Der feine Grat: Gesunde vs. Toxische Resilienz
warum gesunde Resilienz so wichtig ist
Uns liegt das Thema Resilienz sehr am Herzen. Wir haben in den letzten Jahren etliche Trainings dazu entwickelt, von adaptiver Resilienz bis hin zu Anti-Fragilität, und diese in Unternehmen gebracht. Dazu kamen viele Beiträge auf Konferenzen sowie Vorträge auf dem Resilienz-Kongress und an Hochschulen.
Was stimmt im Resilienz-Markt nicht?
Eigentlich könnte alles gut sein – doch seit einiger Zeit beobachten wir eine Entwicklung, die uns Sorgen bereitet. Resilienz ist als großer Trend in den Unternehmen angekommen und das ist gut so. Es gibt zahlreiche Trainings sowie Programme, die die Thematik beleuchten. Zugleich bildet sich dadurch jedoch ein neues Narrativ: “Du hast Druck? Dann arbeite an deiner Resilienz.” Es wäre schön, wenn es so einfach wäre – eine simple Formel mit Auslöser- und Reaktionsmechanismus. “Du hast Kopfschmerzen? Nimm eine Aspirin.”
Doch so einfach ist es nicht.
Die Gefahr ist groß, dass Menschen, die einfach nicht mehr können, zusätzlich unter Druck geraten. Sie sehen, wie andere begeistert aus Resilienz-Trainings kommen, äußerlich gut aufgestellt sind und mit Herausforderungen im Unternehmen sowie im Alltag zurechtkommen.
Krank oder gesund – was liegt dazwischen?
Einer der Gründe für die Missdeutung von Begrifflichkeiten könnte unser dual geprägtes Verständnis von Krankheit und Gesundheit sein. Unsere gesamte Lebenswelt ist davon geprägt: Wenn es uns an Gesundheit mangelt, gehen wir zum Arzt (Diagnostik) oder ins Krankenhaus. Wir gehen sogar ins Krankenhaus, um Kinder auf die Welt zu bringen, dabei sind Schwangere häufig nicht krank. Wir sind krankenversichert, um uns gegen den Eintritt einer Erkrankung finanziell abzusichern. Wenn wir das nicht brauchen, sind wir gesund. Auch das Gesundheitssystem (oder “Krankensystem”) ist so aufgebaut: Wenn wir aus dem Krankenhaus entlassen werden, sollten wir “gesund” sein. Es gibt maximal noch eine Möglichkeit einer Rehabilitation, doch eine Nachsorge für Erkrankte oder gar Prävention ist nur schwerlich im System zu finden.
Statt Dualismus: Salutogenese
Diesen Dualismus hat der Soziologe Aaron Antonovsky früh erkannt und daraufhin seine Idee der Salutogenese begründet. Die Salutogenese bezeichnet den individuellen Entwicklungs- und Erhaltungsprozess von Gesundheit und lässt sich auf viele andere Bereiche – etwa die Kommunikation in Systemen – übertragen. Die wesentlichen Dimensionen der Salutogenese sind Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit.
Wenn diese wirksam werden, entsteht nach Aaron Antonovsky ein Kohärenzgefühl, das zu einem dauerhaften und nachhaltigen Erleben von Gesundheit führt.
Übertragen auf die Frage der gesunden Resilienz in Unternehmen resultieren hieraus folgende Fragen:
Ist ein pauschales Resilienz-Programm für alle sinnhaft? Könnte ich manche Mitarbeitende dadurch sogar überfordern?
Verstehen alle Mitarbeitenden den Ansatz von Resilienz als Widerstandsfähigkeit?
Ist Resilienz noch mehr als Widerstandsfähigkeit? Stichwort: Seelische Resilienz. Was ist, wenn ich aus eigener Kraft nicht mehr zurück zur “Normalität” finden kann?
Welche sonstigen Ressourcen stehen mir innerhalb und insbesondere außerhalb der Arbeit zur Verfügung?
Welche systemischen Konflikte oder Interessenkollisionen entstehen bei Verletzungen innerhalb des Unternehmens? Kann ich überhaupt im gleichen System wieder gesund werden?
Toxische und gesunde Resilienz
Dr. Aditi Nerurkar, Autorin von “The 5 Resets”, betont den Unterschied und die zwei Arten von Resilienz – gesunde und toxische Resilienz.
Sie erklärt, dass gesunde Resilienz darin besteht, persönliche Grenzen zu respektieren, Zeit für Ruhe und Erholung einzuplanen und Selbstmitgefühl zu üben, während menschliche Grenzen anerkannt werden.
Im Gegensatz dazu beschreibt sie toxische Resilienz als das Streben nach Produktivität um jeden Preis, geprägt von einer “Geist über Materie”-Mentalität. Sie argumentiert, dass dieses Konzept in der modernen Gesellschaft missverstanden wird, insbesondere in der Unternehmenswelt, wo unter dem Deckmantel der Resilienz oft zu mehr oder sogar exzessiver Arbeit aufgefordert wird.
Dr. Nerurkar betont, dass es bei Resilienz nicht darum geht, ständig Unbehagen zu ertragen, sondern vielmehr darum, unsere angeborene Fähigkeit zur Erholung mit der Notwendigkeit von Ruhe und Erholung in Einklang zu bringen.
Toxische Resilienz in Organisationen
Toxische Resilienz in Unternehmen tritt dann auf, wenn Organisationen ihre eigenen Ziele (Gewinnmaximierung, Wachstum, Produktivität und Effizienz) über die Gesundheit der Mitarbeitenden stellen und Resilienz-Programme zu diesem Zweck einführen.
Definition und Vergleich von gesunder und toxischer Resilienz in Organisationen:
Empfehlungen
Wenn Sie toxische Resilienz in ihrer Organisation oder Learning Journey vermeiden möchten, finden Sie hier Empfehlungen, die sich in unserer Praxis bewährt haben:
Fördern Sie eine Kultur des Wohlbefindens
Stellen Sie sicher, dass das Wohlbefinden der Mitarbeitenden im Zentrum steht. Das bedeutet, dass es sowohl in der Unternehmenskultur als auch in allen Handlungsstrategien verankert ist.Bieten Sie unterstützende Programme an
Implementieren Sie Programme wie “Search Inside Yourself” und “Adaptive Resilienz-Trainings”, die die Selbstwirksamkeit der Menschen adressieren und die sich an einem positiven Menschenbild orientieren.Bieten Sie Check-in mit People-Coaches an
Bestehen Sie auf regelmäßige Halbjahresgespräche. Stellen Sie fortlaufend sicher, dass die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden realistisch und nachhaltig ist – schauen Sie auf Über- und zugleich auch auf Unterforderung (Burn-out und Bore-out).Machen Sie regelmäßige Health-Checks auf Team-Ebene
Bieten Sie regelmäßige Interviews für Führungskräfte und Team-Retroperspektiven an, in denen Sie im Besonderen durch empathisches Hinhören Wert auf das Thema Stressbewältigung und mentale sowie seelische Gesundheit legen. Hören Sie genau hin, ob die Mitarbeitenden hinreichende Ressourcen (Beziehungen, Spiritualität, Freizeit, Kunst, Sport, sonstiger Ausgleich) über den Unternehmenskontext hinaus nennen. Verlassen Sie sich nicht allein auf die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsanalyse zur physischen und mentalen Gesundheit im gesamten Unternehmen.Fördern Sie offene Kommunikation
Ermutigen Sie Mitarbeitende, Bedenken hinsichtlich ihrer Arbeitsbelastung oder ihres Wohlbefindens zu äußern. Bieten Sie dazu neutrale Ansprechpartner im Haus oder auf externer Basis an (Vertrauens- oder Ombudspersonen).
Werfen Sie gerne einen Blick auf unser Trainingsangebot und nehmen Sie bei Interesse für ein Gespräch oder Interview Kontakt mit uns auf.