Organisationen wachsen bleibt der Fokus auf Innovation und Kunden nur selten klar im Zentrum.
Wenn OKR mit dem Jobs-To-Be-Done Brille formuliert werden entsteht ein Königsweg für Kundenfokus. Kunden interessieren sich nicht um unsere Internas. Ihr eigener Fortschritt ist ihnen wichtig. JTBD in OKR bauen die Brücke, um den eigenen Mitarbeiter diese Denke zu verankern. Wenn ein Unternehmen Execution-Power mit Kundenfokus hinbekommt wird es kaum aufhaltbar sein. Es sind diese kleinen Hacks, die den großen Unterschied machen. OKR sind im Herzen ein Kultur-Tool. OKR richten den Blick. OKR vermitteln Werte und Worte. Prägen Sie Ihr Haus hin zu Innovation und Umsetzung.
Alle Ideale brauchen Anwendung. OKR bringen den Fokus und die Umsetzung mit sich. JTBD prägen die Innovation und Kundenperspektive im Unternehmen. In der Kombination liegt ungeahnte Kraft.
Marlin Watling führte als Personalleiter zahlreiche Personalsysteme ein und leitete in seinen 15 Jahren in Konzernen in Management-Teams Diskussionen zu Effektivität, Alignment und Prioritäten. Heute berät er Unternehmen zu Transformations-Themen und hat über die wirkungsvollsten Tools aus der Ecke von Startups hier geschrieben.
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7 Lektionen, die ich von Amazon gelernt habe
Es gibt eine Geschichte, dass die erste Bestellung bei Amazon so ablief: auf einer Webseite bestellte Käufer #1 ein Buch und im Büro von Jeff Bezos kam eine Email an. Dieser rannte von seinem Büro in den benachbarten Buchladen, kaufte das Buch und verschickte das an den Käufer. Zack – so startet man ein Business: wenig Investitionen, direkter Kundennutzen und viel Improvisation.
Es gibt eine Geschichte, dass die erste Bestellung bei Amazon so ablief: auf einer Webseite bestellte Käufer #1 ein Buch und im Büro von Jeff Bezos kam eine Email an. Dieser rannte von seinem Büro in den benachbarten Buchladen, kaufte das Buch und verschickte das an den Käufer. Zack – so startet man ein Business: wenig Investitionen, direkter Kundennutzen und viel Improvisation.
Heute ist Amazon eine Wirtschaftsmacht. Von Büchern ging es über CDs und Spielzeuge zu allen möglichen Waren wie Wurst und Welpentrockner. Der Aufstieg hat auch mit viel richtigen Entscheidungen zu tun, sonst hält man das nicht durch. Jeff Bezos ist der Macher und in einer Biografie kommen interessante Einsichten zum Tragen. Seine Shareholder Letters sind frei verfügbar und enthalten jedes Jahr ein Hauptthema. Sehr inspirierend und hier sind die Top 7 Lektionen, die ich von Amazon mitgenommen habe:
1) Lean into the future
“Wenn die Zukunft um die Ecke kommt, immer reinlehnen,“ so Bezos. Die Haltung zu Veränderungen ist aggressiv und einfach logisch. In jeder Industrie gibt es grundlegende Veränderungen, die die ganze Logik verändern. Häufig deuten die sich früh an, wie heute Künstliche Intelligenz, Mixed Reality uvam. Bezos machte es zu einer Grundsetzung seiner Führung, diese Trends früh anzunehmen und daraus was zu machen. Die Kiva Roboter fahren seit 2012 durch die Warenhäuser. Im Stakeholder Letter von 2010 sprach er über „Random forests, naïve Bayesian estimators, RESTful services, gossip protocols, eventual consistency, data sharding, anti-entropy, Byzantine quorum, erasure coding, vector clock”. Bezos dazu: “Viele unserer Systeme basierend auf der neuesten Forschung und technischem Fortschritt. Und dennoch fehlt da einiges: unsere Ingenieure und Experten müssen die Forschung weiter betreiben als es die Wissenschaft tut. Wir stoßen auf viele Probleme, auf die es keine Lösung gibt – und dann finden wir neue Wege.“
Mit Amazon Web Services sah er früh die Notwendigkeit von skalierbarer Cloud-Infrastruktur. Es zahlt sich aus, braucht aber Nerv, sich mit so grundlegenden Änderungen auseinander zu setzen und seinen Weg zu finden.
2) Diskussionen per Schriftsatz
Wie kommt man bei so einem großen Laden zu guten Entscheidungen? Bezos führte früh die Vorgabe ein, dass Entscheidungsvorlagen geschrieben per Memo an das Führungsteam gehen. In wenigen Seiten werden dort Vorschläge schriftlich ausgearbeitet unterbreitet, mit Problemstellung, Vorschlag, Zahlenwerk, Risikoabschätzung und Nutzen. Dazu sitzt das Führungsteam dann erst mal 10 Minuten zusammen und liest das Dokument – dann wird diskutiert.
Schreiben zwingt zur Klarheit, so die Logik. PowerPoint führt oft zu Ausschweifung, Unterbrechung und einer generellen Ermüdung. Durch das Schreiben werden die Vorschlaggeber gezwungen, die wichtigen Fragen vorher zu beantworten und Commitment zu den Aussagen abzugeben. Es unterbindet Bullshit. Und das ist eine ganze Menge her. Hinzu kommt, dass neue Ideen zunächst als „Customer Release“ formuliert werden – als wie auf der Amazon-Seite eine Beschreibung was Wert und Positionierung für den Kunden ist. Damit ist der Kundenfokus immer im Zentrum und es wird in jtbd gedacht.
3) Entscheidungen mit Zug und Mut
„Das große Dilemma von wachsenden Organisationen ist ihre Behäbigkeit,“ so Bezos in einem Letter über Entscheidungen. Kleine Firmen sind mutig und zackig. Große Firmen müssen viel abwägen und zahlreiche Personen einbeziehen. Bezos wollte die Logik der kleinen Firma beibehalten, um schnell zur Aktion zu schreiten und damit zu lernen.
Dafür hat er drei Grundregeln: 1) lass so viel wie möglich andere entscheiden – Bezos versucht, seine Führungskräfte zu befähigen, selbst zu entscheiden. Dafür stellt er zwei Fragen: ist die Entscheidung umkehrbar? Wenn ja, dann dezentral entscheiden. Ist die Entscheidung von großer Konsequenz? Wenn nein, dann dezentral entscheiden. Demnach sind Entscheidungen von großer Konsequenz ohne Rückweg auf jeden Fall Chefsache. 2) entscheide mit einem Grad von Unsicherheit – Entscheidungen unterliegen immer einem Grad von unvollständiger Information. Wenn man viel Information will dauert die Entscheidung entsprechend lange. Man braucht eine Bereitschaft, mit 70% Informations-Lage entscheiden zu können und die Abwägung zwischen Qualität und Geschwindigkeit der Entscheidung gut zu treffen. 3) hau dein Gewicht hinter Entscheidungen – nach einiger Zeit wird entschieden und dann ist es wichtig, dass alle mitziehen. „Disagree and commit“ ist die Maßgabe. Wenn es Zeit für Entscheidung ist, folgt die Aktion und diese braucht das Mitziehen von allen, auch denen, die andere Meinung hatten. Alles andere schwächt die Entscheidung und die Organisation.
4) Fehlerkultur fördert Mut und Wachstum
Die Liste der gescheiterten Projekte bei Amazon ist ellenlang. Fire Phone (2014), Auction (Ebay-Klon, 1999), PayPhrase (PIN mit Worten, 2009), Destinations (Hotelbuchungen, 2015), Restaurants (Lieferservice, 2015). Trotz Disziplin rund um Entscheidungen und Professionalität klappen zig Dinge nicht. Da kann wohl jeder sein Lied davon singen.
Bezos spricht in einem Shareholder Brief davon, wie sie eigentlich drei Motoren haben, die ihre Organisation bewegen: Online-Marktplatz, AWS und Prime. Die meisten Organisationen haben nur einen Motor. Hier ist die Sicht von Bezos: „Amazon ist kein Monolith. Nach zwei Jahrzehnten voller Risiko und Teamarbeit (und mit einigem Glück) haben wir nun drei Pfeiler: Marketplace, Prime und AWS. Jedes davon war zu Beginn eine riesige Wette und schlaue Leute haben (zurecht!) davor gewarnt, dass es nichts werden wird. Wir sind froh, sie zu haben… Und jetzt ist es unsere Aufgabe, sie zu nähren und zu stärken.“
Amazon hat den Mut, immer wieder abseits der gemeisterten Pfade zu investieren. Und das kostet. Bezos sagt: „Wir sind besonders im Fehlermachen. Ich glaube, wir sind der beste Ort auf der Welt, um Fehler zu machen (wir haben viel Übung damit). Fehler und Innovation sind untrennbare Zwillinge… Viele große Organisationen wollen die Innovation aber sind nicht bereit, die Zyklen von Fehlern auf sich zu nehmen, um dort hin zu kommen.“ (Letter 2015). Die Geschichte der Entstehung von Kindle ist ein Beispiel von Corporate Innovation – wo viele andere scheitern.
5) Kunden statt Wettbewerb
Die Wirtschaft spricht über die letzten Dekaden eine aggressive Sprache. Wettbewerb, Gewinnen, Gefahren, Strategie usw. Das mentale Modell geht von einem begrenzten Spielfeld aus, wo man für seine Pfründe kämpfen muss. Ist ja auch so, bringt aber ein bisschen einen Schiefstand mit sich.
„Wir fahren ja beim Autofahren auch nicht mit dem Blick hauptsächlich auf den Rückspiegel,“ so Bezos. Der Vergleich mit anderen mag hier und da seine Berechtigung haben. Amazon hat sich aber klar entschieden, den Kunden in den Fokus zu stellen. In drei seiner Shareholder Letter beschrieb er die Attitüde seiner Firma:
1998: fürchte den Kunden
2008: starte beim Kundenbedürfnis, um deinen nächsten Schritt zu planen
2012: überrasche und verzücke deinen Kunden, um langfristig Vertrauen aufzubauen
Diesen Fokus hat Amazon sicher nicht erfunden, aber sie konzentrieren sich darauf, die Firma konsequent daran auszurichten. So Bezos: „Ich erinnere unsere Mitarbeiter immer daran, jeden Morgen mit Furcht aufzuwachen. Nicht wegen der Konkurrenz, sondern wegen der Kunden. Unsere Kunden haben uns zu dem gemacht, was wir sind. Mit ihnen haben wir eine Beziehung. Und ihnen sind wir verpflichtet.“ Wenn man Rivalen beobachtet verliert man das Hauptthema aus den Augen. „Wir haben die Grundüberzeugung, dass Kunden wach und schlau sind,“ so Bezos.
Das hat Konsequenz für die Personalwahl von Bezos. In The Everything Store erzählt er über das Buch (The Monk and the Riddle), das ihn mit einem Bild geprägt hat. Es gibt Missionare und Händler. Missionare wollen wie Welt besser machen. Händler geht es um Geld und Macht, und sie gehen über Leichen, wenn sie es müssen. „Ich wähle jedes Mal Missionare statt Händler,“ sagt Bezos. „Das Paradoxe ist, dass die Missionare am Ende doch mehr Geld machen.“
6) Amazon.love
Als sich Amazon entwickelte, ging Bezos in sich und fragte, welche Art von Organisation er bauen wollte. Das ist eine schlaue Idee. Bauen Gründer und Lenker doch immer neben dem Produkt auch etwas Weiteres: eine Organisation. Und diese bewusst zu gestalten, prägt die Organisation und entwickelt sie weiter. Bezos stellte sich die Frage: wie wollen wir als Organisation sein?
Dafür ging er in eine persönliche Brainstorming-Session und schrieb 17 Attribute auf. Denen gab er das Label „cool“ oder „nicht cool“. Später verfasste er ein Memo draus und teilte es in Amazon. Hier ist die Liste:
Schroffsein ist nicht cool.
Kleine kaputt machen ist nicht cool.
Schnelles Kopieren ist nicht cool.
Jung ist cool.
Risiken eingehen ist cool.
Gewinnen ist cool.
Anstand ist cool.
Große, Unsympathische zu schlagen ist cool.
Erfinden ist cool.
Erkunden ist cool.
Übernahmen sind nicht cool.
Über Rivalen nachdenken ist nicht cool.
Andere empowern ist cool.
Alle Profite nur für die Firma nehmen ist nicht cool.
Führen ist cool.
Überzeugungen sind cool.
Geradeaussein ist cool.
Die Masse befriedigen wollen ist nicht cool.
Heuchelei ist nicht cool.
Authentisch sein ist cool.
Groß denken ist cool.
Das Unerwartete ist cool.
Missionare sind cool.
Händler sind nicht cool.
7) Bleib nur wenn du willst
2014 schrieb Bezos in seinem Shareholder Letter über ein Programm (Pay to Quit), das sie von ihrer Übernahme von Zappos genommen haben. Das Programm bietet jedes Jahr den Mitarbeitern an, die Firma gegen eine Zahlung zu verlassen. Neue Mitarbeiter bekommen 2.000 USD geboten. Dann steigt der Betrag jedes Jahr um 1.000 USD bis zu einem Maximum von 5.000 USD. Während viele Firmen sich Boni einfallen lassen, um Mitarbeiter zu halten, bietet Amazon einen anderen Weg.
Warum machen sie das? Sie wollen sicher nicht die Mitarbeiter loswerden. Bezos schreibt: „Wir wollen damit Mitarbeitern einen Moment geben, sich klar werden, was sie wirklich wollen. Langfristig ist es nicht gesund für die Entwicklung einer Firma wenn Mitarbeiter an einem Ort sind, wo sie nicht sein wollen.“
Viele Firmen kämpfen mit einem Mangel an Engagement. Gerade wachsende und gutzahlende Firmen werden so manchmal zum goldenen Käfig. Die Eigeninitiativen gehen und zurück bleibt ein wachsender Teil von Mitarbeitern, die sich nicht den Absprung trauen aber auch nicht wirklich dabei sein. Engagement und Kreativität sind Freiwilligengabe und können nicht durch Stellenbeschreibungen oder Mandat gefördert werden.
Fazit – 7 Lektionen von Amazon
Business ist mehr als Handwerk. Es braucht Attitüde und klare Haltungen. Diese sieben Ansichten von Amazon klären und setzen Schwerpunkte. Diese unsichtbaren Faktoren gewinnen heute immer mehr Gewicht. Die Welt ist sicher an jedem Ort unterschiedlich – und doch können wir von der Klarheit von Bezos lernen. Das taten wir jedenfalls.
Warum Palo Alto blendet
The other day betrat ich einen Konferenzraum mit 40 Personen auf dem Waldhof in Mannheim. Der Stadtteil strahlte in den 80ern dank Klaus Schlappner und dem SV Waldhof in ganz Deutschland – und hatte was von St. Pauli – echt, eigen und mitten im Leben. Die Barracken auf dem Waldhof sind schon lange multi-kulti und hier gilt der Arbeiter als Held. Die angrenzenden Industriegebiete sind dann nur was für ganz harte Industrieromantiker und doch pulsiert hier die Wirtschaft
The other day betrat ich einen Konferenzraum mit 40 Personen auf dem Waldhof in Mannheim. Der Stadtteil strahlte in den 80ern dank Klaus Schlappner und dem SV Waldhof in ganz Deutschland – und hatte was von St. Pauli – echt, eigen und mitten im Leben. Die Barracken auf dem Waldhof sind schon lange multi-kulti und hier gilt der Arbeiter als Held. Die angrenzenden Industriegebiete sind dann nur was für ganz harte Industrieromantiker und doch pulsiert hier die Wirtschaft.
In diesem Treffen sollte es um Innovation gehen – die neue Hauptmelodie auf Chefetagen und bei jungen Wilden in vielen Städten und Betrieben. „Wir müssen Innovation endlich ernst nehmen,“ so die Ansage. „Schaut nach Silicon Valley: ihre Fehlerkultur, ihren Wachstum. Davon müssen wir uns was abschneiden.“ Der Vorschlag, das Projekt Silicon Waldhof zu nennen wurde gerade so abgebogen. („Was hawwä mir dann mit Silikohn zu duä?“) Und neben Ambitionen und ein paar Ideen für Sprints und Vernetzung war es das dann auch wieder.
Kommt mir so vor, dass wir etwas geblendet sind von Palo Alto. Etwas wie die Malediven – schön, wünschenswert und total weit weg. Und dazu noch unrealistisch für das normale Leben. Wenn unter der kalifornischen Palme etwas in einer Garage zusammengenagelt wird, dann ist das ewig weit weg von den Realitäten auf dem Waldhof – oder sonstwo in Deutschland. Zum einen haben wir unsere Anzahl an Tüftlern und Findigen – halt oft ohne die Egos und Glamour-Stories vom Valley. Zum anderen sind die meisten Organisationen auf Effizienz getrimmt. Da ist wenig Platz für Fehler, für Freizeit zum Suchen, für Moonshots.
Die Diskussion richtig lenken
Nicht, dass wir nicht mit offenen Augen im Kundenkontakt stehen sollten – oder unsere alten Zöpfe kämmen oder abschneiden sollten. Ein Hoch auf Innovation! Innovation ist die richtige Diskussion – wir müssen uns erneuern und ständig hinterfragen. Und es gibt allerhand zu lernen im Umgang mit Innovation.
Allerdings brauchen wir eine realistische Einschätzung, wo wir stehen und was uns hilft. Wird aus dem Waldhof der Durchbruch in Robotics kommen? Wird hier das Epizentrum des Machine Learning entstehen? Eher unwahrscheinlich – und schon gar nicht von bestehenden Organisationen. Wir haben gar nicht die Leute, die schon bei zig Firmen waren, die schon hier und da gegründet haben, die Fehler feiern. Unser Prägungspotenzial für echte Durchbrüche reicht nicht. Wenn mal wieder was Neues geschieht, dann nicht in Fabrikhallen, Meetingräumen oder Corporate Planungssessions; wenn schon dann in einer Garage unter dem waldhofer Nieselregen.
Wenn Palo Alto nicht das Ziel der Träume ist, wie gehen wir dann mit Innovation um? Es gibt einen Weg, der uns viel relevanter scheint.
Geoff Moore beschrieb vor 20 Jahren wie Innovation einer Normalverteilung folgt. Da gibt es die Draufgänger ganz vorne. Dann kommen die Frühen Folger und die Große Mehrheit. Später kommt die Späte Mehrheit und schließlich die Skeptiker.
Mit der Zeit rutschen Firmen immer mehr nach hinten. In Firmen gibt es so viel zu tun, dass man keine Zeit für Experimente hat, und viel guter Wille schon abgenutzt wurde. Demnach ist man selten vorne dabei, mit offenen Augen durch die Welt zu laufen und schnell auf neue Pferde aufzuspringen. Allerding ist das die Diskussion, die wir brauchen – wie geben wir uns einen Ruck nach vorne? Nicht ganz vorne, aber weiter nach vorne in der Kurve. Es braucht einen Innovationsansatz, der auf schnellere Übernahme von erfolgreichen Neuerungen setzt. Es braucht einen Ansatz, das Portfolio von Ideen, Ansätzen und Technologien zu managen und Innovation darin eine stärkere Stimme zu geben.
Die Kernfrage: was kann unsere Organisation leisten?
So einen Ansatz liefert uns Geoff Moore. Er spricht seit Jahren über Innovation und Dynamiken in Industrien. Sein 1991 Bestseller „Crossing the Chasm“ wurde zum Standardwerk, wie Innovationen es in den Mainstream schaffen. 2015 beschrieb er nun mit „Zone to Win“ die andere Richtung. Wie schaffen es gewachsene Organisationen, Innovationen aufzunehmen?
Moore schlägt ein Zonen-Management vor. Jede Firma besteht auf vier Zonen, die gut gemanaget werden müssen. Zwei Zonen beschreiben das laufende Geschäft: Zone 1 und 2 sind für Wachstum und Effizienz da. Diese müssen Organisationen meistern, um profitabel zu sein. Dazu gibt es dann eine Zone 4 – das weite Feld an Experimenten. Hier sind die Silicon Valleys unterwegs. Organisationen tun gut daran, Geld für diese Zone bereit zu stellen. Wichtig ist hier, dass sie viel Freiheit haben – eigene Prozesse, Entscheidungswege, Zyklen etc. Und dann gibt es die Zone 3 – die Transformation. Wenn man zum Schluss kommt, dass eine Innovation den Markt verändert, dann geht es darum in der Zone 3 zu spielen. Dazu müssen ALLE Dinge in Zone 4 (dem weiten Feld) gestoppt werden (verkauft, verselbständigt, geschlossen) und nur EINE Sache in Zone 3 behandelt werden. Die Zonen 1 und 2 (das laufende Geschäft) müssen 10% Geld freischaufeln, um die Zone 3 zu ermöglichen.
Was Moore sagt: man muss ein Portfolio von Innovationskandidaten haben und dann entscheiden. Wenn es Zeit für Transformation ist, kann man nur auf EIN Pferd setzen. Dieses Pferd braucht Ressourcen, Zeit und anderes Management. Das ist Chef-Sache und muss richtig behandelt werden. Die Konsequenz: Transformation wird eine Kernaufgaben und die schwierigen Fragen in solchen Übergängen müssen gestellt und beantwortet werden.
Wir sind der Meinung, dass man sogar Zone 4 (das weite Feld) nicht selber machen muss. Man kann auch indirekt Erfahrung sammeln oder sich Wissen aneignen. Aber irgendwann muss man zum Schluss kommen, in welche Richtung man die Firma ändert. Und dann braucht es richtige Überzeugung. Es braucht die Veränderung am Design der Firma.
Firmen gestalten sich nach deren Hauptlogik. Für viele ist das die Effizienz: wenig Abweichung, viel Standardisierung, Hauptweg Skalierung und senken der Kosten. Das ist in bestehenden Feldern ideal. Für Transformation ist das allerdings ein großes Problem – weil diese nicht standardisiert ist, viel Lernkurven mit sich bringt, neue Kosten verursacht und eine andere Kultur braucht. Firmen müssen sich zum Meister in Adaptionsfähigkeit entwickeln. Organisationen müssen dafür drei Muskeln ausprägen:
1) Priorisieren – Firmen brauchen einen guten Radar für das, was an Innovation passiert; einen Weg dies intern zu diskutieren und zu klaren Entscheidungen zu kommen.
2) Standardisieren – Organisationen brauchen Klarheit und Routine, um Neuerungen einzuführen, wachsen zu lassen und möglichst einfach und direkt unterwegs zu sein.
3) Beschleunigen – es braucht Unterstützung und Tools, um die Zeit in Lernkurven zu kürzen und Ressourcen an den richtigen Stellen einzusetzen.
Wir sehen die Notwendigkeit von Wandelbarkeit und Transformationsleistung in Unternehmen von heute. Das ist kein Zauber und muss nicht mit Halbwissen aus Artikeln oder Vorträgen gemacht werden. Damit rutschen sie auf der Innovationskurve deutlich nach vorne. Wenn Organisationen neben der Effizienz die Wandelgeschwindigkeit als Merkmal haben, können sie die Vorteile von Silicon Valley für sich nutzen ohne die hohen Kosten des Experimentierens in ganz neuen Feldern zu haben.
Das Beispiel Microsoft
Schauen wir uns mal an, wie das geht. Microsoft folgte eigentlich schon immer dieser Logik. Sie waren nie die Erfinder. Bill Gates war ein wacher Kollege, der schnell sah, was den Unterschied machte. Viele nennen Microsoft den Inbegriff eines „Fast Followers“. Windows wurde von Xerox Parc und Apple abgeschaut, die Maus auch. Excel folgte auf Lotus 1-2-3. Und wo wurde Microsoft zum König der PC-Revolution.
Das ging lange gut – bis die Welt sich änderte. PCs und Server wurden von der Cloud und Tablets abgelöst. Das Geschäftsmodell stand in Frage und andere Firmen wie Google, Amazon und Apple lagen dort weit vorne. Microsoft wurde immer unrelevanter und ihnen drohte das gleiche Schicksal wie anderen Ex-Königen (Nokia, Palm, Motorola, Yahoo etc). Als Satya Nadella vor 5 Jahren Chef von Microsoft wurde, sagte er folgendes:
„Ich würde für eine erfolgreiche Firma immer überbetonen wie wichtig Kultur. Mit der richtigen Kultur ermöglicht man die richtigen Konzepte und passenden Fähigkeiten.“
Seine Ansage: eine Organisation braucht gute Wandelfähigkeit. Erfolg von gestern kann dir dein Morgen rauben. Als Denkpartner fand Nadella die Psychologin Carol Dweck. Diese bringt der Welt die Wichtigkeit des „Growth Mindsets“ bei. Sie forschte bei Kindern, warum manche an Hindernissen wachsen während andere davor zurückschrecken. Es ist der Mindset: fixe oder wachsende Grundhaltung. Die Kinder mit Growth Mindset dachten, sie können an der Herausforderung wachsen. Die Kinder mit Fixed Mindset sahen diesen als Gefahr für ihr Selbstverständnis und Glück.
Nadella nahm das und brachte es Microsoft bei. Wir müssen nicht unser Territorium verteidigen und uns an unseren Erfolg von gestern klammern. Wir brauchen die Haltung, an Herausforderungen zu wachsen. Er nannte seine Prioritäten: Cloud, Augmented Reality und Quantum Computing. Hier war Microsoft nicht vorne. Aber sie stürzten sich rein – mit neuer Kultur und einer Ansage an Wandelbarkeit. Resultat? Läuft ganz gut bei denen die letzte Zeit.
Microsoft hat sich auf seine Wurzeln zurückbesonnen: wache Augen, schnell folgen und dann mit Vehemenz hinterher sein. Und sie haben ihren Weg verändert: nicht mehr PC, Server und Abgrenzung. Mit der dieser Attitüde braucht man nicht den Durchbruch in der Garage, um Innovation für seine Kunden arbeiten zu lassen. Microsoft zeigt den Weg, was Anpassungsfähigkeit und die richtige Kultur bewirken.
Eine knackige Alternative: auf schnelle Imitation getrimmt
Das Feuerwerk an Innovation aus Palo Alto werden wir bei uns so nicht nutzen können. Das ist also ob man versucht, die Malediven in Mannheim zu realisieren. Vielleicht kann die Ambition was bewirken, aber so richtig wird das nichts werden. Muss es auch nicht. Wie die Geschichte zeigt, sind es nicht die ganz weit vorne, die den besten Lauf hatten.
Die Siedler auf dem Weg in den amerikanischen Westen hatten vor 150 Jahren genau das erlebt. Wer als Pionier aus den Kolonien in den Westen zog unterlag einer Scheiterrate von 47%. Fast die Hälfte der Erstpioniere schaffte es nicht. Wer ein paar Jahre danach loszog, war mit 8% scheitern viel besser dran. Followers leben viel erfolgswahrscheinlicher.
Und die großen Namen aus Silicon Valley waren oft nicht die ersten. Google war die 18. Suchmaschine, Facebook die 21. Soziale Netzwerk und Microsoft mit Windows das 21. Graphical User Interface. Elektroautos gab es schon 120 Jahre vor Tesla, Mobiltelefone 30 Jahre vor dem iPhone. Wie Star-Investor Peter Thiel sagt:
„Obwohl wir auch mal in einem Markt ganz vorne mit dabei sind, mögen wir es am liebsten wenn andere die ersten Schritte machen und Dinge zum Laufen bringen.“
Follower sind besser dran als die ganz harten Pioniere. First Mover zu sein hat einen hohen Preis. Die Angst, etwas zu verpassen ist immer da und wird dennoch oft auch überbewertet.
Was ist also der Weg? Wir brauchen Organisationen, die sich schnell anpassen können. Adaptionsfähigkeit ist das Zauberwort. Wenn eine Idee sich beweist, dann mit Schmackes hinterher. Dann alle Ressourcen darauf, dort gut zu werden und diese Neuerung für sich nutzbar zu machen. So wie Daimler gerade mit ihrer Ansage zu E-Mobilität. Die Garage von Palo Alto ist nicht unser Ideal. Was wir brauchen sind gute Beobachtung und dann Organisationen, die sich wandeln können. Klare Entscheidung zur Transformation und Meisterwissen in den Übergängen wird uns weiterbringen als die nächste Person mit Rollkragenpulli und Jeans. Nimm das Gute und renn!
Marlin Watling führte als Personalleiter zahlreiche Personalsysteme ein und leitete in seinen 15 Jahren in Konzernen in Management-Teams Diskussionen zu Effektivität, Alignment und Prioritäten. Heute berät er Unternehmen zu Transformations-Themen und hat über die wirkungsvollsten Tools aus der Ecke von Startups hier geschrieben.
Wie Spannungen und Paradoxien Kreativität und Innovation in Unternehmen fördern können
Die Studien zum "Paradox Mindset" haben aufgezeigt, dass es ungewöhnliche Perspektiven und eine Menge Kreativität und Selbst-Bewusstsein (Consciousness & Confidence) benötigt, um mit paradoxen Situationen *konstruktiv* umzugehen. Diese "Mindsets" finden wir insbesondere auch bei Introvertierten. Werden ihre Stimmen gehört und ihre Perspektiven zugelassen, werden andere Herangehensweisen sichtbar und Veränderung, Ideation und Innovation möglich.
“Es geht nicht nur um offene Innovation, sondern um Offenheit gegenüber Innovation.”
— Curley und Salmelin [1]
„Wenn man Innovation und Kreativität doch nur in eine Box stecken könnte! Man könnte sie für viel Geld an jede Organisation da draußen schicken,“ sagte ein Freund neulich zu mir. Gar keine schlechte Idee, oder? Es gibt bereits einige Ansätze, die sich darauf spezialisiert haben – zum Beispiel Adobe Kickbox und diverse Design (thinking) kits. Mittlerweile bieten zahlreiche Beratungsfirmen Innovationsboxen an. Doch kann es wirklich funktionieren, Kreativität und Innovation in einen festen Rahmen zu packen? Lebt doch eine offene Kultur vielmehr von persönlicher Motivation und einem bestimmten Mindset als von Management-Tools, Vorlagen und Abläufen.
Seit über zehn Jahren ist jedenfalls zu beobachten, dass der Bedarf an innovativem Denken in Unternehmen kontinuierlich steigt – und zwar in einem breiten Branchenspektrum. Dass Unternehmen großen Aufwand treiben, um ihre Innovationskraft und ihre kreativen Ressourcen zu stärken, zeigen Ansätze wie Workong Out Loud oder Design Thinking (und viele mehr). Auch der Stellenmarkt verrät etwas über diese Entwicklung: Kreativkräfte wie Innovationsmanager oder Design Thinking Manager werden mittlerweile in beinahe jeder Branche händeringend gesucht – ob im Versicherungswesen, im Bankenwesen oder im Non-Profit-Bereich. Auch das Innovationsbusiness boomt: Die Angebotspalette im Bereich Innovations- und Kreativitätsmanagement, mit dem sich Dienstleister und Programmentwickler an Unternehmen richten, ist deutlich angewachsen.
Scheint doch wie geölt zu laufen, die Innovationsmaschinerie. Doch der Eindruck trügt. Organisationen sehen sich mit enormen Spannungen konfrontiert:
Sie stehen unter hohem Innovationsdruck. Zugleich müssen sie ihr klassisches Geschäft aufrechterhalten – und das umso mehr, je etablierter sie sind. Das verleitet schnell dazu, einfache Wege zu gehen, Abkürzungen zu nehmen und Herausforderungen nicht zu Ende zu denken.
Ihnen läuft die Zeit davon, weil sich neue Wettbewerber in klassischen Märkten etablieren und das Spiel verändern. Gleichzeitig lähmen Faktoren wie die eigene eingeübte und manifeste Organisationskultur.
Am Markt und in der Organisation fehlt es an Innovationskräften, die qualifiziert bzw. erfahren genug und gleichzeitig hinreichend „radikal” in ihrer Vorgehensweise sind.
Wir beobachten, dass die meisten Organisationen – ob aus Wirtschaft, Kirche oder Non-Profit – tagtäglich mit diesen Herausforderungen zu tun haben. Wenn nun schon offensichtliche Artefakte nicht so leicht zu verändern sind, wie steht es dann um die nicht offensichtlichen Faktoren wie die eigene Organisationskultur? Gibt es womöglich Ansätze oder gar empirische Hinweise, die Kulturwandel gelingen lassen und eine Kultur begünstigen,in der ungewöhnliche Ideen größtmöglichen Entfaltungsraum bekommen, so dass Veränderungen möglich werden?
“Der Feind der Kunst ist die Abwesenheit von Begrenzungen.”
— Orson Wells [2]
Warum Spannungen nicht das Problem sind
Die Antwort liegt jedenfalls nicht darin begründet, wie sich derartige Herausforderungen und Spannungen beseitigen lassen, sondern wie man mit ihnen umgeht. Begrenzte Ressourcen beispielsweise müssen nicht, wie man meinen könnte, für eine Kreativitätsflaute sorgen – im Gegenteil. Besonders innovative und kreative Menschen machen immer wieder die Erfahrung: Je eingeschränkter sie in ihren Möglichkeiten sind, desto kreativer sind sie. Auch Untersuchungen zeigen, dass Spannungen die Ideenfindung anregen können. Entscheidend ist: Betrachtet man sie als Probleme, die es zu lösen gilt? Oder – und hier liegt der Schlüssel, Spannungen als Kreativmotor zu nutzen – als etwas, das sich managen lässt? Dahinter steckt das sogenannte paradoxe Mindset, in dem Spannungen nicht nur ausgehalten werden, sondern als Chance für Wachstum begriffen werden. Ein paradoxes Mindset fördert Kreativität und Innovation.
Die Kultur für ein paradoxes Mindset schaffen
Ein solches Mindset entfaltet sich jedoch nicht von selbst – es braucht eine unterstützende Kultur, um gehört zu werden und Wirkung (Impact) zu erzielen. In unserer westlichen (Unternehmens-)Kultur wird noch unterschätzt, welche Rolle Zurückgezogenheit spielt, um kreative Prozesse zu ermöglichen – und damit auch das Potenzial zurückhaltender Menschen. In Ideenfindungsprozessen werden die, die gern im Stillen arbeiten und sich vertiefen eher übergangen, weil sie sich Zeit nehmen, um abzuwägen, bevor sie Entscheidungen treffen. Doch an Zeit mangelt es in Projekten am meisten. Schnelle Lösungen werden bevorzugt. Häufig tun sich deshalb die Extrovertierten, Lauten und Schnellen als Problemlöser hervor. Die Art zurückhaltender Menschen kommt daher nicht nur weniger zum Zug, sie wird oft auch abgewertet: als schüchtern, verrückt, autistisch, eigenwillig oder „nerdy“ (was nebenbei auch arbeitsethische Fragen aufwirft).
Doch wo Bedürfnisse Introvertierter übergangen werden, wie zum Beispiel in Großraumbüros mit konstant hohem Lärmpegel, werden auch Talente übersehen: Persönlichkeiten wie Steve Wozniak, Rosa Parks und viele andere Introvertierte, die zu ihrer Zeit großen Einfluss genommen haben. Das ist einer der Gründe, warum sich Susan Cain in ihrem TED Talk für eine Ausgewogenheit zwischen Extro- und Introvertiertheit starkmacht. Es liegt nahe, dass gerade Introvertierte eine Kultur prägen können, in der das paradoxe Mindset aufblühen kann. Vereinzelt gibt es deshalb bereits alternative Ansätze, in denen Zuhören und Bedachtsamkeit im Fokus stehen und „die Verrückten“ sehr geschätzt werden.
Das Potenzial zurückhaltender Menschen
Wo nun der Kreativitäts- und Innovationsbedarf hoch ist, ist demnach auch der Bedarf groß, diesem versteckten Potenzial in Unternehmen auf die Spur zu kommen. Bislang gibt es allerdings nur vereinzelt Bücher und Materialien, die sich diesem versteckten Potenzial widmen. In Programmen wird noch viel zu wenig Wert auf Menschen im Hintergrund oder auf bereits vorhandene Ressourcen gelegt. Führungspersonen müssten sich stärker damit auseinandersetzen, welche Persönlichkeit mit welchem Skillset für welche Rolle geeignet ist. Es gibt etwa Aufgabenbereiche, die mehr Fokus, Ruhe und Zurückgezogenheit erfordern als andere. Ein Arbeitsplatz, an dem Menschen ständig miteinander interagieren und Ideen austauschen, ist womöglich nicht der richtige Platz für Introvertierte.
Neueste Untersuchungen zeigen, dass es im Umgang mit Menschen, die die Grundlagen für ein paradoxes Mindset mitbringen, zwei Dimensionen zu bedenken gibt: ihre kognitive und ihre emotionale Welt. Sie brauchen Raum außerhalb der üblichen Umgebung, um ein paradoxes Mindset auszubilden. Dabei können Reflektion, Begleitung durch Coaches und Mentoren, Vertrauensbildung und praktische sowie akademische Lernmethoden eine wesentliche Rolle spielen. Auf diese Weise können sie Expertise aufbauen, um mit Spannungen und komplexen Anforderungen umzugehen, und Strategien entwickeln, um mit verschiedenen Rollen klarzukommen. Ist dieser Ansatz von Erfolg gekrönt, sind sie potenzielle Multiplikatoren („kulturelle Botschafter“) innerhalb ihrer Organisation und können wiederum andere darin unterstützen, mit Spannungen und Paradoxien umzugehen.
Um ein Umfeld zu schaffen, in dem „die Verrückten“ mit ihren ungewöhnlichen Blickwinkeln und kreativen Zugängen geschätzt und gehört werden, braucht es eine andere Haltung ihnen gegenüber, die sich auch in der Unternehmenskommunikation und -struktur wiederfindet. Dazu müssen Organisationen
das paradoxe Mindset verstehen und ein tieferes Verständnis [3] für das individuelle Verhalten in diesem Mindset ausbilden;
(re)definieren, wie ein Umgang aus Organisations- und Führungsperspektive damit aussehen kann und ein organisationales Modell [4] dafür entwerfen;
das Konzept des paradoxen Mindsets in Strukturen, Abläufen, Unternehmens- und Personalmanagement-Strategien, Werten und Leitlinien berücksichtigen.
“Das Problem ist nicht das Problem; das Problem ist die Art und Weise, wie wir über das Problem denken.”
— Paul Watzlawick [5]
Wie sich das Investment in den Kulturwandel auszahlt
Im Bereich Entrepreneurship hat sich das paradoxe Mindset als große Bereicherung herausgestellt: In diesem Mindset werden Probleme völlig neu betrachtet und neu bewertet. Wichtig dabei ist, dass weniger die Ideenfindung im Fokus steht als mehr die Menschen selbst – insbesondere die, die normalerweise nicht viel zu sagen haben. Ihre Innovationskraft und Kreativität gehen aus einem paradoxen System hervor – deshalb sind sie imstande, für Revolutionen zu sorgen. Viele große Führungspersönlichkeiten und Visionäre der Vergangenheit und Gegenwart waren introvertiert – ihre Ideen und Visionen haben diese Welt bewegt.
In Organisationen finden wir jedoch oft ein Umfeld vor, das sich auf die Ideenfindung und den Austausch von Ideen fokussiert. Das kann dazu führen, dass sich die Situation noch verschärft. Große Aufmerksamkeit widmet man der Frage nach dem Warum (“Start with the why”) – was häufig in der Sache bleibt und zum Problem zurückführt. Was sich hingegen auszahlt, ist die Frage nach dem “Wer”. “Good to great” kam zu diesem Ansatz und konnte dafür empirische Erkenntnisse aus einer 5-Jahres Untersuchung aufzeigen. Der gesamte Emotional Intelligence Diskurs (Goleman) konzentriert sich auf die Person, Emotion und Identität.
Das ist auch einer der Gründe, warum wir sh|ft begonnen haben. Neben der Sache (Warum), also dem Anliegen, ungewöhnliche Partner*innen von Wirtschaft, Kirche und Gründer*innen in aktuellen Fragen der Zeit zusammen zu bringen, lautete unser zentrales Anliegen: einen Raum zu schaffen, der Menschen mit leisen und ungewöhnlichen Stimmen eine Plattform bietet. Der Fokus liegt dabei in erster Linie auf der Förderung der Person und in zweiter Hinsicht auf dem Anliegen, dem Warum. Innovationskraft entsteht nach unserer These, wenn eine Person sich entdecken und entfalten kann. Dann wird sie Widersprüche in existierenden und zukünftigen Strukturen nicht nur aushalten, sondern auch nutzen können. Als Rahmen dazu verbinden wir ungewöhnliche Menschen und gestalten gemeinsam (Co-Creation) ein ungewöhnliches Partner-Eco-System von Universitäten, Kirche, Social Business und Startups – Spannung(en) garantiert!
“Die meisten großartigen Ideen entstehen in der Einsamkeit.”
— Susan Cain
Praktisch werden
Unternehmen, die den „Verrückten“ Raum geben, ohne eine monorationale Agenda zu verfolgen, sind schwer zu finden (bspw. Produktfirmen und Kreativagenturen, die an die Marktentwicklung, Gesellschafterinteressen gebunden sind). Um praktisch zu werden, haben wir deshalb sh|ft entwickelt: Framework, Plattform und Initiative in einem, bei der „die Verrückten“ eine Community, Raum für Exploration und Publikationen über unsere Entdeckungen und Ergebnisse vorfinden.
Dabei versuchen wir in unserem Raumdesign – sowohl virtuell als auch in der Realität – zu berücksichtigen, dass Einsamkeit und Begrenzungen Kreativität fördern und spürbare Spannungen Innovation begünstigen. Um einen solchen Kreativraum zu eröffnen, haben wir ein Non-Profit-Modell gewählt, das nicht von der Marktentwicklung oder von Kundenanforderungen abhängig ist. sh|ft muss sich zwar noch bewähren, doch bereits jetzt zeichnet sich ab: Das Modell wird beiden Bereichen gerecht, die in einem paradoxen Mindset erforderlich sind: Es spricht einerseits die kognitive Ebene an und bietet andererseits Raum für Emotionen [6]. sh|ft hat es sich zum Ziel gesetzt, den „Verrückten“ zuzuhören.
Klaus Motoki Tonn, Initiator von sh|ft und weiteren Initiativen zwischen Kirche, Social Business und Wirtschaft. Forscht im Umfeld von Diakonie (IDM Bethel) zu Corporate Digital Responsibility und engagiert sich im Umfeld von digitaler Kirche und sozial verantwortlichem Gründertum / Entrepreneurship.
Quellen
[1] M. Curley, B. Salmelin, Openness to Innovation and Innovation Culture in Open Innovation 2.0, Innovation, Technology, and Knowledge Management, Springer International Publishing Switzerland 2018.
[2] Das Zitat wird Orson Wells zugeschrieben.
[3] „Paradox theory deepens understandings of the varied nature, dynamics and outcomes of organizational tensions“, Microfoundations of Organizational Paradox: The Problem is How We Think About the Problem.
[4] Communicative, ethical and strategic framework to manage corporate culture, Mindset als Form der Implementierung von CSR in das Business Model, Klaus Motoki Tonn, Manaén Yosef Stürenberg Herrera.
[5] Watzlawick, Weakland & Fisch, 1974.
[6] „As research suggests, managing conflict is not just a mental exercise, but depends on managing emotions as well.”
Warum Vorsicht der falsche Weg ist
“Die globale Wirtschaft durchlebt gerade die größte technische Transformation der Geschichte,“ eine Headline in einem Report. Amerikaner sind ja bekannt für große Ansagen. Aber die folgende Zeitleiste zeigt die Einführung von „Innovations-Plattformen“ und den Einfluss Wirtschaftswachstum. Wo früher alle Generation mal was Neues kam, war es Anfang 1900 drei Technologien auf einmal – Telefon, Auto und Elektrizität. Und die Welt war anders.
“Die globale Wirtschaft durchlebt gerade die größte technische Transformation der Geschichte,“ eine Headline in einem Report. Amerikaner sind ja bekannt für große Ansagen. Aber die folgende Zeitleiste zeigt die Einführung von „Innovations-Plattformen“ und den Einfluss Wirtschaftswachstum. Wo früher alle Generation mal was Neues kam, war es Anfang 1900 drei Technologien auf einmal – Telefon, Auto und Elektrizität. Und die Welt war anders. Dann dauerte es zwei Generation bis zum Computer, gefolgt vom Internet. Und jetzt erleben wir was, was es noch nie gab: 5 Plattformen auf einmal. Mit Künstlicher Intelligenz, Robotics, Blockchain, sowie Gensequenzierung und Energiespeicher brechen fünf Themen parallel auf uns ein. Kann einem schwindelig werden.
Viele Themen sind auch nicht ganz leicht zu verstehen. Was sind die Konsequenzen von Künstlicher Intelligenz? Welche Auswirkung wird Robotics haben? Sicherlich viele Themen, die schon vor 20 Jahren in Filmen bearbeitet wurden. Wie verhalten wir uns zu dieser nie dagewesenen Welle?
Von Armut zu Reichtum
Der Ausdruck VUCA macht schon länger die Runde. Vulnerable, uncertain, complex & ambigious – so ist unsere Welt. Dinge ändern sich rasant und hängen zusammen. Das ist das neue Normal. Und keiner fragt nach Erlaubnis. Es wird so weitergehen. Die Welt ist VUCA. Wir können uns dem nicht entziehen.
Aber früher war ja auch nicht alles stabil. Wenn man sich die USA 1850 anschaut, dann war das ein bitterarmes Land. Das ist 6 Generationen her. Damals lief eine Frau 240 Kilometer im Jahr und trug 36 Tonne Wasser zur Versorgung der Familie. Die Kindersterberate lag mit 150 Todesfällen bei 1.000 Geburten - drei Mal höher als das heute in Burkina Faso, Afghanistan oder Haiti. Heute sind die USA die Neudefinition von Wohlstand. Noch nie lebten Menschen so lange, waren so gut ernährt, hatten so viele Möglichkeiten, reisten so viel. Was war der Weg von 1850 zu 2019? Eine Reihe von Innovationen und eine Nation, die sich rasant darauf. Innovation bringt Wohlstand mit sich.
Oder Südkorea im Jahr 1960. Kurz zuvor legte Krieg das Land lahm und die Hauptstadt Seoul war vier Mal unter fremder Herrschaft. Damals gab es nur eine Textilindustrie und das pro-Kopf BIP lag bei 158 USD – auf dem Level von Ghana. Heute liegt Südkorea BIP bei USD 27.000 im Jahr, 20x so hoch wie Ghana. Auch hier zeigt sich Innovation als Haupttriebfeder für Aufschwung und Wohlstand. Samsung, Hyundai, Kia Motors und LG bescherte Südkorea einen starken Markt, Arbeitsplätze, Bildung und Infrastruktur. Kia baute zuerst Fahrräder für die Armen, dann Motorräder und Dreirad-Mini-Laster.
Der entscheidende Faktor: Umgang mit Innovation
Der Forscher Diego Camin von der Harvard Business School untersucht seit einigen Jahren, wie der Einfluss von Innovation auf Wohlstand funktioniert. Er betrachtet die historische Verfügbarkeit von Innovation, deren Erstnutzung in einem Land und wie sich das auswirkt. Das Lernen über Innovation wird immer schneller. Wenn heute im Silicon Valley was Neues gedacht und gemacht wird, braucht es wenige Wochen oder Monate bis es in vielen anderen Ländern verfügbar ist. Man möchte meinen, dass damit auch alle davon profitieren können. Sprich: die Schere zwischen führenden Nationen und allen anderen wird kleiner.
Ist aber nicht so. Die Schere wird breiter. Reiche Nationen werden reicher – und die armen kommen nicht so schnell hinterher. Obwohl sie früh um Innovation wissen. Was ist da los?
„Es gibt noch einen zweiten Aspekt,“ so Comin. „Neben Erstnutzung müssen wir die Intensität des Nutzens von Innovation anschauen.“ Was er damit meint: wie schnell findet eine Innovation Anwendung in der breiten Masse. Wie schnell durchdringt eine Innovation ein Land. Es ist genau dieser Faktor – Intensität – der entscheidend für Wohlstand ist.
Dann gehört China die Zukunft
Schauen wir und das Reich der Mitte an. Die letzten 20 Jahre ist das Reich der Mitte aufgewacht und marschiert an die Spitze. Wenn man sich die folgenden Zahlen der Studie „China’s Digital Economy“ anschaut, dann sieht man ein Land, das Innovation will.
China hat einen massiven Markt. Die vielen Menschen im Land bieten größere Möglichkeiten als sonstwo. Dabei zeigt sich, dass sie diese Möglichkeiten auch nutzen. Die Zahl der Internetnutzer ist in China höher als in den USA und der EU ZUSAMMEN.
China nutzt diese Infrastruktur und baut darauf technische Kompetenz auf. Ihre Logistik, Datenverarbeitung und Rechenleistung stellen die technischen Vorreiter in den USA in den Schatten (von Europa ganz zu schweigen).
Und China investiert heftig in Zukunftstechnologien. In jedem dieser 9 Felder sind sie unter den Top 3 vertreten, nur die USA zeigen sich noch stärker. Deutschland findet man hier nur in 3 Fällen – in Fintechs, Wearables und 3D Printing.
China investiert. China zögert nicht. Die Zukunft wird nicht von den Vorsichtigen gestaltet. In dieser Phase der Neuerung und Veränderung kann man schon sehen, wer in den nächsten 20 Jahren den Ton angeben wird.
Welchen Weg gehen wir?
Wir leben in historischen Zeiten. Mit fünf Innovationsplattformen auf einmal steht uns mega Potenzial bevor – und gleichzeitig eine Reihe schwieriger Fragen, die wir noch nicht mal richtig erahnen können. Neuerungen klopfen jeden Monat an. Niemand fragt uns, ob wir das wollen. Wir brauchen eine Haltung dazu.
Immer reinlehnen – das ist unser Vorschlag. Wir sehen, dass der Nutzen von Innovation in der Durchdringung steckt. Je mehr wir uns Neuerungen zu eigen machen und unser Handeln prägen lassen, desto besser lernen wir sie kennen. Dann können wir sie steuern und die Früchte davon ernten. Wenn wir zu vorsichtig oder langsam in der Einführung sind werden wir von anderen Nationen überholt – und das gefährdet Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven.