Diese Vier gewinnen - der Digitale Mindset als Motor der Transformation
Wo wir heute stehen
Als Personaler stehe ich öfter vor der Aufgabe, Menschen das Ende ihres Arbeitsplatzes zu vermitteln. Das ist nie schön und wenn ich das in meinem privaten Umfeld teile bekomme ich Gesichter zu sehen als hätte ich mein eigenes Bein amputieren müssen. Vor einigen Jahren musste ich einer Dame kündigen, die 30 Jahre beim Unternehmen war. Mit Mitte 50 hat sie natürlich Angst, was die Zukunft für sie hält; ganz abgesehen von der Identifikation mit dem Unternehmen und den vielen Beziehungen zu Kollegen. Der Grund? Ihre Rolle hatte sich über die Jahre immer mehr verändert – und jetzt wurden nochmal Anforderungen draufgepackt. Der Graben wurde zu groß zwischen ihren Skills und der Arbeitsweise. Sie wurde zum Opfer der Digitalisierung.
In der Fachwelt läuft das unter dem Begriff „kreative Destruktion“ – so ein BWL-Darwinimus. Wer sich schneller und besser anpasst, gewinnt. Wer nicht, wird rausgedrängt. Unternehmen erleben das, wie zum Beispiel Nokia oder Commodore (war immerhin mal Trikot-Sponsor beim FC Bayern). Kürzlich stolperte ich über zwei Linien, die das treffend zum Ausdruck bringen. Die Teller-Kurve beschreibt, wo wir uns gerade befinden:
Der Mensch lernt. Und zwar immer wieder und immer mehr. Gleichzeitig gibt es einen technischen Fortschritt. Der war schon immer spürbar. Aber die letzten Jahre legt das Jahr um Jahr einen Zahn zu. Das exponentielle Wachstum bedeutet, dass Veränderungen durch Technologien schneller zunehmen als die menschlichen Fähigkeiten, damit umzugehen. Und da sind wir: die Kurve geht auseinander und lässt einen Graben zurück. Wird das so weitergehen?
Die Welt ändert sich zu 33%
Im Dezember 2017 veröffentlichte die Unternehmensberatung McKinsey eine Studie zur Auswirkung von Automatisierung auf Volkswirtschaften. In Jobs lost, Jobs gained fragten sie: „Wenn die Automatisierung kommt: wird es noch genügend Jobs geben? Und wenn ja, welche?“. Sie schauten ins Jahr 2030 in alle Industrien und alle Länder. Das Ergebnis? Es wird mehr Arbeit geben, weil Volkswirtschaften wachsen und Wohlstand zunimmt. Aber, fast alle Jobs werden sich ändern. Weltweit müssen ca. 300 Millionen Arbeiter einen anderen Job machen. In Deutschland sagen sie diese Schicksal 33% der Mitarbeiterschaft voraus – 10 Millionen Menschen.
Ein massiver Shift. Wenn man heute in die Bedenken der Firmenlenker schaut, treibt die kommende Digitalisierung vor allem an zwei Hürden die Sorgenfalten auf die Stirn: Kultur und Fähigkeiten. Klar, man muss mit der Digitalisierung Prozesse modernisieren, Strategien anpassen und Geschäftsmodelle verbessern. Aber um dort hin zu kommen braucht es Mitarbeiter. Und wenn man die an Bord hat, dann können die der Transformation hinderlich sein. Hier sind Studien von Microsoft, McKinsey und Capgemini aus den letzten beiden Jahren. Sie bestätigen die Sorge um Kultur und People.
Wenn man in die Transformationsansätze von großen Beratungen schaut, dann kommt da auch regelmäßig der Punkt „People“ als wichtiger Faktor. Menschen müssen mitziehen. Aber was genau ist damit gemeint? Meist wird es da ziemlich dünn. „Lernfähigkeit“ wird da mal zitiert oder auch „Veränderungsbereitschaft“. Das ist uns zu grob. Das braucht man eh immer. Was ist das besondere an der Digitalisierung? Und welche Anforderungen ergeben sich für eine Organisation?
Um das Drama noch zuzuspitzen: wir sind langsam in Deutschland. Die Studie Digitale Transformation 2018 fand, dass deutsche Unternehmer nur zu 21% optimistisch in dieser Veränderung sind. Capgemini fand in „Digital Culture Report 2017“, dass die Frage nach einer digitalen Kultur in Unternehmen noch kaum Zustimmung findet. Deutschland hinkt hier dem internationalen Durchschnitt hinterher. Und auf Mitarbeiterebene steht da ne dicke Null – kein Unternehmen ist bisher dort.
In diesem Schneckentempo kann das für uns schlecht enden. Wenn sich so viel ändert, das in so viele Bereich greift und Mitarbeiter das Herzstück sind - wie gehen wir damit um?
Die 4 Attitüden im digitalen Zeitalter
Wir würden gerne zwischen Skills und Mindset unterschieden. Fähigkeiten kann man lernen. Schulungen, Online-Kurse und Bücher sind da top. Mindset ist dagegen etwas subtiler. Die innere Haltung wird häufig vorausgesetzt, aber ist auch nicht immer vorhanden. Genau sie ist es aber, die sich an Herangehensweisen zeigt. Oder wie Jogi Löw mal sagte: „Entscheidend ist nicht die Aufstellung, sondern die Einstellung.“ In den letzten Jahren wurde es immer deutlicher, welche Auswirkung die Attitüde und Haltung hat (siehe Growth Mindset, oder Grit).
Wenn wir die digitale Welt anschauen, dann sind vier Haltungen gefordert, um hier zu den Gewinnern zu zählen. Diese sind:
1) Beobachter & Trendsucher
2) Connector & Netzwerk-Arbeiter
3) Neuland-Entdecker & Kundenfanatiker
4) Schaffer & Eigentümer
Wir führen im Einzelnen aus, was sich hinter jeder Haltung versteckt und warum sie so wichtig ist.
Beobachter & Trendsucher – die digitale Welt ist unbekanntes Land. Daher braucht es offene Augen, um die Entwicklungen zu verfolgen und Trends zu erkennen. Viele Inputs kommen unsortiert daher, und manche Themen stehen auch im Widerspruch. Ein Beobachter erkennt die Muster und zieht Bedeutung aus seinen Beobachtungen. Dazu gehört auch die Fähigkeit über das eigene Denken nachzudenken, sich Ziele in einer unklaren Welt zu sehen und eine Strategie zu entwickeln, um relevante Informationen zu finden. Der Psychologe Howard Gardner sagt: „Diese Haltung wird die begehrteste in der Zukunft sein – einfach weil es viel unsortierte Information gibt und wir Sinn daraus machen müssen. Wer das angeht, ist im Vorteil.“
Connector & Netzwerk-Arbeiter – als Frederick Taylor die Arbeit vor über 100 Jahren in kleine Stücke zerlegte und so optimierbar machte, war das eine Revolution. Diese Regeln gelten nicht mehr in der neuen Welt. Da gibt es oft kein Anfang und kein Ende eines Jobs. Die Grenzen sind fließend und viele Beteiligte sind nötig, um eine Aufgabe gut zu lösen. Wer nur in seinem Büro sitzt und nicht gestört werden will, verpasst den Zug. Heute muss man unterwegs sein, sein Netzwerk pflegen, über den Tellerrand schauen und mit anderen gut zusammenarbeiten. Man braucht Empathie für die Ziele und Beschränkungen von anderen Funktionen, und ein echtes Interesse am Zusammenspiel. Wie Strategieprofessor Clayton Christensen von Harvard sagt: „Gute Ideen kommen nicht von einer Person oder einer Funktion – sondern im Austausch von Menschen, die vorher noch nicht zusammengearbeitet haben.“
Neuland-Entdecker & Kundenfanatiker – die führenden Köpfe in der digitalen Welt sind Explorer. Sie glauben an die Kraft von Innovation und dass das Beste noch vor uns liegt. Sie suchen diese Ideen, sind risikobereit und setzen sich neuen Inputs aus, um voran zu kommen. Sie haben einen Growth-Mindset und lernen gerne. Aber das ist nicht nur Ideen-Ping-Pong, sondern sie suchen nach besseren Wegen, den Kunden zu dienen. Demnach haben sie ein Auge auf den Kunden und eins auf Wertschöpfung durch neue Ideen. Damit haben sie auch das Rückgrat für ihre Überzeugungen einzustehen, auch gegen den Widerstand von eingetretenen Wegen. Sie haben die Ambition, die Welt für den Kunden zu verbessern. Innovationsforscher Alex Pentland von MIT sagt: „Wachstum kommt vom Austausch von Ideen – wie Menschen zusammenarbeiten, um Dinge zu entdecken, zu wählen und umzusetzen; das ist viel mächtiger als der Austausch von Geld in den Märkten“.
Schaffer & Eigentümer – die Beweger in der digitalen Welt sind Entrepreneure. Sie schieben Verantwortungen nicht ab und geben sich mit „historischen Gründen“ für Fehlstellungen zufrieden. Sie hauen rein und identifizieren sich persönlich mit der Kundenagenda. Wenn es Probleme gibt, gehen sie es an, selbst wenn es Zeit und Nerven kostet. Sorry, Betriebsrat – aber Arbeitszeitgesetze sind in der digitalen Welt irrelevant. Der Mindset der Zukunft hat ein „whatever-it-takes“ eingebaut und jagt Möglichkeiten nach. In der Moderne haben viele einen psychologischen Vertrag mit ihren Unternehmen – ihr gebt mir Sicherheit und Finanzen für meinen Lebensentwurf; dafür spiele ich mit und bin loyal. In der digitalen Welt treibt der Purpose und die Leidenschaft an der Sache die Entscheidungen und das Arbeitsleben.
So sieht das aus
Nehmen wir diese Idee vom digitalen Mindset in die Praxis. Wir schauen uns zwei Unternehmen an – ein Software-Konzern und ein Landwirtschafts-Unternehmen. Man möchte ja meinen, dass die Karten da klar verteilt sind. Die einen sprechen Bits und Bytes, während die anderen gerne die gute alte Physik für sich beanspruchen. Aber die Lupe stellen wir auf Mindset und werden überrascht.
Der Software-Konzern arbeitet seit Jahren an Prozessen und Produkten. Die Programmierer haben sicherlich viele Skills und kennen die Schnelligkeit der Welt. Dennoch riefen sie uns kürzlich an, um Unterstützung in der Transformation zu bekommen. Was war die Herausforderung? Alles wandert Richtung Cloud und das bedeutet anderes arbeiten: schnellere Zyklen, direkteres Feedback, 24-7 Support, neue Programmiersprachen und mehr Verantwortung für den gesamten Lifecycle. In der Summe merkten wir schnell, dass es eine Frage des Mindsets war.
Bei der Landwirtschaft dachte man lange, dass Kraut und Rüben nichts direkt mit Big Data und AI zu tun haben. Bis man dann merkte, dass auch dort alles vernetzter werden würde. Die digitalen Skills sind in der Landwirtschaft überschaubar. Aber der Mindset – der ist da. Seit jeher sind Bauern mit einer unvorhersehbaren Welt vertraut, denken sich neue Lösungen aus und schaffen bis es fertig ist. Kein Wunder, dass John Deere ganz vorne mit dabei ist bei Digitalisierung und als Best-Case für die Transformation gilt. Mindset ist da, Skills kann man lernen.
#undjetzt?
Digitalisierung ist ein Brett. Was die Welt dieser Tage an Veränderung durch macht, wurde so noch nie gesehen. Und morgen ist das noch ein Ticken schneller. Das stellt fast alles in Frage, was wir uns erarbeitet haben. Ob Bäcker oder Bauunternehmen – alles müssen neue Antworten finden in einem Land, das noch nicht bekannt ist. Lenker von Unternehmen setzen auf Strategien, auf Prozess und Software – das Zeug, das sie kennen. Dabei wird aber alles überlagert vom Unsichtbaren: der menschlichen Attitüde und der unternehmerischen Kultur. Wir haben die vier Haltungen beschrieben, die den Unterschied machen. Wer diese meistert, kann jeder Herausforderung angehen. Immer mehr Chefs und Firmenlenker erkennen, dass sie eine neue Sprache lernen müssen – die Sprache von Mindset und Kultur. Wir sind auf dem Weg und bringen gerne ein paar Vokabeln bei.