Die Etablierung von Search Inside Yourself in einem Großkonzern
Klaus Motoki Tonn von Lumen und Tatjana Wittig von der Deutschen Telekom im Gespräch
über die Etablierung von Achtsamkeits- und Emotionale Intelligenz-Initiativen in der Deutschen Telekom.
Eine Achtsamkeitsinitiative, das Thema Emotionale Intelligenz und Compassionate Leadership im größten Europäischen Telekommunikationsunternehmen – wie passt das zusammen?
Tatjana Wittig ist Human centered agile innovation leader bei der Telekom und begann ihre Reise in die Welt von “Search Inside Yourself” (SIY) vor vier Jahren im Rahmen eines Trainings, an dem sie in erster Linie persönlich für sich teilnahm. Nach ihrer Ausbildung zum SIY Facilitator etablierte sie mit Kolleg:innen das Programm anschließend konzernweit bei der Deutschen Telekom.
Fast forward: drei Jahre später haben über 1000 Mitarbeiter:innen der Deutschen Telekom das SIY-Programm durchlaufen. Das Ergebnis: 99 Prozent würden es weiterempfehlen.
Was ist der größere Impact für die Deutsche Telekom?
Seit vergangenem Jahr ist SIY nun allen Mitarbeitenden der Deutschen Telekom zugänglich.
Es gibt eine interne Bewegung: “Mindfulness Pioneers” @ DT, mit über 50 aktiven Trainern und über 1000 Fans.
„Employee Wellbeing” ist eine der obersten Prioritäten der Personalabteilung.
Letztes Jahr wurden sieben neue interne SIY-Lehrer vollständig zertifiziert – dieses Jahr werden acht weitere folgen.
Es werden täglich Meditationen und mehr als 100 Workshops jährlich angeboten.
Die langfristige Vision: Ein achtsamer Umgang mit sich selbst, den Kolleg:innen und den Kund:innen als Teil der DNA der Telekom.
Anlässlich des bevorstehenden SIY Seminars im Juni in Wiesbaden, hat Motoki Tonn Tatjana Wittig getroffen und ihr Fragen rund um die Etablierung von SIY bei der Telekom gestellt.
Wie war dein erster Eindruck von SIY?
Bereits privat habe ich mich seit 2005 mit Themen im Bereich Mindfulness auseinandergesetzt, durch eine Freundin bin ich dann auf SIY gestoßen. Nachdem eine der Führungskräfte von dem Seminar schwärmte, habe ich mir das Buch zu SIY gekauft. Ich dachte mir, vielleicht gelingt es mir damit, die Tür für andere zu eröffnen, die ich schon auf Umwegen für mich gefunden habe.
Wie hast du das Thema in die Organisation gebracht?
Im Rahmen eines Fortbildungsangebots durch die Telekom habe ich die Ausbildung zur SIY-Trainerin gemacht. Ich hatte nicht die Absicht als Trainerin bei der Telekom zu fungieren, doch nach der Ausbildung sagte ich mir, dass ich nicht auf diesem Wissen sitzen bleiben kann, wenn ich anderen damit Türen öffnen kann. So habe ich meinen KI Tribe Lead Job eingetauscht und Job Visiting gemacht.
Es ergab sich eine Win-Win-Win Gelegenheit: Andere, die die SIY-Trainer-Ausbildung absolviert hatten, waren zur gleichen Zeit fertig und wollten auch Praktika machen. Ich habe ihnen angeboten, dass sie sich nicht um die Teilnehmer-Rekrutierung kümmern müssen, sondern dass ich das intern in der Telekom mache und sie unterrichten können. Auf diese Weise konnten wir das Thema mit einem “BANG” groß machen und über 300 Kolleg:innen innerhalb von 4 Monaten teilnehmen lassen.
Die SIY Workshops kamen sehr gut an und es entstand eine sehr engagierte SIY Alumni Community. Die Suche nach einem internen Sponsor und auch Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat begannen.
Wie hat die Telekom auf das Thema emotionale Intelligenz und Mindfulness reagiert?
Das Programm gab es bereits seit 2018 für Top Führungskräfte, so dass es sich hierbei nicht um ein neues Thema für das Unternehmen handelte.
Wie haben deine Kolleg:innen reagiert?
Die meisten Kolleg:innen waren begeistert, dass sie nun auch zu dem Training gehen können, welches zuvor nur für Führungskräfte zugänglich war. Kolleg:innen in meinem direkten Bereich waren dagegen eher verwundert und fragten: „Was machst du da?“ Zum Teil waren sie irritiert, weil das Thema weit außerhalb meines Arbeitsbereiches liegt. Sie waren aber auch sehr interessiert und zeigten Respekt vor meiner Arbeit. Es gab jedoch auch einige, die mein Vorhaben nicht verstanden und mir sagten, dass ich auf das falsche Pferd setze.
Welche Rolle spielt HR dabei?
Zunächst hat HR sehr mit mir gefremdelt, denn ich arbeite ja eigentlich im Innovationsbereich als Product Lead und entwickle digitale Produkte für unsere Kunden. Sie fragten mich „Was machst du da? Und warum machst du das? Was ist dein Auftrag? Und wer hat Dir den Auftrag gegeben?“ Sie fanden es sehr befremdlich, dass ich mir den Auftrag, das Programm in die Organisation auszurollen, selbst gegeben hatte. Irgendwann ist es mir aber gelungen, Unterstützung zu bekommen.
Welche Faktoren haben dies zu einer Bewegung gemacht?
Definitiv der richtige Zeitpunkt. Covid hat uns geholfen, die Relevanz des Themas zu sehen. Dann die vielen Gleichgesinnten im Konzern, die Warteliste für das Programm, die sehr aktive Alumni-Community und vielleicht auch meine Glaubwürdigkeit, da ich das Programm aus Leidenschaft und Überzeugung für alle Kolleg:innen verfügbar machen wollte und es nicht als meinen “offiziellen Job von oben” angesehen habe. Auch hat die Aktion als Inspiration für andere gedient, neben dem Vollzeitjob achtsamkeitsbasierte Angebote im Konzern anzubieten. So ist die Bewegung Mindfulness Pioneers entstanden. Viele der Kolleg:innen hatten sich zum ersten Mal als Achtsamkeitstrainer im Telekom Kontext ausprobiert und daraufhin so viel Selbstvertrauen gewonnen, dass sie jetzt zum Teil auch Kurse außerhalb der Telekom anbieten.
Welches Mindset hilft bei der Etablierung?
Ein Kollege sagte zu mir: „Das, was du tust, und die Fähigkeiten, die du dabei lernst, kann dir niemand nehmen”. So habe ich die ganze Initiative mehr und mehr als „Learning Journey“ gesehen. Wenn ich frustriert war, sagte ich mir “Ich kann lernen, wie ich ein Thema in diesem Unternehmen groß machen kann. Ich sehe es als eine Lernreise und die Telekom und die ganzen Umstände als eine Plattform zum Lernen”. Diese Einstellung hat mir viel Frustration erspart. Ich habe mir gesagt: „Ich lerne“, und wenn etwas nicht geklappt hat: „Interessant, was hat diesmal nicht geklappt?“ Hinzu kam das Feedback von Menschen, die von sehr positiven Auswirkungen des Programms berichteten. Aber die stärkste Motivation war das Wissen, dass es eine Lernreise ist und dass das, was ich tue, relevant ist.
Was hättest du anders gemacht?
Ich hätte vielleicht früher Kollegen wie Peter Bostelmann gefragt, die SIY beispielsweise bei SAP etabliert haben. Zugleich habe ich gespürt: „Die Zeit ist reif”.
Woran hast du gespürt, dass die Zeit gekommen ist?
Ich habe gesehen, wie schnell die Kurse und Sessions voll wurden – ohne große interne Promotion – das gab mir das Gefühl „Krass, auf wie viel Resonanz das Thema stößt”. Und natürlich die Rückmeldungen – das war sehr emotional für mich – und sehr bestätigend.
Was auch eine Rolle spielte: Die Corona-Zeit. Es gab sehr viel Belastung, Isolation, – und Zukunftsfragen, die identitär waren: „Welchen Sinn hat das Ganze hier eigentlich?”
Es geht hier nicht um KI oder Technik, sondern um uns – und unsere „interne Software”. Es geht um menschliche Verbindung – sogar in Webex Meetings. Es gab diese Verwunderung über die Tiefe und Qualität des Austausches in Breakout-Räumen. Ich denke, wir haben eine Antwort als Erfahrungsraum geschaffen: „Wie können wir virtuell menschlich connecten?”. Zudem haben wir den Kolleg:innen eine Sprache gegeben, um das auszudrücken, was sie emotional empfanden. Hier empfinde ich die Stärke von SIY: uns eine emotionale Sprachfähigkeit zu geben (Emotionale Intelligenz und “Emotional Literacy”). Und der Bedarf ist heute nicht vorbei: Die Frage nach Sinn und was macht mich aus im Kontext meines Unternehmens und natürlich meines Lebens, bleibt.
Wovon träumst du? Was darf noch in den nächsten 4-5 Jahren alles geschehen?
Ich träume davon, dass ein achtsamer Umgang mit sich selbst und anderen ein Teil unserer DNA im Konzern wird. Dass es nicht komisch ist, eine Sitzung mit Stille zu beginnen, sondern dass es komisch ist, es nicht zu tun. Dass es zur Norm wird, Menschen zuzuhören, zwischen den Zeilen zu lesen, und dass es komisch ist, es nicht zu tun.
Ich träume davon, neue Arbeitsmodelle zu entwickeln, die den Menschen helfen, ihre beste Version zu sein. Sodass Menschen auch andere Träume verfolgen können und der Konzern davon profitiert. Dass wir wegkommen von dem Denken, dass nur ein Vollzeitjob zu Erfolg und Karriere führt. Ich wünsche mir mehr Fluidität, mehr Intrapreneur-Denken: Damit die Menschen in den Konzern kommen, die etwas bewegen wollen und nicht nur diejenigen, die sich nach Sicherheit sehnen.
Ich träume davon, dass wir als Konzern als Standard angesehen werden: „Wir haben es geschafft, die Kultur so zu verändern“. So dass es zur Selbstverständlichkeit wird.
Ich wünsche mir, dass jeder die Möglichkeit hat, gesehen zu werden, sich zu entfalten und jeden Tag den Sinn und Zweck der Organisation mit seinem persönlichen Sinn zu verbinden.
Ich träume davon, dass die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkennen, dass man sich bei der Telekom weiterentwickeln kann und dass sie nicht mehr nur bei Google, Amazon etc. arbeiten wollen.
Wollen auch Sie die Erfahrung machen, die bereits über 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Telekom gemacht haben? Dann besuchen Sie eines unserer nächsten Seminare!