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Braucht ein Unternehmen Werte? Und wenn ja, wozu eigentlich?
Was bewegt ein syrisches Flüchtlingspaar in kürzester Zeit ein erfolgreiches Cateringunternehmen zu starten? Was bewegt einen New Yorker Clubpromoter eine Organisation zu starten, die Millionen Menschen Zugang zu Bildung, Würde und Wohlstand bringt, indem sie Zugang zu frischem Trinkwasser haben? Was gibt Menschen eine visionäre Kraft und die tägliche Weisheit, wie man große Ziele mit kleinen Schritte erreicht und Scheitern nicht als Versagen, sondern als Lernschritt sieht?
Was bewegt ein syrisches Flüchtlingspaar in kürzester Zeit ein erfolgreiches Cateringunternehmen zu starten? Was bewegt einen New Yorker Clubpromoter eine Organisation zu starten, die Millionen Menschen Zugang zu Bildung, Würde und Wohlstand bringt, indem sie Zugang zu frischem Trinkwasser haben? Was gibt Menschen eine visionäre Kraft und die tägliche Weisheit, wie man große Ziele mit kleinen Schritte erreicht und Scheitern nicht als Versagen, sondern als Lernschritt sieht? Und was befähigt sie mit schnell sich verändernden Umständen, Erwartungen und Marktveränderungen klarzukommen und sowohl analytisch wie intuitiv gute Entscheidungen zu treffen?
Fast jeder kennt heute Simon Sineks Ted Talk zum Warum eines jeden Unternehmens. Das Warum bestimmt den Erfolg einer jeden Organisation, die Motivation. Und die entspringt den Werten der Gründer und des Unternehmens.
Alles, was wir tun, ist mit der Sinnfrage verknüpft: Warum? Was ist der Sinn des Lebens? 42 ist die Antwort künstlicher Intelligenz im Hitchhiker’s Guide to the Galaxy. Für uns ist sie etwas komplexer. Wir fragen und beantworten diese Frage jeden Tag meist unbewusst, denn wir versuchen unserem Leben einen Sinn zu geben, indem wir eine Ethik haben, Werte, die unser Handeln bestimmen. Geldverdienen oder besser als anderen zu sein sind keine Werte, sondern Resultate. Großartige Dienstleistung oder Produkte ebenso.
Wir wissen inzwischen, dass es ein Fehler war Wissens- und Arbeitsbereiche zu trennen. Wirtschaft kann nicht ohne Philosophie und soziale Verantwortung, und andersherum ebenso. Unternehmen, ganz gleich, was sie tun, haben eine Botschaft, die immer ihre Werte mitvermittelt. Und mit diesen Werten steht und fällt jedes Unternehmen, in jeder Hinsicht, denn aus ihnen kommt jede Motivation. Die Frage ist also nicht: Braucht ein Unternehmen Werte? Sondern:
Versteht ein Unternehmen die eigene Werte klar zu formulieren, in gelebte Werte zu investieren und diese Werte als Herzstück jeder Motivation im Unternehmen zu sehen?
Früher hielten man in der Wirtschaft einen ganzheitlichen Ansatz oft für esoterisch und sozialromantisch. Heute weiß man, dass jedes Unternehmen ein komplexer Organismus ist, der klare und einfach Werte braucht, die auf jeder Entscheidungsebene sichtbar ernstgenommen und gelebt werden müssen.
Viele Unternehmen und Organisationen haben einen Pool von Werten, die sie vertreten wollen. Und jedes Unternehmen hat wie jede Familie oder Arbeitsgemeinschaft Schwierigkeiten, diese Werte auch jeden Tag gelebt zu sehen. Oft sind die Werte zu vage, um relevant zu sein, um alle Menschen in einem Unternehmen zu motivieren. Und noch häufiger fehlt es an der Ownership, der Einladung diese Werte auch mitbestimmen zu können, ganz gleich wie klar sie vorgegeben werden.
Um zwei weitere Fragen vom Anfang zu beantworten: Der New Yorker Clubpromoter Scott Harrison startete Charity Water, eine NG Organisation, die zehn Jahre nach ihrer Gründung einer Million Menschen Zugang zu frischem Trinkwasser verschafft, und bisher 300 Millionen Dollar Umsatz durch Spenden gemacht hat. Sein Warum: Mit dem Zugang zu Trinkwasser alle Lebensbereiche der Armen verbessern wie Familie, Bildung, Arbeit.
Und das Syrische Paar mit dem erfolgreichen Catering Unternehmen sind Mohammed Al Ghammian und Malakeh Jazmati aus unserem Sharehaus Refugio, die ein sehr klares Warum haben: Sie wollen die Schönheit und den Reichtum der Syrischen Kultur am Leben erhalten, was Ihnen auch durchs Essen gelingt: Die Syrische Küche ist so einfach und komplex wie die italienische und uns meist unbekannt.
Wie entscheidend das Warum und die Werte sind zeigt das Sharehaus Refugio, das wir 2015 in Berlin als soziales Unternehmen gegründet haben. Geflüchtete und Einheimische arbeiten unter einem Dach und werden zu einem Beispiel wie es auch anders geht zusammen in Deutschland. Das Experiment gelang so weit, dass eine Identität daraus entstand, und Menschen sich im Haus mit dem Sharehaus identifizieren. Nicht nur weil sie die Ideale und Werte gut finden, sondern weil die Ethik & Werte zusammen erarbeitet und gelebt wurden.
Die Werte waren durch uns Gründer und Leiter größtenteils vorgegeben, das gehört zur Vision. Jedes Unternehmen braucht diese bewusst kommunizierten Werte im Fundament. Und oft scheitert es dann an der Umsetzung. Von der Idee aufs Papier und dann ins Mitarbeiterteam, das ist immer harte Arbeit, die sich aber bezahlt macht. Werden Werte nicht umgesetzt überleben viele Unternehmen den Stresstest nicht, wenn er kommt, und er kommt immer dann, wenn es gerade nicht passt.
Wir als Menschen, Mitarbeiter und Unternehmer brauchen also nicht mehr Werte auf dem Papier, wir brauchen sie auch nicht genauer definiert wie Gerichtsurteile. Was wir brauchen sind tägliche Umsetzungen und Verhandlung dieser Werte. Der Schlüssel dazu ist die Ownership, die Partizipation, die keineswegs eine gesunde Hierarchie gefährdet, im Gegenteil.
Im Sharehaus Refugio starteten wir Workshops mit den Bewohnern und Mitarbeitern. Wir gaben Werte vor wie:
“Jeder Mensch ist begabt und gleich wichtig in der Gemeinschaft.
Jeder Mensch, gleich welchen Geschlechts, Religion oder Kultur ist wertvoll.
Ganz gleich welche Konflikte da sind, jeder grüßt freundlich. usw.
Ich bin verantwortlich für die Entscheidungen, die ich treffe & getroffen habe in meinem Leben”
Auf den ersten Blick sind das ganz grundsätzliche Werte und jeder kann mit ihnen einverstanden sein. Aber es ist wie mit unserer Demokratie. Fast alle sagen, dass unser Grundgesetz und unsere darin verankerten Werte gut und wichtig sind, aber wir merken selten, wie sehr wir diese Werte täglich verraten durch unsere Meinungen, Ängste und Entscheidungen, weil wir sie nicht geübt haben. Werte am Leben zu halten ist harte, wertvolle und am Ende gewinnbringende Arbeit. Und was für die sehr diverse Dynamik zwischen Geflüchteten und Einheimischen gilt, gilt umso mehr für die produktive Zusammenarbeit von Mitarbeitern.
Unsere Workshops im Sharehaus Refugio zeigten, dass wir uns fast immer einig waren, aber Werte komplexe Untertöne haben. Respekt, Freiheit, Gemeinschaft kann man leicht in einen Wertekodex fassen, aber in ihnen wohnt ein Reichtum an Erfahrung, der geteilt werden will. Eine Frau aus Somalia hat eine andere Erfahrung mit und eine andere Erwartung an Respekt als ein deutscher junger Mann, der Anerkennung sucht. Aber beide tragen dazu bei zu verstehen, auf welch positive Weise Respekt komplex ist.
In den Workshops durfte jeder persönliche Erfahrung und Sicht auf ein Thema teilen, die Runden wurden nur moderiert, keiner wurde unterrichtet. Am Ende gingen wir bereichert auseinander und wenn es z.B. zum Thema Respekt kam, fühlte sich jeder Teil dieses gelebten Wertes, weil seine oder ihre persönliche Sicht gehört wurde, und weil alle anderen wussten wie diese Person von ihnen Respekt erfährt. Wenn jetzt von Respekt gesprochen wurde bei Haustreffen, bei Konfliktlösungen und der Vision des Sharehauses, konnten alle etwas mit dem Begriff anfangen.
Wir gingen noch einen Schritt weiter. Unsere über Jahrhunderte hart erarbeiteten demokratischen Werte, sind nur so viel wert, wie wir sie tatsächlich leben. Jedem geflohenen Menschen, nein, allen, die ins Sharehaus kamen, ob als Bewohner oder als Gäste, sagten wir: “Dein Weg hierher war sicher schrecklich, aber wir sind froh, dass du hier bist, denn wir brauchen dich in Deutschland.”
Es änderte nichts daran, dass wir das Haus sehr hierarchisch führten mussten, also mit viel Klarheit, die ein Schutzort braucht, aber die Einladung, Gesellschaft mitzugestalten und nicht Gast zu sein, brachte bessere Ergebnisse. Die Menschen im Haus fühlten sich wohler und über 80% haben innerhalb von 18 Monaten Arbeit gefunden oder Ausbildung, haben Freunde außerhalb ihres Kulturkreises gemacht und Deutsch gelernt. Drei Grundvoraussetzungen für eine gelungene Integration.
Gesunde Unternehmenskultur besteht für uns heute aus flacheren Hierarchien, agilen Teamstrukturen und einem größeren Vertrauen in die Entscheidungen von Mitarbeitern. Und wir lernen dankbarerweise das Scheitern als wertvollen Schritt zu sehen, der schneller und gründlicher zu einer höheren Qualität der Ergebnisse führt. Aber gerade diese kluge Evolution der Unternehmenskultur braucht Hilfe bei dem kontinuierlichen Erhalten, Erneuern und Vertiefen von Werten, die das Unternehmen personell, sozial und wirtschaftlich gesund halten.
Unsere Entwicklung zu größerer Partizipation und flacheren Hierarchien eröffnet die Möglichkeit zu großem Wachstum, aber echte Ownership muss konsequent mit Hilfe von außen umgesetzt werden. Viele Unternehmen und vor allem Startups bahnen visionär einen Weg ins neue Arbeiten, bremsen sich aber innerlich aus, indem ihre Werte intern nicht konsequent und partizipatorisch verankert werden.
Wir bei Lumen setzen genau da an. Wir gehen an die Wurzel und kümmern uns darum, dass Unternehmen eine starke und gesunde Wertebasis haben, die auch umgesetzt und von allen geteilt wird. So wie die Digitalisierung ein wichtiger unternehmerischer Quantensprung ist, ist es die sinnstiftende Unternehmenskultur, die ein klares Warum braucht.
Sven Lager startete das Sharehaus in Berlin, schreibt für sein Leben gern und transformiert mit Lumen Organisationen.
Diese Vier gewinnen - der Digitale Mindset als Motor der Transformation
Als Personaler stehe ich öfter vor der Aufgabe, Menschen das Ende ihres Arbeitsplatzes zu vermitteln. Das ist nie schön und wenn ich das in meinem privaten Umfeld teile bekomme ich Gesichter zu sehen als hätte ich mein eigenes Bein amputieren müssen.
Wo wir heute stehen
Als Personaler stehe ich öfter vor der Aufgabe, Menschen das Ende ihres Arbeitsplatzes zu vermitteln. Das ist nie schön und wenn ich das in meinem privaten Umfeld teile bekomme ich Gesichter zu sehen als hätte ich mein eigenes Bein amputieren müssen. Vor einigen Jahren musste ich einer Dame kündigen, die 30 Jahre beim Unternehmen war. Mit Mitte 50 hat sie natürlich Angst, was die Zukunft für sie hält; ganz abgesehen von der Identifikation mit dem Unternehmen und den vielen Beziehungen zu Kollegen. Der Grund? Ihre Rolle hatte sich über die Jahre immer mehr verändert – und jetzt wurden nochmal Anforderungen draufgepackt. Der Graben wurde zu groß zwischen ihren Skills und der Arbeitsweise. Sie wurde zum Opfer der Digitalisierung.
In der Fachwelt läuft das unter dem Begriff „kreative Destruktion“ – so ein BWL-Darwinimus. Wer sich schneller und besser anpasst, gewinnt. Wer nicht, wird rausgedrängt. Unternehmen erleben das, wie zum Beispiel Nokia oder Commodore (war immerhin mal Trikot-Sponsor beim FC Bayern). Kürzlich stolperte ich über zwei Linien, die das treffend zum Ausdruck bringen. Die Teller-Kurve beschreibt, wo wir uns gerade befinden:
Der Mensch lernt. Und zwar immer wieder und immer mehr. Gleichzeitig gibt es einen technischen Fortschritt. Der war schon immer spürbar. Aber die letzten Jahre legt das Jahr um Jahr einen Zahn zu. Das exponentielle Wachstum bedeutet, dass Veränderungen durch Technologien schneller zunehmen als die menschlichen Fähigkeiten, damit umzugehen. Und da sind wir: die Kurve geht auseinander und lässt einen Graben zurück. Wird das so weitergehen?
Die Welt ändert sich zu 33%
Im Dezember 2017 veröffentlichte die Unternehmensberatung McKinsey eine Studie zur Auswirkung von Automatisierung auf Volkswirtschaften. In Jobs lost, Jobs gained fragten sie: „Wenn die Automatisierung kommt: wird es noch genügend Jobs geben? Und wenn ja, welche?“. Sie schauten ins Jahr 2030 in alle Industrien und alle Länder. Das Ergebnis? Es wird mehr Arbeit geben, weil Volkswirtschaften wachsen und Wohlstand zunimmt. Aber, fast alle Jobs werden sich ändern. Weltweit müssen ca. 300 Millionen Arbeiter einen anderen Job machen. In Deutschland sagen sie diese Schicksal 33% der Mitarbeiterschaft voraus – 10 Millionen Menschen.
Ein massiver Shift. Wenn man heute in die Bedenken der Firmenlenker schaut, treibt die kommende Digitalisierung vor allem an zwei Hürden die Sorgenfalten auf die Stirn: Kultur und Fähigkeiten. Klar, man muss mit der Digitalisierung Prozesse modernisieren, Strategien anpassen und Geschäftsmodelle verbessern. Aber um dort hin zu kommen braucht es Mitarbeiter. Und wenn man die an Bord hat, dann können die der Transformation hinderlich sein. Hier sind Studien von Microsoft, McKinsey und Capgemini aus den letzten beiden Jahren. Sie bestätigen die Sorge um Kultur und People.
Wenn man in die Transformationsansätze von großen Beratungen schaut, dann kommt da auch regelmäßig der Punkt „People“ als wichtiger Faktor. Menschen müssen mitziehen. Aber was genau ist damit gemeint? Meist wird es da ziemlich dünn. „Lernfähigkeit“ wird da mal zitiert oder auch „Veränderungsbereitschaft“. Das ist uns zu grob. Das braucht man eh immer. Was ist das besondere an der Digitalisierung? Und welche Anforderungen ergeben sich für eine Organisation?
Um das Drama noch zuzuspitzen: wir sind langsam in Deutschland. Die Studie Digitale Transformation 2018 fand, dass deutsche Unternehmer nur zu 21% optimistisch in dieser Veränderung sind. Capgemini fand in „Digital Culture Report 2017“, dass die Frage nach einer digitalen Kultur in Unternehmen noch kaum Zustimmung findet. Deutschland hinkt hier dem internationalen Durchschnitt hinterher. Und auf Mitarbeiterebene steht da ne dicke Null – kein Unternehmen ist bisher dort.
In diesem Schneckentempo kann das für uns schlecht enden. Wenn sich so viel ändert, das in so viele Bereich greift und Mitarbeiter das Herzstück sind - wie gehen wir damit um?
Die 4 Attitüden im digitalen Zeitalter
Wir würden gerne zwischen Skills und Mindset unterschieden. Fähigkeiten kann man lernen. Schulungen, Online-Kurse und Bücher sind da top. Mindset ist dagegen etwas subtiler. Die innere Haltung wird häufig vorausgesetzt, aber ist auch nicht immer vorhanden. Genau sie ist es aber, die sich an Herangehensweisen zeigt. Oder wie Jogi Löw mal sagte: „Entscheidend ist nicht die Aufstellung, sondern die Einstellung.“ In den letzten Jahren wurde es immer deutlicher, welche Auswirkung die Attitüde und Haltung hat (siehe Growth Mindset, oder Grit).
Wenn wir die digitale Welt anschauen, dann sind vier Haltungen gefordert, um hier zu den Gewinnern zu zählen. Diese sind:
1) Beobachter & Trendsucher
2) Connector & Netzwerk-Arbeiter
3) Neuland-Entdecker & Kundenfanatiker
4) Schaffer & Eigentümer
Wir führen im Einzelnen aus, was sich hinter jeder Haltung versteckt und warum sie so wichtig ist.
Beobachter & Trendsucher – die digitale Welt ist unbekanntes Land. Daher braucht es offene Augen, um die Entwicklungen zu verfolgen und Trends zu erkennen. Viele Inputs kommen unsortiert daher, und manche Themen stehen auch im Widerspruch. Ein Beobachter erkennt die Muster und zieht Bedeutung aus seinen Beobachtungen. Dazu gehört auch die Fähigkeit über das eigene Denken nachzudenken, sich Ziele in einer unklaren Welt zu sehen und eine Strategie zu entwickeln, um relevante Informationen zu finden. Der Psychologe Howard Gardner sagt: „Diese Haltung wird die begehrteste in der Zukunft sein – einfach weil es viel unsortierte Information gibt und wir Sinn daraus machen müssen. Wer das angeht, ist im Vorteil.“
Connector & Netzwerk-Arbeiter – als Frederick Taylor die Arbeit vor über 100 Jahren in kleine Stücke zerlegte und so optimierbar machte, war das eine Revolution. Diese Regeln gelten nicht mehr in der neuen Welt. Da gibt es oft kein Anfang und kein Ende eines Jobs. Die Grenzen sind fließend und viele Beteiligte sind nötig, um eine Aufgabe gut zu lösen. Wer nur in seinem Büro sitzt und nicht gestört werden will, verpasst den Zug. Heute muss man unterwegs sein, sein Netzwerk pflegen, über den Tellerrand schauen und mit anderen gut zusammenarbeiten. Man braucht Empathie für die Ziele und Beschränkungen von anderen Funktionen, und ein echtes Interesse am Zusammenspiel. Wie Strategieprofessor Clayton Christensen von Harvard sagt: „Gute Ideen kommen nicht von einer Person oder einer Funktion – sondern im Austausch von Menschen, die vorher noch nicht zusammengearbeitet haben.“
Neuland-Entdecker & Kundenfanatiker – die führenden Köpfe in der digitalen Welt sind Explorer. Sie glauben an die Kraft von Innovation und dass das Beste noch vor uns liegt. Sie suchen diese Ideen, sind risikobereit und setzen sich neuen Inputs aus, um voran zu kommen. Sie haben einen Growth-Mindset und lernen gerne. Aber das ist nicht nur Ideen-Ping-Pong, sondern sie suchen nach besseren Wegen, den Kunden zu dienen. Demnach haben sie ein Auge auf den Kunden und eins auf Wertschöpfung durch neue Ideen. Damit haben sie auch das Rückgrat für ihre Überzeugungen einzustehen, auch gegen den Widerstand von eingetretenen Wegen. Sie haben die Ambition, die Welt für den Kunden zu verbessern. Innovationsforscher Alex Pentland von MIT sagt: „Wachstum kommt vom Austausch von Ideen – wie Menschen zusammenarbeiten, um Dinge zu entdecken, zu wählen und umzusetzen; das ist viel mächtiger als der Austausch von Geld in den Märkten“.
Schaffer & Eigentümer – die Beweger in der digitalen Welt sind Entrepreneure. Sie schieben Verantwortungen nicht ab und geben sich mit „historischen Gründen“ für Fehlstellungen zufrieden. Sie hauen rein und identifizieren sich persönlich mit der Kundenagenda. Wenn es Probleme gibt, gehen sie es an, selbst wenn es Zeit und Nerven kostet. Sorry, Betriebsrat – aber Arbeitszeitgesetze sind in der digitalen Welt irrelevant. Der Mindset der Zukunft hat ein „whatever-it-takes“ eingebaut und jagt Möglichkeiten nach. In der Moderne haben viele einen psychologischen Vertrag mit ihren Unternehmen – ihr gebt mir Sicherheit und Finanzen für meinen Lebensentwurf; dafür spiele ich mit und bin loyal. In der digitalen Welt treibt der Purpose und die Leidenschaft an der Sache die Entscheidungen und das Arbeitsleben.
So sieht das aus
Nehmen wir diese Idee vom digitalen Mindset in die Praxis. Wir schauen uns zwei Unternehmen an – ein Software-Konzern und ein Landwirtschafts-Unternehmen. Man möchte ja meinen, dass die Karten da klar verteilt sind. Die einen sprechen Bits und Bytes, während die anderen gerne die gute alte Physik für sich beanspruchen. Aber die Lupe stellen wir auf Mindset und werden überrascht.
Der Software-Konzern arbeitet seit Jahren an Prozessen und Produkten. Die Programmierer haben sicherlich viele Skills und kennen die Schnelligkeit der Welt. Dennoch riefen sie uns kürzlich an, um Unterstützung in der Transformation zu bekommen. Was war die Herausforderung? Alles wandert Richtung Cloud und das bedeutet anderes arbeiten: schnellere Zyklen, direkteres Feedback, 24-7 Support, neue Programmiersprachen und mehr Verantwortung für den gesamten Lifecycle. In der Summe merkten wir schnell, dass es eine Frage des Mindsets war.
Bei der Landwirtschaft dachte man lange, dass Kraut und Rüben nichts direkt mit Big Data und AI zu tun haben. Bis man dann merkte, dass auch dort alles vernetzter werden würde. Die digitalen Skills sind in der Landwirtschaft überschaubar. Aber der Mindset – der ist da. Seit jeher sind Bauern mit einer unvorhersehbaren Welt vertraut, denken sich neue Lösungen aus und schaffen bis es fertig ist. Kein Wunder, dass John Deere ganz vorne mit dabei ist bei Digitalisierung und als Best-Case für die Transformation gilt. Mindset ist da, Skills kann man lernen.
#undjetzt?
Digitalisierung ist ein Brett. Was die Welt dieser Tage an Veränderung durch macht, wurde so noch nie gesehen. Und morgen ist das noch ein Ticken schneller. Das stellt fast alles in Frage, was wir uns erarbeitet haben. Ob Bäcker oder Bauunternehmen – alles müssen neue Antworten finden in einem Land, das noch nicht bekannt ist. Lenker von Unternehmen setzen auf Strategien, auf Prozess und Software – das Zeug, das sie kennen. Dabei wird aber alles überlagert vom Unsichtbaren: der menschlichen Attitüde und der unternehmerischen Kultur. Wir haben die vier Haltungen beschrieben, die den Unterschied machen. Wer diese meistert, kann jeder Herausforderung angehen. Immer mehr Chefs und Firmenlenker erkennen, dass sie eine neue Sprache lernen müssen – die Sprache von Mindset und Kultur. Wir sind auf dem Weg und bringen gerne ein paar Vokabeln bei.
Community: was braucht es - ein Experiment in Neukölln
Begann es in Berlin oder in Südafrika? In Berlin wohnten Elke und ich mit unseren Kindern in einer gigantischen Altbauwohnung mit Kachelöfen und träumten mit so viel Platz von einem Salon für Freunde und Künstler, von einem Salon als Ort des Teilens, Zusammenarbeitens und Inspirierens. Aber erst in Südafrika entstand Jahre später in der Nähe von Kapstadt das erste Sharehaus.
Begann es in Berlin oder in Südafrika? In Berlin wohnten Elke und ich mit unseren Kindern in einer gigantischen Altbauwohnung mit Kachelöfen und träumten mit so viel Platz von einem Salon für Freunde und Künstler, von einem Salon als Ort des Teilens, Zusammenarbeitens und Inspirierens. Aber erst in Südafrika entstand Jahre später in der Nähe von Kapstadt das erste Sharehaus. Wir sahen, dass die Apartheid 20 Jahre nach ihrem Ende die Menschen immer noch trennte und begannen mit einem Team aus Freiwilligen ein Haus zu renovieren. Es wurde vor allem ein Haus für junge Menschen, die sich nach einer neuen Art zu arbeiten, zu leben und zusammen zu sein sehnten.
Zurück in Berlin nach 10 Jahren Südafrika überlegten Elke und ich, wie ein Sharehaus hier aussehen könnte, in einer Stadt, die wir noch vor dem Mauerfall kannten und die zu kreativsten Metropole Europas wuchs.
Die Lösung großer Probleme liegt oft im Problem selbst. Nach einem Jahr eröffneten wir 2015 ein riesiges Sharehaus in Berlin Neukölln mit Geflüchteten. Die Geflüchteten waren angeblich ein Problem, aber wir wussten aus Erfahrung, dass genau hier das Potenzial lag. Was wenn die Menschen, die kamen, uns helfen könnten, uns als Gesellschaft zu erneuern?
Das Sharehaus Refugio wurde ein wunderbarer Erfolg. Um die 40 Geflüchtete und Einheimische wohnten auf 3 Etagen zusammen, auf insgesamt 5 Etagen arbeiteten Künstler zusammen, Partnerorganisationen, und im Eingang eröffneten wir ein großes Cafe und verwandelten den alten Kirchsaal in einen Veranstaltungs- und Konferenzsaal.
Es dauerte keinen Monat bevor wir von den Medien belagert wurden. Wir sagten viel zu und noch mehr ab, und immer wurde absolut respektvoll und positiv berichtet. Das Sharehaus Refugio wurde zum Modellhaus für echte Integration, also eine auf beiden Seiten. Einwanderer wie Einheimische hatten sich viel zu geben. Es war nicht immer rosig, es war manchmal schwer, immer harte Arbeit, aber die persönlichen Erfolge der Menschen im und ums Haus zeigten, dass die Umsetzung fruchtbar war.
Um nichts anderes geht es, dass es Menschen persönlich und in der Gesellschaft besser geht. Da war weniger wichtig aber wunderbar, dass die amerikanische Botschafterin der UN zu uns kam, die Ehefrau des japanischen Premierministers und sogar das schwedische Königspaar unser Haus einen ganzen Tag in einen Taubenschlag verwandelte mit ihrem Besuch.
Was ist eigentlich ein Sharehaus?
Ein Sharehaus ist ein Garten, in dem die einzigartigen Talente und Träume eines jeden Menschen aufblühen können, und es ist eine Gemeinschaft, in der alle gleich wichtig sind. Wir haben für das Sharehaus den Satz gefunden, der Vision und Arbeit gut zusammenbringt:
Es ist eine Werkstatt für himmlische Gesellschaft. Himmlisch heißt friedlich und gerecht, Werkstatt heißt, dass es harte Arbeit ist.
Ein Sharehaus kann ein Arbeitsteam sein, eine Genossenschaft, eine WG, es ist immer eine Gemeinschaft von Menschen an einem Ort, die bewusst und bereichernd teilen wollen und die klare gemeinsame Werte teilen und leben.
Ein Sharehaus ist immer der Ort einer realen, sichtbaren und nachhaltigen Umsetzung einer Idee und Vision.
Worauf baut ein Sharehaus?
Wertschätzung ist das Fundament eines jeden Sharehauses. Viele Gründer haben uns gefragt, wie man ein Sharehaus startet und am Laufen hält. Und wo auch immer neue Sharehauspartner arbeiten, achten wir darauf, dass die Motivation und die Werte von Anfang an stimmen, denn sie werden die Zukunft eines jeden Sharehauses bestimmen. Das Warum ist entscheidend und wird immer in der DNA dieses besonderen Sharehauses sein, ganz gleich wo es ist. Darum kann sich nur Sharehaus nennen, wer mit uns arbeitet. Das ist eine Art Qualitätssicherung.
Die Wertschätzung für die Geflüchteten, die uns Sharehaus kamen, sah so aus: Jeder der im Haus mitwohnte, wurde Gastgeber und mitverantwortlich. Und vor allem jedem Menschen, der nach Deutschland geflohen war, sagten wir: Es tut uns leid, dass ihr fliehen und so leiden musstet, wir heißen euch willkommen und sind dankbar, das ihr da seid, denn wir brauchen euch unsere Problem hier in unserem Land zu lösen. Eine ernstgemeinte Einladung zur Partizipation ist echte Wertschätzung.
Was braucht ein Sharehaus?
1. Ein Haus, ein richtiges Haus, denn in der Zeit der Digitalisierung sehnen sich mehr und mehr Menschen nach Orten der Zuflucht, Gemeinschaft und Erneuerung. Dieses Haus ist ein Zuhause, ein Schutzort und eine Heimat. Heutzutage setzen wir uns überall auf der Welt ein für soziale Gerechtigkeit, aber was es dafür braucht, sind Orte, an denen ein Mensch sich sicher fühlt. Wir wurden bei einer Konferenz gefragt, was wir tun würden, wären wir die Vereinten Nationen und hätten tatsächlich Macht der Umsetzung. Wir kamen darauf, dass wir als UN überall auf der Welt Häuser eröffnen würden, in denen Verfolgte sicher sind, weil die Häuser Territorium internationales Territorium der UN sind. Es braucht Orte statt nur Worte.
2. Ein Sharehaus braucht die Visionäre und die Vision. Es braucht immer die Visionäre und Menschen mit Leidenschaft. Ein Sharehaus kann man schlecht delegieren, es muss von den Menschen umgesetzt und gelebt werden, die davon träumen. Die müssen bereit sein, Jahre ihres Lebens in die Umsetzung zu investieren. Die Visionäre halten das Ziel hoch und haben das Herz für das Warum, während das Projekt vor Ort sich immer neu entfalten darf in gut geplanten, kleinen Schritten. Das heißt auch, dass Altes, das einst funktionierte, abgeschafft wird, um dem Platz zu machen, was sich erneuern will, solange alle die Vision im Herzen tragen auf dem Weg zu anderen, besseren Ergebnissen. Der Weg ist das Ziel.
3. Eine Gemeinschaft, die miteinander und mit den Nachbarn großzügig teilt. Haus und Gemeinschaft können ein Co-Working Space sein, ein Wohnhaus, ein Clubhaus im Djungel, es kann sogar ein Netzwerk sein von bestehenden Wohnungen, oder alles zusammen. Das Sharehaus Refugio war das dritte Sharehaus, das wir aufbauten und es ist ein gutes Beispiel. Es wurde 2015 für und mit der Berliner Stadtmission entwickelt und aufgebaut. In 33 Einzelzimmern eines ehemaligen Altersheims leben rund 40 Menschen, die ihre Heimat verloren haben oder verlassen mussten, oder die nach einem neuen Leben und neuen Gemeinschaften suchen. Die Zimmer sind privat wie in einer Studenten-WG. Auf insgesamt 5 Etagen, im Café, Veranstaltungssaal und in Arbeitsräumen und Büros kommen immer noch täglich rund 100 Menschen aufeinander, um zusammen zu arbeiten oder sich auszutauschen. Im Kern lebt das Haus von der Gemeinschaft, die im Haus wohnt, und wird belebt von der noch größeren Gemeinschaft der Menschen, die hier zusammenarbeiten und sich zugehörig fühlen.
4. Werte & Ethik. Das Herzstück eines jeden Sharehauses sind die Workshops, um Werte und Ethik gemeinsam zu leb[1] en, zu erarbeiten und zu verankern. Im Refugio waren das monatliche Workshops a 90 Minuten, in denen alle etwas Persönliches zu Werten erzählen konnten, die wir als Anregung vorgaben. Einmal monatlich trafen wir uns auch zum Geschichten erzählen. Persönliche Geschichten schaffen Nähe und Wertschätzung und verhindern viele Konflikte. Und einmal die Woche kochen und essen die Hausmitglieder miteinander und treffen sich zum Reden. Hier findet neben echten persönlichen Begegnungen die echte Gemeinschaftsarbeit statt, ohne die keine Gemeinschaft lebendig bleiben kann.
Das Sharehaus Refugio wurde von uns bewusst als modernes Kloster entwickelt nach der Vision von Dietrich Bonhoeffer, der im Widerstand gegen Hitler starb. Seine Vision war eine Version der gelebten Nächstenliebe hier und jetzt. Geübt wird sie auf Augenhöhe durch Werte & Ethik im Miteinander aller Menschen ganz gleich welcher Religion, Kultur oder Ausrichtung. Das ist gelebte Spiritualität, die nicht höher ist, sondern sehr praktisch und im Umgang miteinander. Ein Sharehaus ist also nicht ausgrenzend durch Religion, Kultur oder Bildung, sondern einschließlich, da jeder Mensch gut genug ist. Es gibt aber auch dann immer wieder Menschen, die ein Sharehaus verlassen müssen, weil sie diese Werte & Ethik nicht anerkennen wollen für sich und andere.
5. Gute Partner. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Gemeinschaftswohnen und Wirtschaftsbetriebe nicht unter eine Leitung gehören. Wir haben alles schnell und steil gestartet und auch erfolgreich umgesetzt, aber im Café und Saal konnten wir trotz des Erfolgs kaum schwarze Zahlen schreiben. Das lag auch daran, dass unser Fokus auf dem Gemeinschaftsleben liegt. Wir bleiben jetzt in Zukunft dem Prinzip treu, dass wir mit Partnern arbeiten, die eine Leidenschaft haben für ihren Bereich. Das funktionierte schon mit großartigen und erfahrenen Organisationen, die auf unsere Einladung mit ins Haus gezogen sind und das Haus mit Leben, Workshops und neuen Menschen füllen. Ein gutes Beispiel ist die Hoffnungsträger Stiftung, die fast 10 Gemeinschaftswohnhäuser umsetzen, und Paare diese Häuser leiten lassen, die dort auch wohnen und sich mit den Häusern identifizieren. Das Refugio hatte das mit uns als Sharehausgründern, aber nach der Übergabe an die Stadtmission gab es keine Leiter mehr, die im Haus mitleben, die Ethik & Werte Workshops wurden nicht fortgesetzt, die Einigkeit der Bewohner wurde schwächer.
6. Flache Hierarchien und vor allem Kompetenzhierarchien sind wichtig. Ein Sharehaus wird durch Werte und Vision zusammengehalten, durch die Einheit in Geist und Herzen der Gemeinschaft. Wer immer ein Sharehaus leitet, dient der Sache und darf die anderen nicht in ihrer Kreativität und Verantwortung ausgrenzen. Ein gutes Beispiel ist ein Kloster. Die Gemeinschaft lebt durch einen gemeinsamen Glauben und klare Regeln. Dieses Vorbild hat es allen Menschen im Sharehaus Refugio, ganz gleich welcher kulturellen Prägung, Religion oder sexuellen Ausrichtung erlaubt sich beschützt und wertgeschätzt zu fühlen, sicher und gefördert. Hier kommt wieder die Motivation zu Tage, die jedes Sharehaus klar nach Außen und Innen vertreten sollte.
7. Mission & Vision. Entscheidend ist die gelebte Mission nach Innen und Außen. Das Refugio schafft nach Innen Austausch auf Augenhöhe, Gleichberechtigung zwischen Geflüchteten und Einheimischen, ist eine starke Gemeinschaft und ein Ort der Erneuerung. Nach Außen ist es ein Lighthouse, ein Leuchtturm, denn es beweist, dass funktioniert, was viele nicht glaubten. Es ist die Blaupause für andere Häuser und Hoffnungshaus für Geflüchtete und engagierte Einheimische. Innen- und Außenwirkung gehören zusammen. Ein Sharehaus in Madrid kann ein Hostel sein mit einer starken Gemeinschaft von Mitarbeitern, die Gästen ein Zuhause geben und sich für einsame, ältere Menschen in der Umgebung engagieren und sich um sie kümmern. Es kann ein Co-Working Space mit Café in Amman, Jordanien, sein und gleichzeitig ein Ausbildungsort für arbeitslose junge Menschen. Innen und außen. Freunde in Athen schufen eine Art Sharehaus, das Ausbildung, Wohnen und echte Gemeinschaft für Geflüchtete bietet.
8. Echtes Teilen. Ressourcen sind immer ein Thema. Das Sharehaus begann in Südafrika, wo uns gerade Menschen, die wenig haben, zeigten, wie reich teilen macht. Der Fokus sollte immer darauf liegen, was schon da ist an Potenzial. Ein Warten auf das große Geld, oder die besonderen Menschen oder die richtigen Umstände ist lähmend. Die Lösung fürs Jetzt liegt genau vor einem. Nicht überdenken. Einfach Machen. Ein Sharehaus heißt: Arbeiten mit dem was da ist. Wie ein Garten, den man mit den wenigen Samen und der Handvoll Erde beginnt, die man hat. Richtig gepflegt wächst der Garten dann. So war es bei uns auch. Das Sharehaus Kreuzberg 2014 war ein Nachbarschaftsladen, der ein Jahr fruchtbar war, dann aufgegeben wurde, weil daraus 2015 das weit größere Sharehaus Refugio entstand. Man wird immer überrascht sein, welche Reichtümer sich im Vorhandenen verbergen. Wer richtig fragt, hinsieht und das Vorhandene wertschätzt, kann in die nächste Phase wachsen. Ein Sharehaus sollte also auf Dauer kein Ort sein, der Hilfe braucht, sondern der sich selbst finanzieren kann. Das muss von Anfang an geklärt sein. Das Refugio trägt sich durch Mieten, Café und Veranstaltungen aber brauchte auch Zuschuss. Das hätten wir anders planen sollen, aber hier erlebten wir z.B. den Nachteil einer großen Partnerschaft in der gemeinsamen Leitung. Das Projektmanagement konnte nicht agil genug sein und schnellere Entscheidungen treffen, die den nächsten Wachstumsschritten angemessen waren. Was am Anfang funktionierte, um das Projekt aus dem Hafen laufen zu lassen, wurde auf hoher See wiederholt, obwohl es nicht mehr funktionierte.
Wer kann ein Sharehaus starten?
Die Menschen, die davon träumen, denn der Traum wurde ihnen anvertraut. Die Visionäre haben eine wichtige Rolle und können scheinbar unbedeutend auf den ersten Blick sein, aber sie müssen in der jahrelangen Aufbauphase unterstützt und gefördert werden, weil sie die Kompetenzhierarchie einer alles einenden Vision haben und vor Ort mit reicher Erfahrung leben.
Wie kann man ein Sharehaus starten?
Es braucht ein Team mit einer Einheit in Vision und Werten, das heißt: Offene und regelmäßige Kommunikation, groß Denken, kleine Schritte planen, genau den anderen zuhören. Mit einem starken Team ist nichts unmöglich. Alles andere folgt, ob Neubau, Finanzierung, Umbauen, Verein, Unternehmen oder Genossenschaft gründen. Das Praktische folgt immer der Vision und der Einheit der Gründer.
Können Sharehäuser voneinander lernen?
Darauf sind sie angelegt. Schon bevor ein neues gestartet wird, wird wertvolle Erfahrung geteilt und damit Planung und Umsetzung vereinfacht.
Wer hilft?
Da jedes Sharehaus vor Ort ganz anders sein kann, beraten wir Visionäre im Detail, und finden ganz praktisch zusammen heraus, ob sie ein Sharehaus gründen können.
Noch mehr Fragen zu Community Building? bitteschön…
Fragt uns gerne: Sven Lager und Elke Naters
Warum können Großkonzerne nicht disruptiv sein?
Warum klappt das eigentlich nicht, dass ältere Organisationen innovativ sind? Man sieht das bei den Nokias und GEs dieser Welt. Viel Geschichte, viel Ressource, smarte Menschen – und doch immer wieder mehr vom Gleichen.
Man sieht das bei den Nokias und GEs dieser Welt. Viel Geschichte, viel Ressource, smarte Menschen – und doch immer wieder mehr vom Gleichen.
Ich sitze oft mit Dutzenden Leuten zusammen, die an dieser Frage in die Tischkante beißen. Man sieht eigentlich, was es zu tun gibt. Man hat die Frage im Raum und die Leute drängen darauf. Und doch geht nichts. Kürzlich bin ich beim Lesen von Jeff Bezos Biographie (the everything store) über seine Idee mit Lab 126 gestolpert.
VOM BUCHHÄNDLER ZUM E-BOOK ERFINDER
Der Bezos hat ja ein Buchladen ins Internet gepflanzt, und dabei gelernt, wie man Dinge elektronisch unters Volk bringt. Anfang belächelt bahnte sich ein Weg zum unaufhaltbaren Konzern. Von Büchern ging es dann über Spielzeug, Kleider, Lebensmittel zu Filmen und Musik. Irgendwann will er alles. Aber 2004 stieß er an eine Schwelle. Dinge übers Internet verticken ist die eine Sache, ein E-Book Reader das andere. Erinnern wir uns an 2004 – dort gab es Buchläden, die richtig eine Größe in der Landschaft waren. Barnes & Noble, Borders und andere. Und Amazon hatte denen den Kampf angesagt mit großer Auswahl und weniger Fahrtzeit zum Buch.
Was heute mit Tablet überall ist, war damals Science-Fiction. Und das Problem war, wie immer, der erfolgreiche Mutterkonzern. Amazon war optimiert auf Webseite, Logistik, Produktreviews. E-Books Reader war Hardware, Software, Datenkommunikation. Was anderes. Das geht meistens schief. Und Bezos (der Schnelldenker) wusste, dass das nicht unter einem Dach passieren kann. Weil das nie klappt.
Warum eigentlich? Clayton Christensen hat mir dafür Worte gegeben. Jede Organisation standardisiert sich irgendwann. Es gibt Prozesse, Policies, Werte und Belohnungssysteme. Die sind alle auf den Zweck der Organisation ausgelegt und sollten sich gegenseitig bestärken. Daraus wächst ne Kultur und wie man etwas in ner Organisation auf die Rille bekommt. Beispiel Bezos-Bücher? Billig sein, schnell sein, viel Auswahl haben, Cross-Selling. Ich nehme mal an, der Bücher-Bezos hat viel in die Webseite, Promotions und Logistik investiert, damit das Ding funzt.
Neue Organisationen brauchen Freiheit, ihre eigenen Prozesse etc zu entwickeln. Weil sie machen ja was anderes. Sie folgen einem anderen Zweck und brauchen andere Optimierungen. Gerade bei innovativen Umfeldern braucht das Zeit, das rauszufinden. Und deswegen ist das eine Dach für zwei Arten von Unternehmen schwierig. Was für Bücher gibt, mag nicht für e-Book-Reader gelten. Wer beim Bücherverkauf der Held ist, taugt bei den Readern vielleicht nichts. Christensen beschreibt das gut und ausführlich im HBR Artikel Meeting the Challenge of Disruptive Change.
DIE LÖSUNG - SPINNOFF
Seine Lösung? Für richtig neue Sachen, braucht es einen Spinoff. Eine neue Organisation, die frei ist, sich selbst zu definieren und einer eigenen Logik zu folgen. Das scheint ja auch die Realität zu sein – viel Innovation kommt nicht von den großen, sondern von neuen Playern, die einfach mal machen. Später werden die dann gekauft oder wachsen als neue große Organisationen.
Was ist eigentlich der Wert von ganz eigenen neuen Organisationen? Warum lässt man das nicht einfach laufen und kauft sich die Rosinen zusammen? Faire Frage, und viele machen das so. Unternehmen haben immer häufiger ein Venture Capital Arm, der neue Ideen findet und sich früh beteiligt. Die machen das also nicht selber, sondern gehen auf die Pirsch und lassen die anderen experimentieren.
Aber ein großes Unternehmen sieht natürlich viel – unter anderem haben sie viele Kunden und damit superviel Erfahrung. Dann haben sie blitzgescheite Leute und öfter mal auch viel Kohle und Infrastruktur. Und sie haben Appetit. Daher lohnt es sich schon für die Platzhirsche, sich mit neuen Trends selbst zu messen. Aber die Spin-Off Idee ist der Königsweg.
Und das hat Bezos gemacht. Lab 126 ist 1.350 Kilometer von Amazon Hauptquartier entfernt. Lab 126 hat einen eigenen Auftrag, eigene Führung, eigene Buchhaltung und eigene Ziele. Es trägt zwar den Amazon-Name, ist aber so eigenständig wie möglich. Drei Jahre nach dem Start von Lab 126 kam der Kindle e-Reader raus. Und der lief.
NEUES UNTER EIN NEUES DACH
Eine schöne Lektion und beeindruckende Geschichte. Hätte Bezos das in Seattle versucht, würden wir heute noch unsere Bücherregale jedes Jahr ausweiten (vielleicht). Auf jeden Fall war Bezos smart, das Neue unter ein neues Dach zu geben. Und vielleicht ist das auch der Weg für die Nokias und GEs dieser Welt. Der Pfad ist schmal zwischen Kontrolle und Freiheit. Bestehende Organisationen haben viel zu verlieren. Ihr Brand ist etabliert, ihre Prozesse optimiert. Aber es braucht neue Formen - keine alte Logik, der wir folgen müssen. Keine Reports und Prioritäten, die gestern gut funktioniert haben und heute nicht mehr so ganz passen. Und neue Räume mit hängenden Lichtern sind mehr Kosmetik als die neue Welle.
Nur mit mutigen Schritten wird man auch in Zukunft ganz vorne dabei sein. Wir haben keine Garantie, dass es funktioniert. Aber ohne Mut, wird sicher die Zukunft auf wackligeren Beinen stehen denn je.
Working out Loud & Mindset – was dahinter steckt
Viele sprechen von Working-out-Loud, Mindset, Collaboration und Transformation. Doch was steckt dahinter? Wir geben Ihnen einen Überblick zu #WOL, den Anwendungsgebieten und wie Sie es gewinnbringend für Ihre Strategie einsetzen und ihre Unternehmenskultur nachhaltig verändern können.
Wofür Working-out-Loud steht
Der Hashtag #WOL kursiert seit gut 1-2 Jahren auch in der deutschen Twitter-, Blog- und LinkedIn-Sphäre. Was ist dran an "Working out loud", worum geht es?
Schnell klären lässt sich: Trotz des Imperativs geht es bei WOL nicht darum, seine Arbeit laut schreiend zu verrichten. WOL möchte nicht extrovertierte Mitarbeiter noch weiter in den Vordergrund stellen – im Gegenteil, bei WOL geht es vor allem um Transparenz, Vernetzung und um die Förderung eines konstruktiven Mindsets (Growth Mindset: Carol Dweck). Entscheidend ist dabei das vernetzte Arbeiten über Hierarchiegrenzen hinaus. Ein hoher Anspruch also, der tief in die Unternehmenskultur eingreift.
Erstmals beschrieben von Bryce Williams wurde Working-out-Loud durch John Stepper´s Buch und seine TEDs international bekannt. WOL versteht sich als Bewegung und folgt fünf zentralen Prinzipien:
Beziehungen: Es geht um nachhaltige Beziehungen, in denen man sich hilft.
Großzügigkeit: Alle teilen Wissen, großzügig, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.
Sichtbare Arbeit: Transparenz und Wissensteilung ist ein Grundprinzip von WOL.
So entsteht ein konstruktiver, nutzbarer Beitrag für das Netzwerk.Zielgerichtetes Entdecken: Lernende Haltung und Fokus auf die eigenen Ziele mit Unterstützung des Netzwerks.
Wachstumsorientiertes Denken: Hier geht es um das Mindset. Ein Growth Mindset sieht die Möglichkeiten, ist lösungsorientiert, im Gegensatz zu einem geschlossenen (fixed) Mindset, dass auf Probleme fixiert ist und Chancen und Innovation behindern kann.
Zuletzt hatten Firmen wie Bosch in Blogs und Presseerklärungen über "Die Zukunft des Arbeitens" #WOL als Arbeitsparadigma und Mindset für vernetztes Arbeiten und die digitale Transformation bekannt gemacht.
WOL und Circles für Strategie und Transformation nutzen
John Stepper selbst erzählt, dass seine Ausgangsmotivation die Frage war: "Wie können Mitarbeiter im Unternehmen größeres Interesse an Collaboration-Tools bekommen?".
Ein zentrales Instrument von WOL sind die "Circles". Ursprünglich gedacht zur Entwicklung und Förderung von persönlichen Zielen, kann WOL auch mit unternehmerischen Interessen verbunden werden. Strategische Initiativen und Projekte, die Mitarbeiter verfolgen, lassen sich nach dem gleichen Prinzip fördern – vorausgesetzt die Mitarbeiter erhalten ein entsprechendes Zeitbudget, dass jedoch überschaubar ist, denn Circles funktionieren nach einfachen Prinzipien:
Kleine Gruppen von 3-5 Personen
12 Wochen lang regelmäßige Treffen einmal pro Woche für eine Stunde
Die Gruppen brauchen eine hohe Termindisziplin und kommunizieren über Collaboration-Tools auch zwischendurch (Slack u. a.).
Es gibt mittlerweile einen Leitfaden auf Deutsch – für eine ganzheitliche und strategiekonforme Integration sprechen Sie uns an.
Unsere Erfahrungen
Wir haben #WOL und vergleichbare, kommunikative und auf Vernetzung ausgelegte Formate erprobt und eingeführt. Die Ergebnisse waren:
Eine höhere Vernetzung
Eigene Produktideen
Neue Kommunikationsformate
Neue Werkzeuge und Prozesse für den Arbeitsalltag
Wir unterstützen Sie gerne mit der Konzeption, der Kommunikation und der Etablierung von ersten Workshops, WOL-Experten und den notwendigen Collaboration-Tools.
WeWork verändert die Welt
Kürzlich nahm mich der Sommermorgen auf dem Fahrrad durch Heidelberg und ich stolperte ins Werk der Heidelberger Druckmaschinen. Seit gefühlten 1.000 Jahren stehen diese Gemäuer für Planung und Produktion von Printpressen aus unsrer Stadt. Das Areal riecht nach old-school Industrie – Kacheln, braun-grüne Farbtöne und vollständige Abwesenheit von Charme. Und mittendran: ein paar Laptop-Arbeiter auf dem Gehweg auf Bionade-Kisten. What??
Kürzlich nahm mich der Sommermorgen auf dem Fahrrad durch Heidelberg und ich stolperte ins Werk der Heidelberger Druckmaschinen. Seit gefühlten 1.000 Jahren stehen diese Gemäuer für Planung und Produktion von Printpressen aus unsrer Stadt. Das Areal riecht nach old-school Industrie – Kacheln, braun-grüne Farbtöne und vollständige Abwesenheit von Charme. Und mittendran: ein paar Laptop-Arbeiter auf dem Gehweg auf Bionade-Kisten. What? Beim genaueren Hinschauen stellt sich raus: ein Co-Working Space im Wärterhäuschen. Zur Zwischenmiete ist das Projekt, aber immerhin. Muss man mal feststellen, dass diese Szene von Laptop im Kaffee-Arbeitern fast an jeder Ecke hochpoppt. Was hat es damit auf sich?
Die Triebfeder hinter dem Trend
Das Wärterhäuschen verkörpert einen weltweiten Trend, der seit 10 Jahren in die Höhe schnellt. Co-Working und New-Work Formen bahnen sich unaufhaltbar den Weg. Die größte Hausnummer ist hier die amerikanische Firma WeWork, deren Marktwert auf 20+ Milliarden USD beziffert wird. Das ist so groß wie E.ON. Und das mit dem Mieten, aufhübschen und Vermieten von Räumen in Städten.
In Coworking-Orten finden sich Startups und Freelancer. Leute, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und die Welt verbessern wollen. Wenn man durch die Open Spaces bei WeWork läuft herrscht Aufbruchsstimmung und unbändige Energie. Hier wird gelernt, experimentiert, angepasst und skaliert. Hier sind die Menschen, die machen. Vor 10 Jahren gab es noch 160 Co-Working Space, heute sind es ca. 15.000.
Schon länger wird von einem Fachkräftemangel gesprochen. Programmierer sind rar. MINT Jobs jetzt schon heiß begehrt. Das wird die nächsten Jahre deutlich ansteigen. Mitarbeiter haben heute eine Wahl – und entscheiden sich oft eher für ein Umfeld von Kollaboration und sinnvollen Projekten, statt die Silos und Segmentierung von großen Unternehmen. Die Coworker stimmen für eine andere Kultur ab – und wer nicht das nächste Nokia sein will sollte gut hinschauen.
Der Aufstieg von WeWork
WeWork geht auf den US-Israeli Adam Neumann zurück. Er fuhr sein erstes Startup (Babyklamotten mit Knieschützern) an die Wand und stolperte eines Tage in Brooklyn in ein leeres Lager. 2008 war eine spezielle Zeit, aber Neumann zog es durch und dachte: Menschen brauchen andere um sich herum, um die kleine Hilfe zu bekommen, die einen großen Unterschied macht. Das Projekt war erfolgreich und schnell waren die Schreibtische vergeben.
2010 nannte er es WeWork und träumte von einem globalen Netz von Arbeitsplätzen. Sie starteten in New York, dann Chicago und sind jetzt in 156 Locations in der ganzen Welt. Über 120.000 Mitglieder zahlen jeden Monat einen Beitrag und der Wachstum ist auf 41% pro Jahr für die nächsten 5 Jahre gezählt. Da wächst was.
Wenn man sich fragt, warum Menschen Geld für einen mobilen Arbeitsplatz ausgeben, dann stehen vor allem 4 Gründe im Vordergrund:
1) Professioneller als die Couch. Die Alternative für Freelancer sind die Couch zuhause oder ein Cafe um die Ecke. Zum Arbeiten OK, aber wenn dann ein Kunde kommt ist es doch etwas basic. Daher bieten WeWork die Lockerheit von zuhause mit Ambiente einer ansehnlichen Umgebung. Das hilft.
2) Billiger als sonstwo. Wenn Freelancer ihr eigenes Büro einrichten müssen sie WLAN einrichten, Drucker anschauen, Patronen kaufen, aufräumen, Steuern zahlen etc. In der Summe ist das teurer und zeitintensiver. WeWork ist Plug-und-Play. Gutes Umfeld ohne viel Anlaufkosten.
3) Business Kontakte und Hilfe. Andere Freelander bei WeWork haben ähnliche Probleme – Vertrieb aufbauen, USP pitchen, Partnerschaften managen etc. Da ist ein reger Austausch und viele Startups profiteren, ob von direkten Leads oder einfach einer Kollegenberatung. Die Lernrate in Co-Working Space ist astronomisch; weil es viel Wissen und offene Leute gibt.
4) Inspiration und Ambiente. Die Community ist zentral für WeWork. Dort wird auf Weltveränderung gebaut, auf Mut, auf Macher-Attitüde und unbremsbaren Optimismus. Das steckt an. Deshalb gibt es auch in jedem Space zahlreiche Events und Plattformen, um miteinander zu lernen. Man ist am Puls der neuen Welt bei WeWork, und das hilft bei der eigenen reise.
Jetzt sind aber nicht nur Freelancer bei WeWork. Viele Firmen wollen auch ein Stück vom Kuchen. Was suchen Firmen, wenn sie dort kollaborieren?
1) Flexible Ausgaben. Büros sind teuer, vor allem in Großstädten. Mit WeWork lässt sich eben mal ein Büro in New York (oder Hamburg) aufmachen ohne langfristige Mietverträge. Man sagt, das Büros in Spitzenzeiten zu 42% ausgelastet sind – daher ist eine flexible Nutzung immer ein Kostenvorteil, selbst wenn der qm scheinbar mehr kostet.
2) Ideentausch. Zappos hat Teile seiner Zentrale in einen Co-Working Space verlegt. Sie wollten mit anderen Firmen Austausch haben und Ideenfluss fördern. Resultat: 60% mehr Verbesserungsvorschläge und mehr Mitarbeiter-initiierte Projekte.
3) Lessons von Startups. Unternehmen stecken häufig in starren Korsetten. Fehler werden verdammt und Silos regieren. Startups können sich das nicht leisten. Corporates können von den Methoden und Mindsets der neuen Welt lernen.
4) Die richtigen Leute. Die kreativen Köpfe und initiativen Macher sitzen in den Startups. Wer gute Leute haben will, steht direkt in Konkurrenz mit WeWork. Durch das Ambieten und Förderung der flexiblen Arbeit erhoffen sich Unternehmen besseren Zugang zu Top-Talenten.
Also haben beides Seiten großen Gewinn vom gemeinsamen Arbeiten. Wie sieht das aber in der Praxis aus?
So sieht das aus: Startplatz in Köln
Gehen wir nach Köln. Dort ist seit 2017 der Startplatz am Start. Auf zwei Ebenen in einem Büro-Komplex sind knallfarbene Räume und viele junge Macher. Im Foyer sitzen Menschen an Tischen, trinken Kaffee und besprechen ihre Sales-Pipeline. An den Wänden hängen die Poster für die Veranstaltungen der kommenden Wochen – Vorträge über erfolgreiche Gründer und Geschichten über das Scheitern. Die IHK kommt und bringt Mittelständler, die sich die Szene vor Ort anschauen wollen.
Mana empfängt uns und leitet uns durch die Räume. Er ist seit 6 Monaten mit am Start und für Community-Development zuständig. Er redet wie ein Wasserfall und erzählt von dieser Firma und jener – nur um uns dann Leute vorzustellen. Sofort bekommen wir einen Pitch, wie das Produkt die Probleme der Menschheit löst. Am nächsten Schreibtisch wird ein Kundenworkshop konzipiert und die Wände sind voller bunter Post-Its. Design-Thinking in Action.
Der Startplatz wächst und expandiert. Die Szene boomt und einige größere Firmen wollen sich auch mit einmieten. Man ist hier etwas billiger als WeWork und die Community ist lokaler. Es scheint niemand groß zu stören und man freut sich an der Stimmung wie an einem College. Hippes Essen rahmt die Empfangsregale und es wird an jeder Ecke darauf geachtet, dass Leute miteinander connecten und sich austausch.
Wie WeWork die Welt ändert
Wir sehen einmal alle Hundert Jahre eine Welle, die alles ändert. Die Dieselmotoren änderten Europa, die Toyotaprinzipien die Fertigung und die Telekommunikation machte die Welt flach. Und jetzt ist es WeWork, das für eine kulturelle Transformation steht und in rasenden Schritten über die Welt bricht. Der soziale Kontrakt zwischen Arbeitgeber- und nehmer ist gekündet – Sicherheit für Loyalität wird von beiden Seiten nicht mehr großgeschrieben. Arbeiter sehen sich selbst als Marktteilnehmer, entwickeln ihr Portfolio und holen sich ihre Kunden. Noch nicht alle, aber immer mehr. Und vor allem die Leute, die Unternehmen gerne hätte.
Wenn wir WeWork und Konsorten anschauen, dann sind dort die Menschen mit Ideenreichtum, mit Grit, mit Agilität und mit eine Dauerlernhaltung – alle die Skills, die die Zukunft dominieren werden. Diese Menschen haben sich entschieden, eine Kultur der Kollaboration und von kurzen Wegen zu wählen. Sie wollen Sinn und Impact. Und das ist für Manager in Großkonzern fast nicht zu sehen – sie sind zu alt und wer sich 20 Jahre die Corporate Leiter hocharbeitet kann den Drang der Coworker nicht ganz nachempfinden. Das ändert aber nichts daran, dass die Welle da ist. Und sie wird ansteigen. Wer nicht der nächste Hufschmied sein will, oder das nächste Nokia vorm Abgrund retten will sollte besser mal mit Laptop ein paar Tage auf ner Bionade-Kiste verbringen und dann die Kulturweichen stellen.
Die Netflix-Kultur: Film oder Fakt? // Essay
“Es mag das wichtigste Dokument jemals aus Silicon Valley sein,” so Facebook COO Sheryl Sandberg. Oha! Wenn das mal keine Ansage ist! Um den Claim noch erstaunlicher zu machen: Sandberg spricht von einer 124-seitigen PowerPoint. Und von einem HR Dokument. Sie meint damit Netflixs Personalstrategie, die 2009 für Furore sorgte und seitdem Viele inspirierte. Jetzt sind fast 10 Jahre um – und wir haben uns gefragt: wie läuft’s denn so, Netflix?
“Es mag das wichtigste Dokument jemals aus Silicon Valley sein,” so Facebook COO Sheryl Sandberg. Oha! Wenn das mal keine Ansage ist! Um den Claim noch erstaunlicher zu machen: Sandberg spricht von einer 124-seitigen PowerPoint. Und von einem HR Dokument. Sie meint damit Netflixs Personalstrategie, die 2009 für Furore sorgte und seitdem Viele inspirierte. Der Titel des Dokuments lautet „Reference Guide on our Freedom & Responsibility Culture“ und enthält ein paar steile Ambitionen für modernes HR. Daher die Welle – weil HR oft nicht für steil oder modern bekannt ist. Jetzt sind fast 10 Jahre um – und wir haben uns gefragt: wie läuft’s denn so, Netflix?
Freedom & Responsibilty wurde von Patty McCord (Head HR, Netflix) in Zusammenarbeit mit ihrem CEO Reed Hastings entwickelt, um ihre Personalphilosophie zu beschreiben. Das ist eine gute Idee – eine Grundüberzeugung wie das mit Personal und Kultur zu laufen hat. In unsrer Analyse haben einige Unternehmen (wie Pixar, Google, GE, Apple oder eben Netflix) den Mumm gehabt, ihre Kultur mit einer klaren und konträren Denke auszurichten. Wir haben das in Case Studies aufgearbeitet und diese Kulturen unterscheiden sich inhaltlich, sind aber jeweils in sich durchgängig und klar. Die HR-Philosophie von Netflix startet mit einer simplen Frage:
Welche Kultur brauchen wir als Netflix, um über mehrere Generationen Erfolg zu haben?
Als Antworten folgen 7 Aspekte und jeweils einige Ausführungen. Manches davon ist erstaunlich austauschbar („wir brauchen Passion“) und anderes ist erstaunlich („harte Arbeit ist nicht so wichtig, Effektivität ist“ oder „Prozess vertreibt gute Leute“). Das Dokument kann man hier sehen und ein Harvard Business Review Artikel beschreibt die Ideen. Wenn Leute das Dokument im Hinterkopf haben, dann kommen häufig zwei Sprüche, die wir näher unter die Lupe nehmen:
1) Behandle Mitarbeiter wie Erwachsene
2) Lass Mitarbeiter ihren eigenen Urlaub festlegen
Um mit der Analyse zu starten beginnen wir mit dem Brain hinter dem Dokument – Patty. Mr. McCord tummelte sich die ersten Jahre durch verschiedene HR-Rollen im Silicon Valley (Seagate, Sun, Borland) bis sie dann 1998 als „Chief Talent Officer“ zu Netflix stieß. Damals war der Streaming-Gigant noch mehr Idee als Organisation und Pattys Rolle bestand darin, die Kultur zu formen. Wie sie später sagte, sprach CEO Reed Hastings sie an: „Lass uns die Firma aufbauen, von der wir immer geträumt haben. Eine Firma, bei der wir immer noch gern arbeiten, wenn sie erfolgreich geworden ist.“ Und Patty war sold.
10 Jahre später kam dann das berühmte Dokument. Es ist eine Mischung aus gesundem Menschenverstand, Silicon-Valley-Mut und pragmatischer Attitüde. Daher auch die Wirkung: „Weil es sehr logisch und wahr ist.“ (Business Punk Interview) Zur vollständigen Story gehört sicher auch, dass Patty drei Jahre nach dem Dokument den Absprung von Netflix machte und heute als Autor und Consultant ihre Ansichten verbreitet. Gab es Stress? Hat es nicht funktioniert? Da forscht man vergeblich. Aber es passt zu Patty (und wohl ihrer Philosophie): es ist dumm, Mitarbeiter ewig halten zu wollen. Da ist er wieder: der Common Sense und Mut.
Behandle Mitarbeiter wie Erwachsene.
Im Netflix Dokument schimmert die einfache Maxime durch, die man seither immer wieder in HR-Diskussionen hört: „Mitarbeiter wie Erwachsene behandeln“. Das ist nett und trägt den passenden Klang für unsere Zeit und Lage. Wie sieht das in der Realität aus?
Wir Geübte im Umgang mit Erwachsenen müssen feststellen, dass Erwachsensein keine digitale Option ist. Menschen sind unterschiedlich erwachsen, auch über 18 Jahren alt. Schau in Management Meetings. McCord spricht sicher von Respekt und Verantwortungsbewusstsein. Beim Blick auf HR-Fragen stößt man hier leider schneller an Grenzen als einem lieb ist. Beispiel Gehälter.
Wir waren kürzlich mit einem Shooting Star der Startup Szene in Deutschland im Gespräch. Dort läuft das Produkt und sie können gar nicht schnell genug Mitarbeiter finden. Bisher gibt es keine Regeln zur Gehaltsfindung außer gesunder Menschenverstand. Und kaum sind sie über 500 Personen kommt ein Drama nach dem nächsten. Mitarbeiter reden miteinander – und des einen Common Sense ist nicht gleich des anderen Common Sense. Diskretion führt zu Gehaltsgefälle ohne Erklärung – und das führt zu Frust und Diskussionen.
Dann werden Anpassungen gemacht - das ganze Jahr durch. Nächstes Thema. Man trainiert die Organisation auf permanente Gehaltsverhandlungen. Um dieses Chaos in Bahnen zu lenken sind wir schnell beim Prozess und den Regeln – wann wird mit welchem Maßstab Gehalt angepasst. Zack, Regel. McCord hat Recht, dass Wachstum Regeln braucht und das schnell aus dem Ruder laufen kann. Und dann wird es inflexible und die guten Leute springen ab. Aber Regeln schaffen Gleichheit, was der ganzen Organisation guttut. Es ist eine feine Balance zwischen Regeln und zu vielen Regeln.
Erwachsenen-Mentalität reicht nicht. Nimm Home Office. Vor 2 Jahren machte die Runde, wie Yahoo seine Mitarbeiter wieder zurück ins Cubicle pfiff, weil das Arbeiten zuhause zu viele unerfreuliche Nebenwirkungen hatte. Wir kennen das: schreiende Kinder im Hintergrund auf dem Spielplatz, Echos in der Stimme von welchem Örtchen auch immer, oder das „Webcam geht gerade nicht“ Thema. Erwachsene: ja. Aber soo weit trägt die Idee auch nicht.
Warum dann die große Resonanz? Weil die Idee sinnig und direkt ist. Der unterschwellige Ton in zu vielen Unternehmen ist zu hierarchisch. Viele Personalprozeduren sind komplex und wenig nachvollziehbar. Und Leute heute kommen nicht mehr zur Ausbildung, um in der gleichen Firma in die Rente zu gehen. Sie können wechseln und tun das immer häufiger. Da brauchen Organisationen ein Update ihres Menschenbilds und müssen Mitarbeiter mehr wie Freiwillige oder Freelancer behandeln. Und in der Zeit der Wissensarbeit kennen Mitarbeiter die Jobs häufig besser als Vorgesetzte oder Senior Manager. Die Förderung von Verantwortung und Eigeninitiative braucht da entsprechende Personalprozesse und Kultur, da hat Netflix recht.
Der unbegrenzte Urlaub
Die größte virale Wirkung hatte wohl ein Beispiel im Netflix-Deck. Dort wird beschrieben, wie Netflix das Urlaubskontingent abschaffte und jeder selbst entscheiden konnte, wann und wie lange er in Urlaub geht. „Wenn wir Arbeitszeiten nicht aufschreiben,“ so die Logik im Dokument, „warum schreiben wir dann den Urlaub auf?“. Fairer Punkt – aber wie viel steckt da eigentlich als Benefit?
Zunächst muss man betonen, dass Urlaub in den USA anders vergeben wird als hierzulande. Wir sind per Gesetz dazu befugt, 24 Tage zu nehmen. Die meisten Unternehmen machen 30 Tage – und die Fälle, die das nicht machen bekommen immer mehr Stress damit, wie wir im Recruiting bei Firmen erlebt haben. In den USA ist da nichts per Gesetz geregelt – und öfter mal startet da jemand mit keinem einzigen Urlaubstag in den Job. Urlaub wird gerne als Retention-Instrument genommen (5 Tage nach 1 Jahr, 10 Tage nach 3 Jahren, etc etc, 30 Tage nach 25 Jahren). Im Schnitt nehmen Amerikaner 12 Tage Urlaub, 42% nehmen im Jahr gar keinen Urlaub.
Da das all-you-can-vacate Buffet zu eröffnen ist also mal ne Ansage. Daher auch die virale Wirkung in den sozialen Medien. Aber das ist mehr Marketing als Realität. Hoch motivierte Mitarbeiter werden kaum die 4-6 Wochen Urlaub nehmen, die ihnen zustehen. Viele Unternehmen haben das Problem von ungenutztem Urlaub und lösen es durch Verfallsfristen zum 31. März des nächsten Jahres. Daher die Welle an Eltern mit ihren Kindern auf dem Spielplatz in den letzten zwei Märzwochen.
Seit einigen Jahren ist Vertrauensarbeitszeit zunehmend usus. Kein Stundenzettel und freie Wahl der Arztbesuche. Die Realität hier ist, dass es sehr zu Gunsten der Unternehmen geht. Wer unterschreitet schon seine 40 Stunden permanent? Welches ambitionierte Unternehmen hat nicht zig Fälle mit Work-Life Balance Workshops, in denen das Life vor der Work gerettet werden muss?
Bei Netflix: welcher Arbeiter würde sich schon 70 Tage Urlaub nehmen, einfach weil er es kann? Und wie lange würde Netflix das mitmachen? So was geht dann auch nur, wenn der Kündigungsschutz entsprechend locker ist. Hierzulande würde man mit so einer Policy ziemlich zu kämpfen haben, Missstände wieder zu korrigieren. Aber selbst in den USA hat diese Urlaubsregel mehr mit Marketing zu tun als mit praktischen Benefits für die Mitarbeitenden. Kommt jemand wirklich zu Netflix, weil man theoretisch endlos in den Urlaub kann?
Aber auch hier zeigt sich die Netflix-HR Logik stimmig. Sie ist mutig, hinterfragt und schafft ab, was nichts taugt. Und deshalb hat sie zurecht solch große Aufmerksamkeit bekommen. Eine Ansage zur Kultur zieht schon Mitarbeiter an, selbst wenn es mehr Schein als Substanz ist. Generell sollten Unternehmen sich im HR mehr selbst herausfordern und klarere Stellung zur Einfachheit beziehen. Da geht sicher noch einiges.
Film oder Fiktion
Der Netflix Fall verdeutlicht uns, dass sich unsere Welt ändert. In der Wissensarbeit brauchen wir neue Modelle, die nicht aus dem Taylorismus der Fabriken kommen und über der Klassenkampfmentalität stehen. New Work braucht neue Regeln. Personal hat noch einiges an Potenzial in sich, das Spiel vorne mitzuspielen. Immer mehr Unternehmen merken, dass Mindset und Kultur Geheimwaffen sein können. Peter Drucker wird der Satz zugeschrieben: „Kultur verspeist Strategie zum Frühstück“. Und Recht hat er. Wer Personalphilosophie als zu abgehoben abtut und New Work als Spielerei aussortiert, bleibt in der Zeit stehen. Wer einen klaren Mindset für seine Organisation entwickelt und seine Kultur schärft wird vorne dabei sein. Das kann man auf Netflix sehen…
Marlin Watling war 15 Jahre im Personalmanagement, ist aktuell Partner bei Lumen und schaut gerne Serien auf Netflix, egal ob Fakt oder Fiktion. Er berät gerne Organisation zu Mindset-Themen.
Wie ein Corporate Mindset zu besseren HR Entscheidungen führt
Jeden Tag prägen HR Entscheidungen das Geschäft und stellen Weichen für die Zukunft. Es sind die Personalentscheidungen, die große Aufmerksamkeit bekommen – man redet über die neuen Einstellungen, über Beförderungen, über Reorganisationen und Abgänge wie Trennungen. Das Geschäft dreht sich um Leute. Als Führungskräfte müssen wir uns fragen: wen wählen wir aus? Wem geben wir mehr Verantwortung? Und wer erfüllt die Erwartungen nicht?
Jeden Tag prägen HR Entscheidungen das Geschäft und stellen Weichen für die Zukunft. Es sind die Personalentscheidungen, die große Aufmerksamkeit bekommen – man redet über die neuen Einstellungen, über Beförderungen, über Reorganisationen und Abgänge wie Trennungen. Das Geschäft dreht sich um Leute. Als Führungskräfte müssen wir uns fragen: wen wählen wir aus? Wem geben wir mehr Verantwortung? Und wer erfüllt die Erwartungen nicht?
Die Grundlage für Entscheidungen
Wenn wir ehrlich mit uns sind, dann sind die Grundlagen für viele dieser Entscheidungen sehr subjektiv. In Vorstellungsgesprächen läuft ohne Vorbereitung und Leitfaden vieles ohne Vergleichbarkeit ab – und damit sind objektive Kriterien schwer zu berücksichtigen. Aber selbst wenn wir einen Leitfaden und Kriterien zur Hand haben stellt sich die Frage: stellen wir die richtigen Fragen? Entscheiden wir auf einer guten Basis, die nachhaltig die richtigen Leute an die richtige Stelle bringt?
Wir fragen nach Fähigkeiten und Erfahrungen, und erahnen die richtige „Einstellung“ – aber wie vergleichen wir das?
Wir brauchen Transparenz
Als Verantwortungsträger in solchen Entscheidungen müssen Sie einen Weg beschreiben, den andere mit Ihnen beschreiben können. Fragen und Zweifel an Entscheidungen kommen wenn die Grundlagen für die Entscheidungen nicht klar sind. Transparenz hilft einer Organisation, Entscheidungen nachzuvollziehen und mit an Bord zu sein. Das braucht es vor allem in diesen Entscheidungen mit viel Aufmerksamkeit – HR Entscheidungen.
Wenn also Transparenz so wichtig ist – wie kommunizieren wir die Kriterien bei Werten und Einstellungen?
Entwickeln Sie den Corporate Mindset
Eine Beschreibung von Ihren Erwartungen und gemeinsamer Ausrichtung wird Ihnen helfen, ihre Entscheidungen zu schärfen und diese zu kommunizieren. Kommunikation ist dabei immer tricky. Es wird Diskussionen geben. Man wird die Richtung in Frage stellen und Konstanz in Entscheidungen nach Fehlern durchsuchen. Und genau diese Diskussionen bieten eine große Chance für Transparenz. Wenn Sie den Ball ins Rollen bringen und in diese Gespräch investieren, werden Sie eine solide Grundlage entwickeln, was Sie von Ihrer Organisation und den einzelnen Mitarbeitern erwarten. Das schafft Identität und Überzeugung.
Mit einigen Methoden werden Sie in der Lage sein, den Prozess aktiv zu gestalten und die Organisation mit einzubeziehen. Das zeigt der Organisation Ihre Wertschätzung und nutzt eins der am meisten unterschätzten Mittel im Werkzeugkasten von Führung: das Zuhören. Das kommuniziert: sie kümmern sich um die Belegschaft.
Den Standard setzen
Wenn der Corporate Mindset entwickelt und benannt ist, können Sie Ihre Personalentscheidung stringenter kommunizieren – sie haben eine solide Basis für das Warum und das Wie. Mit einer Visualisierung Ihres Corporate Mindsets kommunizieren Sie nachhaltig und die Werte und Einstellungen bleiben dem Unternehmen präsent. Die HR Organisation ist ein kritischer Teil im Rollout des Mindsets. In dieser entscheidenden Phase werden Mitarbeiter das erste Mal ausführlich und systematisch mit dem Mindset konfrontiert und positionieren sich. Wenn Personalentscheidungen dann mit dem Mindset begründet werden – seien es Einstellungen, Promotionen oder Trennungen – dann lernt die Organisation schnell, wie die Weichen bei Ihnen gestellt sind. Außerdem haben Ihre Führungskräfte ein starkes Tool an der Hand, um Führung auszuüben.
Wir wissen alle: Fähigkeiten kann man lernen, ein Mindset entwickelt sich im Laufe der Zeit mit Erfahrung und vielen kleinen Entscheidungen. Deshalb entwickelt ein Corporate Mindset eine solche Wirkungsgewalt – er setzt den Ton und richtet eine Organisation aus.
Klaus Motoki Tonn wirbelt seit 15 Jahren in kreativen Zentren und internationalen Großkonzernen. Er trifft gerne objektive Personalentscheidungen und ist aktuell Partner bei Lumen. Motoki entwickelt gerne mit Organisationen deren Mindset und Kultur.
Der Irrtum aller digitalen Imperative: Totgesagte leben länger // Essay
Alles digital? Noch lange nicht. Tot gesagte leben länger. Während alle glauben, dass Kodak Film tot ist, erlebt die Chemie eine Renaissance und der Markt der 35mm Filme wächst weltweit jährlich um über 5%. #filmisnotdead
Fast jedes Buch über Veränderung, Change, Agile, Transformation nimmt Kodak als Beispiel für den Fall eines Giganten, der die Zeichen der Zeit zu spät erkannt hat. Natürlich verkauft Kodak heute nicht mehr so viele Kleinbildfilme wie früher, aber viele übersehen die Renaissance von Filmfotografie. Glauben Sie nicht? Schauen Sie einmal nach, allein bei Instagram finden sich weit über 25 Millionen Einträge rund um #filmisnotdead. Kodak, Ilford und Fuji haben wieder klassische Kleinbildfilme neu aufgelegt, die Umsätze steigen mit 5% jährlich und Polaroid Kameras sind noch immer nicht tot. Was nur wenige wissen: Etliche Blockbuster werden heute noch auf Film gedreht.
Der einzigartige look
Aber es gibt doch längst digital – und alles dreht sich darum, die Transformation hinzubekommen? Schauen wir einmal auf die analogen 35mm und 70mm Filme der letzten Zeit: Dunkirk, Interstallar, Mission Impossible – Fallout, Star Wars, Baby Driver, Justice League, Bourne, Walking Dead ... und noch viele weitere.
Warum? Weil es immer noch einen Look gibt, den die Chemie des Films einzigartig wiedergibt.
Film hat einen ganz anderen künstlerischen Prozess zur Folge – auch Wim Wenders fotografiert heute noch analog, wenn es um das Festhalten einzigartiger Momente geht:
Analog oder digital im unternehmen?
Für die Frage der digitalen Transformation gilt das Gleiche: Welche Bereiche lassen sich optimieren, wenn wir Geschwindigkeit, Leichtigkeit und Agilität benötigen? Wo ist das Analoge unverzichtbar, wo benötigen wir analoge Dialoge, Prozesse und Wertschöpfung, um nicht einen Wesenskern und eine Einzigartigkeit zu verlieren?
Unternehmenskultur: Gute und schlechte Nachrichten
Im Gespräch mit Dag Tjernsmo, CEO des norwegischen Geschäfts der Handelsbanken Norwegen, sagte er über Veränderung und Kultur: “Die gute Nachricht zur Unternehmenskultur ist, dass sie extrem profitabel sein kann. Die schlechte Nachricht ist aber auch, dass es viel Zeit braucht, um sie zu gestalten. Dies bedeutet geduldig und zugleich konsequent dran zu bleiben, wenn wir Kulturveränderung sehen wollen. Er empfiehlt darüber hinaus:
Im Gespräch mit Dag Tjernsmo, CEO des norwegischen Geschäfts der Handelsbanken Norwegen, sagte er über Veränderung und Kultur:
“Die gute Nachricht zur Unternehmenskultur ist, dass sie extrem profitabel sein kann. Die schlechte Nachricht ist aber auch, dass es viel Zeit braucht, um sie zu gestalten.
Dies bedeutet geduldig und zugleich konsequent dran zu bleiben, wenn wir Kulturveränderung sehen wollen. Er empfiehlt darüber hinaus:
Langen Atem beweisen. Auch wenn wir immer wieder nach schnellen Lösungen streben und durch unsere Stakeholder herausgefordert werden, kurzzeitige Ergebnisse vorzulegen — wir gewinnen das Spiel “in the long tail”.
Führungskräfte zu Kultur-BotschafterInnen ernennen. Ein entscheidender Punkt ist die Etablierung eines kritischen Kernteams. Wir würden ergänzen: Nicht nur aus der klassischen Ebene der Führungskräfte, sondern insbesondere auch stark vernetzte Mitarbeiter, fachliche Führungspersönlichkeiten (“Wizards” und “Gurus” in der Organisation), Influencer, Early-Adaptors und wichtige Stabsstellen und Funktionen (Functional Leads, Referenten, HR, Communications, u. a.) aus dem Unternehmen.
Omnipräsente und fortwährende Kommunikation. Die Kultur muss ins Fleisch und Blut übergehen und reflexartig abrufbar werden (“knee-jerk reaction”). Sie muss also ins Unterbewusstsein. Systemtheoretisch wissen wir: Da hilft kein Imperativ, aber wir können Impulse setzen, gemeinsame Vorstellungen durch ein Corporate Mindset adressieren oder besser gesagt, in den Diskurs bringen.
Kommunikations- und Kulturminister sein. Dag sagt bewusst:
“Maybe the communications department should take over responsibility for building the culture — because it is at the heart of building the brand.”
Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. “Wenn es in HR angesiedelt ist, droht die Gefahr, dass es rein operationalisiert gedacht und nicht über klassische Personalprozesse hinaus umgesetzt wird. Dies entspricht unseren Erfahrungen: Die zentrale Aufhängung im Bereich Communications und deren vernetzte Aufstellung in die Organisation sowie die Mandatierung und Integration durch das Leadership ist erfolgskritisch für die Kommunikation und Umsetzung von Kultur- und Veränderungsprojekten.
Klaus Motoki Tonn wirbelt seit 15 Jahren in kreativen Zentren und internationalen Großkonzernen. Er sieht sich als Kulturbotschafter und ist aktuell Partner bei Lumen. Motoki begleitet gerne Organisationen in Fragen von Kommunikation und Mindset.