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Am Tisch mit den Meistern: Warum Change scheitert
Warum scheitern über 70% der Change Projekte? Zu Tisch mit den drei Meistern Schein (Change), Kotter (Culture) und Drucker (Strategy), ein Blogbeitrag, angereicht mit Lumen Experience.
Edgar Schein veröffentlichte 1996 “Leading Change”, für viele das grundlegende Werk zum Change Management. Schein (in der Mitte neben John Kotter und Peter Drucker sitzend) fand in seinen Studien heraus, dass zwei von drei Change Projekten scheitern. Wenn IT noch dazu kommen würde, sah “Secrets of Software Success” allenfalls noch eine Quote von 10-20% an gelingenden IT- und Digitalisierungsprojekten.
In mehr als 70% der Fälle hat das Scheitern kulturelle Gründe (so würde Kotter, links sitzend, bereits seit 1992 argumentieren) – und ist damit eine Frage des Mindsets.
Aus unserer Sicht hat sich das Change Business nicht gravierend verändernd, es hat andere Labels und Buttons bekommen: Disruption, Digital Transformation, Transform your Business, ...) Was sind die Hauptgründe, warum Veränderungsprojekte heute noch scheitern?
Aiken & Keller identifizierten vor 9 Jahren schon 9 Gründe, die wir heute noch in unseren Projekten immer wieder finden und die wir hier mit eigenen Erfahrungen (in kursiv) angereichert haben:
Was einen selbst motiviert, motiviert nicht unbedingt andere: Dies wird gerne in der Kommunikation durch Leitungsebenen vergessen.
Wir raten: Visuelle Kommunikation, Strategie sichtbar machen – niemand liest 30 Steiten Power-Point und kann langen Charts folgen – zudem wirken sie nicht motivational.Es werden Vorgaben gemacht, anstatt die Mitarbeiter zu beteiligen.
Beteiligung ist heute ein Schlüssel in einer Welt, die Transparenz fordert und durch die Mediatisierung eine ständige Informationsversorgung gewohnt ist.Zu starker Fokus auf die Defizite oder auf der anderen Seite zu starker Fokus auf die Möglichkeiten fokussiert: Es bedarf jedoch immer beider Aspekte, um die jeweiligen Risiken auszugleichen. Eine ausgewogene Kommunikationsstrategie ist entscheidend.
Führungskräfte sind sich häufig nicht bewusst, dass sie die Veränderung noch nicht (ausreichend) vorleben. Das Mindset ist keine Forderung, sondern bedarf der Sichtbarkeit durch sogenannte kulturelle Botschafter.
Es besteht häufig ein Irrtum darüber, dass ein paar wenige einflussreiche Führungskräfte die Veränderung vorantreiben können: vielmehr bedarf es einer kritischen Masse. Dies folgt dem Change Modell von Schein, daher bedarf es der Involvierung durch Workshops und die Nutzung von dialogischen Kommunikationsmitteln (Corporate Social Intranet, Foren etc.).
Geld wird als Haupttreiber für Motivation gesehen: Heute liegen die Motivationan aber umso mehr in qualitativen Gründen. Die Frage “was habe ich davon” muss klar beantwortet und kommuniziert werden können, für alle Mitarbeiterebenen.
Es herrscht der Glaube, dass es nur um ein faires Endergebnis nach der Veränderung geht: Allerdings wird ein fairer Prozess für alle Beteiligten als ebenso entscheidend für die Mitarbeiter gesehen. Das Vorhaben muss ganzheitlich für alle Bereiche und Ebenen durchdacht sein.
Beim Aufbau von Fähigkeit wird lediglich auf Verhaltensweisen gezieIt: Einstellungen, also das Mindset der Einzelnen, Gedanken, Gefühle und Glaubenssätze, müssen genauso adressiert werden, da sie das Verhaltensteuern. Kultur frisst Strategie zum Frühstück.
Die Intention wird als ausreichend angesehen: Bei der Umsetzung in die tägliche Arbeit sind allerdings Hilfestellungen notwendig. Daher integrieren wir regelmäßig diskursive und kreative Formate, geplant über einen längeren Zeitraum, um die Partizipation zu Gewährleistung und in Workshops die Gründe für den Change tiefergehend zu bearbeiten. Hierdurch ergeben sich nutzbare Rückmeldungen an die Change Agents und das Leadership.
Mindset – Unternehmenskultur verändern
Nach dem Vortrag auf dem Kommunikationskongress 2017 über “Mindset und Kulturveränderungen durch interne Kommunikation” haben uns einige angefragt, ob dieser auch schriftlich zu erhalten sein. Hier eine kurze Zusammenfassung zum Thema, das uns die letzten Jahre beschäftigt hat.
Nach dem Vortrag auf dem Kommunikationskongress 2017 über “Mindset und Kulturveränderungen durch interne Kommunikation” haben uns einige angefragt, ob dieser auch schriftlich zu erhalten sein. Hier eine kurze Zusammenfassung zum Thema, das uns die letzten Jahre beschäftigt hat:
Kulturveränderung im laufenden Betrieb
Wir haben uns nicht mit der Frage beschäftigt, wie Kulturveränderung möglich ist, wenn der Karren schon tief feststeckt, sondern fanden es noch spannender, die Frage zu klären: Warum Kulturveränderung, wenn alles scheinbar bestens läuft?
Meliha Berber und ich haben gemeinsam über den Roche Diagnostics Case gesprochen – und sowohl die Pharma- als auch die Diagnostics Sparte von Roche nehmen beide eine klar marktführende Stellung ein — weltweit. Warum also ein Mindset erarbeiten und eine Kulturveränderung anstoßen?
Gesundes Stakeholder Management
Ausgangspunkt war eine Stakeholder- und Mitarbeiterumfrage, die klarmachte: Roche Diagnostics liefert eine hohe Qualität, ist robust und gut in den Prozessen, aber auch eher hochpreisig, starr und wenig mobil und noch weniger innovativ. Ein Warnsignal für das Leadership-Team: Bei den anstehenden strategischen Herausforderungen in Bezug auf Globalisierung, Diversity, IT Anforderungen, Digitalisierung und den ständig wachsenden Kostendruck und die weltweit steigenden Compliance Anforderungen, sind wir mit diesem #mindset nicht gut aufgestellt.
Kulturmanagement first
Eine der wesentlichen drei Säulen des St. Galler Management Modells ist neben Strategie und Struktur auch die Kultur. Das St. Galler Management Modell hat mittlerweile auch gut 2–3 Dekaden auf dem Buckel, doch immerhin wurde hier — im Gegensatz zur klassischen Ökonomielehre — schon integriert und mit einem hohen Verständnis für die Bedeutung der Unternehmenskultur gedacht. Umso mehr war es ein großer Vorteil, dass das Management — im Übrigen mit einem hohen Female-leadership Anteil — hier ebenfalls integriert Strategie umsetzen wollte.
Also: Unternehmenskultur nach vorne, um nicht darauf zu warten, dass Kultur die Strategie zum Frühstück frisst.
Ansätze für eine Kulturveränderung
Aus der Stakeholderumfrage und vielen Werksbesichtigungen, Interviews und Befragungen leiteten wir nun mit einer Arbeitsgruppe drei wesentliche Handlungsfelder ab. Die Leute sollten mobilisiert werden, raus aus den (durchaus Sicherheit gebenden) Silos, Verantwortung übernehmen und mit Leidenschaft in die Projekte und Arbeit gehen. Das klingt alles noch nach klassischen Kampagnenbegriffen, aber diese Handlungsebenen wurden tiefergehend subsumiert und mit Tools für Leitungskräfte und Teams zur Reflexion ausgestattet. Das Mindset wurde — im Gegensatz zu vielen strategischen Initiativen bis zu diesem Zeitpunkt — vor allem visuell ausgestaltet und eine Roll-out Matrix sorgte dafür, dass jedes Leadership Team sich über zwei Standorte mit den Bereichen zum Austausch treffen würde. So konnte es losgehen.
Tools und Dranbleiben
Auf die Haltung kam es an: Der Roll-out hinterfragte selbst das Mindset; würde es gelingen, machen alle mit — wird es gelebt. Hier hat Meliha Berber Insights aus dem internen Prozess geteilt, dies war sicher auch eine Ermutigung für viele anwesende, interne Kommunikatoren. Es folgen nächste Evaluationen. Definitiv konnten wir schon – vergleichbar mit anderen Projekten, die wir durchgeführt haben — feststellen: Die Rezeption der Mindset Kommunikation ist um ein Vielfaches höher, als bei anderen strategischen Initiativen, die über kein ausgefeiltes Kommunikationskonzept verfügten.
Was hat es gebracht?
Natürlich muss die Frage beantwortet werden: Hat es denn was gebracht?
Ob die Unternehmenskultur aktiv beeinflusst werden kann, ist auch in der Wissenschaft nicht unumstritten. “Dicke Bretter bohrt ihr da”, sagte uns ein Lehrstuhl für Unternehmenspsychologie, als wir die Methodik für eine Evaluierung vorstellten. Und “Ja” sagen Meliha Berber, das Management und die Mitarbeiter. Das Mindset sei spürbar in den Sprachgebrauch und in die Unternehmensgrammatik übergegangen — ob im Alltag, in der Produktion oder im Büro. Meliha Berber zeigte auch jüngste Eindrücke, die das bildhaft vermittelten, so etwa auf dem ersten großen, standortübergreifenden Firmenfest inklusive eigens ausgerichteter, international besuchter Hausmesse. Auch die darauf folgenden strategischen Initiativen, wie die Positionierung und das Branding-Projekt, hätten noch einmal massiv in die Unternehmenskultur und Identität eingezahlt. Das sei zu sehen und zu spüren – und wird in Kürze mit einer neuen Stakeholderumfrage gezielt evaluiert.
Verbleibt nur mit dem Papst für Unternehmenskultur zu sagen: Entweder man hat eine (weitestgehend) gemeinsame Vorstellung von der Unternehmenskultur – oder man hat keine. Wie adressieren Sie in Strategieprozessen die Unternehmenskultur? Ein Austausch wäre spannend!
Klaus Motoki Tonn wirbelt seit 15 Jahren in kreativen Zentren und internationalen Großkonzernen. Er liest gerne über Kultur während er frühstückt und ist aktuell Partner bei Lumen. Motoki begleitet gerne Organisationen in Fragen von Kommunikation und Kultur.