BLOG | UNSER DENKECK

Artikel, Berichte und Studien

HR, New Work, Culture Marlin Watling HR, New Work, Culture Marlin Watling

Wie geht Psychological Safety?

Seit einigen Jahre gönnt sich Google allerhand Seitenprojekt. Da die Suchmaschine schön Geld in die Koffer in Mountain View spielt, dürfen Googler 20% ihrer Zeit der Musa nachgehen. Neben technischen Experimenten kommen da allerhand Ideen auf die Agenda: fliegende Windmühlen, WLAN Ballons, radargesteuerte Autos, Gen-Entschlüsselung und Mars-Sonden. Das neueste Steckenpferd scheint aber die Psychologie zu sein.

Seit einigen Jahre gönnt sich Google allerhand Seitenprojekt. Da die Suchmaschine schön Geld in die Koffer in Mountain View spielt, dürfen Googler 20% ihrer Zeit der Musa nachgehen. Neben technischen Experimenten kommen da allerhand Ideen auf die Agenda: fliegende Windmühlen, WLAN Ballons, radargesteuerte Autos, Gen-Entschlüsselung und Mars-Sonden. Das neueste Steckenpferd scheint aber die Psychologie zu sein.

Das Search Inside Yourself Programm (auch bei uns) orientiert und wissenschaftlich fragte man sich dann, ob man überhaupt Führungskräfte braucht. Das Projekt Oxygen fand: ja, und zwar mit diesen 10 Handlungen. Und auch die Frage nach Teams und deren Effektivität beschäftigte Google. Und so machte man sich auf die Suche nach den Faktoren zu Top Teams – Projekt Aristotle war geboren.

Teams prägen die Welt

Ist doch die Frage nach Psychologie naheliegend. Auch wenn Software die Welt auffrisst, so sind es die Menschen in Organisationen, die den Unterschied machen. Wie wir führen, wie wir miteinander arbeiten, wie wir auf Veränderungen reagieren – das kann kein Algorithmus der Welt steuern. Viele Herausforderungen von Firmen heutzutage liegen nahe der Psychologie: Motivation, Führung, Change, Mindset, Unternehmenskultur. Diese sind mächtige Strömungen in Organisationen und brauchen entsprechende Skills, um sie gut zu lenken.

Gerade bei Teams liegt ein Schlüssel. Wenn man in den 90ern noch mit der Talent Management Nummer um die Ecke kam und die Superstars identifizieren wollte, so steht heute vermehrt die Kollaboration im Mittelpunkt. Einzelne Superstars reichen nicht. Das Team entscheidet. Keine Veränderung in der Welt wird durch eine Einzelperson getrieben.

Und doch ist die Management Lehre im Teambereich etwas unterentwickelt. Tuckmans Stadien der Gruppenentwicklung hat sich etabliert, de Bonos Hüte liegen vereinzelt in der Ecke, Katzenbachs Teamweisheiten sind Insidertipps, Lencionis 5 Dysfunktionen sind nett und Beckhards GRPI Modell wird in Business Schools gelehrt, schlägt in der Praxis kaum an.

Was macht Top Teams aus?

Also forschte Google. Project Aristotle war geboren – nach dem Motto: das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Was macht Top Teams aus? Forscher starten immer mit Hypothesen. Und da waren die Klassiker oben auf:

  1. Top Teams haben Top Leute drinnen (Intelligenz, Skills)

  2. Top Teams haben relevante Erfahrungen im Team (Lebenslauf, Erfolge)

  3. Top Teams passen persönlich zusammen (kompatible Persönlichkeiten)

  4. Top Teams haben gute Führung

  5. Top Teams entscheiden miteinander

  6. Top Teams sind klein, groß oder genau richtig in der Größe

Nichts dergleichen, fand Google in der ersten Runde. Mit über 160 Teams intern konnten sie diese Hypothesen NICHT bestätigen. Was war es dann?

Der Durchbruch kam als sie auf die Idee von „Psychological Safety“ stießen – einer Idee, die Psychologen seit einigen Jahre erforscht hatten. Amy Edmonson von der Harvard Uni war einer der führenden Stimmen. Sie zeigte schon länger die Wirkung eines gepflegten Füreinanders in Teams auf die Arbeitsergebnisse: bessere Qualität, mehr Wohlbefinden, mehr Produktivität und bessere Lösungen. Psychological Safety beschreibt die Haltung und Atmosphäre in Teams, wohlwollend füreinander zu sein und fehlerfreundlich miteinander umzugehen.

ps00.png

(Später fand Google noch 4 andere Faktoren für Top Teams: Zuverlässigkeit, Klarheit und Struktur, Sinn und Impact).

Psychological Safety steht im Gegensatz zur Atmosphäre in viele Unternehmen. Dort herrscht nämlich eine Angstkultur. Mitarbeiter versuchen, Fehler zu vermeiden. Fehler führen oft zu Sanktionen – Jobverlust, weniger Bonus, schlechteres Ansehen, weniger Berücksichtigung in Projekten etc. Als Konsequenz verhalten sich viele Mitarbeiter halbpassiv, passen sich an, nehmen nur überschaubare Risiken auf sich oder werden Experten in Verantwortungsvermeiden. Auch wenn Unternehmslenker sich das anders wünsch, so prägt die Kultur doch und die Haltungen der Mitarbeiter ist oft der rationalste Weg, durch die Firma zu navigieren.

Psychological Safety kann man leicht an der Frage ablesen: „Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Meinung gehört wird?“ Laut einer Gallup-Umfrage war das nur bei 3 von 10 Mitarbeitern amerikanischer Firmen der Fall. Wenn sich die Antworten auf diese Frage auf 6 von 10 verschiebt, verbessert das die Firma merklich: 27% weniger Turnover, 12% mehr Produktivität, 40% weniger Unfälle. Nur durch besseres Zuhören.

Was genau ist Psychological Safety?

Zoomen wir mal rein in die Idee von Psychological Safety. Wir klären erst mal, was Psychological Safety nicht ist: nicht Nett sein – bei Psychological Safety geht es nicht um Gutmenschen und Gefühlsduselei. Nicht Persönlichkeit – es ist keine Eigenschaft oder angeborene Einstellung. Nicht Vertrauen – es ist kein anderes Wort für zwischenmenschliches Vertrauen. Nicht alles-geht – Psychological Safety ist keine Verwässerung von Standards und Akzeptanz von willkürlicher Selbstverwirklichung.

Gerade der letzte Punkt verdient einen Absatz. Psychological Safety und Performance liegen nicht auf der gleichen Achse. Vielmehr ergänzen sie sich. Folgende Grafik verdeutlicht das Wirken von Psychological Safety auf Leistung und Standards – und wie das die Atmosphäre in Teams prägt:

ps01.png

In der Recherche fanden wir 12 Faktoren, die im Zusammenhang mit Psychological Safety genannt wurden. In Forschung, Veröffentlichungen, Talks und Büchern ist die Rede von diesen Aktivitäten zur Förderung von Psychological Safety:

Aus diesen Praktiken haben wir ein 4-stufiges Modell zur Förderung von Psychological Safety entwickelt. Dieses beinhaltet:

1)  Hausaufgaben machen – Führungskräfte müssen ihre Haltung zu verschiedenen Themen klären und ein Commitment für sich finden, Psychological Safety zu fördern und zu leben.

2)  Aufgaben in Kontext setzen – Arbeit muss nicht nur als Leistung positioniert sein, sondern auch Lernperspektiven, Experimentieren und Platz für Verbesserungen haben.

3)  Psychological Safety vorleben – Führungskräfte setzen die Stimmung durch ihr Verhalten und was sie fördern.

4) Mit Fehlern umgehen – nichts prägt die Psychological Safety wie die Reaktionen auf negative Ergebnisse. Hier entscheidet sich die Nachhaltigkeit von Psychological Safety

ps03.png


Nicht nur sind die vier Stufen wichtig, auch die Reihenfolge entscheidet. Zunächst startet es mit den Hausaufgaben und von dort geht es in die anderen Praktiken.

Die Logik von Top Teams verinnerlichen

Organisationen treten an, um die Welt zu verändern. Diese Wirkung kommt durch das Zusammenspiel der Menschen in einer Organisation: durch Teams. Und Teams bringen mit Psychological Safety ihre besten Leistungen.

Man fragt sich, wie unter der weit verbreitenden Angstkultur überhaupt so viel passiert. Wenn überall der kalte Wind der Sanktionen bläst, wie kommt dann, dass die Welt sich so rasant ändert und wir mit so viel Neuerungen überhäuft werden? Wenn wir die Logik von Teams und Psychological Safety ernst nehmen: wie viel Potenzial haben wir dann, dass bisher noch nicht ausgeschöpft wurde? Wie wirkungsvoll könnten Organisationen sein, wenn sie Psychological Safety meistern?

Teams sind heute schon der Königsweg. Führungskräfte und Organisationen kommen so weit wie sie fähig sind, gute Teams aufzustellen. Und in einer vernetzten Welt wird Team und Zusammenarbeit noch wichtiger. Daher tun wir gut daran, die Erkenntnisse von Psychological Safety ernst zu nehmen und sie zu verinnerlichen. Auch wenn die Arbeit Zeit kostet und neue Vokabeln gelernt werden müssen – ein Team, das füreinander ist, schlägt die besten Einzelkönner. Morgen mehr denn je.

Als Lumen unterstützen wir diesen Journey und bringen unsere Transformationsexpertise in diese Teams. Braucht ihre Organisationen einen Shift zu neuer Wirksamkeit sollten Sie sich Kompetenz ins Haus holen und Transformation mit beiden Händen anpacken. Daran arbeiten wir Tag und Nacht.

Marlin Watling führte als Personalleiter zahlreiche Personalsysteme ein und leitete in seinen 15 Jahren in Konzernen in Management-Teams Diskussionen zu Effektivität, Alignment und Prioritäten. Heute berät er Unternehmen zu Transformations-Themen und hat über die wirkungsvollsten Tools aus der Ecke von Startups hier geschrieben.

Weiterlesen
Marlin Watling Marlin Watling

Community: was braucht es - ein Experiment in Neukölln

Begann es in Berlin oder in Südafrika? In Berlin wohnten Elke und ich mit unseren Kindern in einer gigantischen Altbauwohnung mit Kachelöfen und träumten mit so viel Platz von einem Salon für Freunde und Künstler, von einem Salon als Ort des Teilens, Zusammenarbeitens und Inspirierens. Aber erst in Südafrika entstand Jahre später in der Nähe von Kapstadt das erste Sharehaus.

Begann es in Berlin oder in Südafrika? In Berlin wohnten Elke und ich mit unseren Kindern in einer gigantischen Altbauwohnung mit Kachelöfen und träumten mit so viel Platz von einem Salon für Freunde und Künstler, von einem Salon als Ort des Teilens, Zusammenarbeitens und Inspirierens. Aber erst in Südafrika entstand Jahre später in der Nähe von Kapstadt das erste Sharehaus. Wir sahen, dass die Apartheid 20 Jahre nach ihrem Ende die Menschen immer noch trennte und begannen mit einem Team aus Freiwilligen ein Haus zu renovieren. Es wurde vor allem ein Haus für junge Menschen, die sich nach einer neuen Art zu arbeiten, zu leben und zusammen zu sein sehnten.

 

Zurück in Berlin nach 10 Jahren Südafrika überlegten Elke und ich, wie ein Sharehaus hier aussehen könnte, in einer Stadt, die wir noch vor dem Mauerfall kannten und die zu kreativsten Metropole Europas wuchs.

 

Community Sharehaus

Die Lösung großer Probleme liegt oft im Problem selbst. Nach einem Jahr eröffneten wir 2015 ein riesiges Sharehaus in Berlin Neukölln mit Geflüchteten. Die Geflüchteten waren angeblich ein Problem, aber wir wussten aus Erfahrung, dass genau hier das Potenzial lag. Was wenn die Menschen, die kamen, uns helfen könnten, uns als Gesellschaft zu erneuern?

 

Das Sharehaus Refugio wurde ein wunderbarer Erfolg. Um die 40 Geflüchtete und Einheimische wohnten auf 3 Etagen zusammen, auf insgesamt 5 Etagen arbeiteten Künstler zusammen, Partnerorganisationen, und im Eingang eröffneten wir ein großes Cafe und verwandelten den alten Kirchsaal in einen Veranstaltungs- und Konferenzsaal.

 

Es dauerte keinen Monat bevor wir von den Medien belagert wurden. Wir sagten viel zu und noch mehr ab, und immer wurde absolut respektvoll und positiv berichtet. Das Sharehaus Refugio wurde zum Modellhaus für echte Integration, also eine auf beiden Seiten. Einwanderer wie Einheimische hatten sich viel zu geben. Es war nicht immer rosig, es war manchmal schwer, immer harte Arbeit, aber die persönlichen Erfolge der Menschen im und ums Haus zeigten, dass die Umsetzung fruchtbar war.

Sharehaus

 

Um nichts anderes geht es, dass es Menschen persönlich und in der Gesellschaft besser geht. Da war weniger wichtig aber wunderbar, dass die amerikanische Botschafterin der UN zu uns kam, die Ehefrau des japanischen Premierministers und sogar das schwedische Königspaar unser Haus einen ganzen Tag in einen Taubenschlag verwandelte mit ihrem Besuch.

 

 

Was ist eigentlich ein Sharehaus?

 

Ein Sharehaus ist ein Garten, in dem die einzigartigen Talente und Träume eines jeden Menschen aufblühen können, und es ist eine Gemeinschaft, in der alle gleich wichtig sind. Wir haben für das Sharehaus den Satz gefunden, der Vision und Arbeit gut zusammenbringt:

 

Es ist eine Werkstatt für himmlische Gesellschaft. Himmlisch heißt friedlich und gerecht, Werkstatt heißt, dass es harte Arbeit ist.

 

Gemeinschaft als Sharehaus

Ein Sharehaus kann ein Arbeitsteam sein, eine Genossenschaft, eine WG, es ist immer eine Gemeinschaft von Menschen an einem Ort, die bewusst und bereichernd teilen wollen und die klare gemeinsame Werte teilen und leben.

 

Ein Sharehaus ist immer der Ort einer realen, sichtbaren und nachhaltigen Umsetzung einer Idee und Vision.

 

Worauf baut ein Sharehaus?

 

Wertschätzung ist das Fundament eines jeden Sharehauses. Viele Gründer haben uns gefragt, wie man ein Sharehaus startet und am Laufen hält. Und wo auch immer neue Sharehauspartner arbeiten, achten wir darauf, dass die Motivation und die Werte von Anfang an stimmen, denn sie werden die Zukunft eines jeden Sharehauses bestimmen. Das Warum ist entscheidend und wird immer in der DNA dieses besonderen Sharehauses sein, ganz gleich wo es ist. Darum kann sich nur Sharehaus nennen, wer mit uns arbeitet. Das ist eine Art Qualitätssicherung.

 

Die Wertschätzung für die Geflüchteten, die uns Sharehaus kamen, sah so aus: Jeder der im Haus mitwohnte, wurde Gastgeber und mitverantwortlich. Und vor allem jedem Menschen, der nach Deutschland geflohen war, sagten wir: Es tut uns leid, dass ihr fliehen und so leiden musstet, wir heißen euch willkommen und sind dankbar, das ihr da seid, denn wir brauchen euch unsere Problem hier in unserem Land zu lösen. Eine ernstgemeinte Einladung zur Partizipation ist echte Wertschätzung.

 

Was braucht ein Sharehaus?

 

1.        Ein Haus, ein richtiges Haus, denn in der Zeit der Digitalisierung sehnen sich mehr und mehr Menschen nach Orten der Zuflucht, Gemeinschaft und Erneuerung. Dieses Haus ist ein Zuhause, ein Schutzort und eine Heimat. Heutzutage setzen wir uns überall auf der Welt ein für soziale Gerechtigkeit, aber was es dafür braucht, sind Orte, an denen ein Mensch sich sicher fühlt. Wir wurden bei einer Konferenz gefragt, was wir tun würden, wären wir die Vereinten Nationen und hätten tatsächlich Macht der Umsetzung. Wir kamen darauf, dass wir als UN überall auf der Welt Häuser eröffnen würden, in denen Verfolgte sicher sind, weil die Häuser Territorium internationales Territorium der UN sind. Es braucht Orte statt nur Worte.

Was braucht ein Sharehaus

 

2.        Ein Sharehaus braucht die Visionäre und die Vision. Es braucht immer die Visionäre und Menschen mit Leidenschaft. Ein Sharehaus kann man schlecht delegieren, es muss von den Menschen umgesetzt und gelebt werden, die davon träumen. Die müssen bereit sein, Jahre ihres Lebens in die Umsetzung zu investieren. Die Visionäre halten das Ziel hoch und haben das Herz für das Warum, während das Projekt vor Ort sich immer neu entfalten darf in gut geplanten, kleinen Schritten. Das heißt auch, dass Altes, das einst funktionierte, abgeschafft wird, um dem Platz zu machen, was sich erneuern will, solange alle die Vision im Herzen tragen auf dem Weg zu anderen, besseren Ergebnissen. Der Weg ist das Ziel.

 

3.        Eine Gemeinschaft, die miteinander und mit den Nachbarn großzügig teilt. Haus und Gemeinschaft können ein Co-Working Space sein, ein Wohnhaus, ein Clubhaus im Djungel, es kann sogar ein Netzwerk sein von bestehenden Wohnungen, oder alles zusammen. Das Sharehaus Refugio war das dritte Sharehaus, das wir aufbauten und es ist ein gutes Beispiel. Es wurde 2015 für und mit der Berliner Stadtmission entwickelt und aufgebaut. In 33 Einzelzimmern eines ehemaligen Altersheims leben rund 40 Menschen, die ihre Heimat verloren haben oder verlassen mussten, oder die nach einem neuen Leben und neuen Gemeinschaften suchen. Die Zimmer sind privat wie in einer Studenten-WG. Auf insgesamt 5 Etagen, im Café, Veranstaltungssaal und in Arbeitsräumen und Büros kommen immer noch täglich rund 100 Menschen aufeinander, um zusammen zu arbeiten oder sich auszutauschen. Im Kern lebt das Haus von der Gemeinschaft, die im Haus wohnt, und wird belebt von der noch größeren Gemeinschaft der Menschen, die hier zusammenarbeiten und sich zugehörig fühlen.

 

4.        Werte & Ethik. Das Herzstück eines jeden Sharehauses sind die Workshops, um Werte und Ethik gemeinsam zu leb[1] en, zu erarbeiten und zu verankern. Im Refugio waren das monatliche Workshops a 90 Minuten, in denen alle etwas Persönliches zu Werten erzählen konnten, die wir als Anregung vorgaben. Einmal monatlich trafen wir uns auch zum Geschichten erzählen. Persönliche Geschichten schaffen Nähe und Wertschätzung und verhindern viele Konflikte. Und einmal die Woche kochen und essen die Hausmitglieder miteinander und treffen sich zum Reden. Hier findet neben echten persönlichen Begegnungen die echte Gemeinschaftsarbeit statt, ohne die keine Gemeinschaft lebendig bleiben kann.

 

Das Sharehaus Refugio wurde von uns bewusst als modernes Kloster entwickelt nach der Vision von Dietrich Bonhoeffer, der im Widerstand gegen Hitler starb. Seine Vision war eine Version der gelebten Nächstenliebe hier und jetzt. Geübt wird sie auf Augenhöhe durch Werte & Ethik im Miteinander aller Menschen ganz gleich welcher Religion, Kultur oder Ausrichtung. Das ist gelebte Spiritualität, die nicht höher ist, sondern sehr praktisch und im Umgang miteinander. Ein Sharehaus ist also nicht ausgrenzend durch Religion, Kultur oder Bildung, sondern einschließlich, da jeder Mensch gut genug ist. Es gibt aber auch dann immer wieder Menschen, die ein Sharehaus verlassen müssen, weil sie diese Werte & Ethik nicht anerkennen wollen für sich und andere.

 

5.        Gute Partner. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Gemeinschaftswohnen und Wirtschaftsbetriebe nicht unter eine Leitung gehören. Wir haben alles schnell und steil gestartet und auch erfolgreich umgesetzt, aber im Café und Saal konnten wir trotz des Erfolgs kaum schwarze Zahlen schreiben. Das lag auch daran, dass unser Fokus auf dem Gemeinschaftsleben liegt. Wir bleiben jetzt in Zukunft dem Prinzip treu, dass wir mit Partnern arbeiten, die eine Leidenschaft haben für ihren Bereich. Das funktionierte schon mit großartigen und erfahrenen Organisationen, die auf unsere Einladung mit ins Haus gezogen sind und das Haus mit Leben, Workshops und neuen Menschen füllen. Ein gutes Beispiel ist die Hoffnungsträger Stiftung, die fast 10 Gemeinschaftswohnhäuser umsetzen, und Paare diese Häuser leiten lassen, die dort auch wohnen und sich mit den Häusern identifizieren. Das Refugio hatte das mit uns als Sharehausgründern, aber nach der Übergabe an die Stadtmission gab es keine Leiter mehr, die im Haus mitleben, die Ethik & Werte Workshops wurden nicht fortgesetzt, die Einigkeit der Bewohner wurde schwächer.

 

6.        Flache Hierarchien und vor allem Kompetenzhierarchien sind wichtig. Ein Sharehaus wird durch Werte und Vision zusammengehalten, durch die Einheit in Geist und Herzen der Gemeinschaft. Wer immer ein Sharehaus leitet, dient der Sache und darf die anderen nicht in ihrer Kreativität und Verantwortung ausgrenzen. Ein gutes Beispiel ist ein Kloster. Die Gemeinschaft lebt durch einen gemeinsamen Glauben und klare Regeln. Dieses Vorbild hat es allen Menschen im Sharehaus Refugio, ganz gleich welcher kulturellen Prägung, Religion oder sexuellen Ausrichtung erlaubt sich beschützt und wertgeschätzt zu fühlen, sicher und gefördert. Hier kommt wieder die Motivation zu Tage, die jedes Sharehaus klar nach Außen und Innen vertreten sollte.

 

7.        Mission & Vision. Entscheidend ist die gelebte Mission nach Innen und Außen. Das Refugio schafft nach Innen Austausch auf Augenhöhe, Gleichberechtigung zwischen Geflüchteten und Einheimischen, ist eine starke Gemeinschaft und ein Ort der Erneuerung. Nach Außen ist es ein Lighthouse, ein Leuchtturm, denn es beweist, dass funktioniert, was viele nicht glaubten. Es ist die Blaupause für andere Häuser und Hoffnungshaus für Geflüchtete und engagierte Einheimische. Innen- und Außenwirkung gehören zusammen. Ein Sharehaus in Madrid kann ein Hostel sein mit einer starken Gemeinschaft von Mitarbeitern, die Gästen ein Zuhause geben und sich für einsame, ältere Menschen in der Umgebung engagieren und sich um sie kümmern.  Es kann ein Co-Working Space mit Café in Amman, Jordanien, sein und gleichzeitig ein Ausbildungsort für arbeitslose junge Menschen. Innen und außen. Freunde in Athen schufen eine Art Sharehaus, das Ausbildung, Wohnen und echte Gemeinschaft für Geflüchtete bietet.

Mission & Vision Sharehouse

 

8.        Echtes Teilen. Ressourcen sind immer ein Thema. Das Sharehaus begann in Südafrika, wo uns gerade Menschen, die wenig haben, zeigten, wie reich teilen macht. Der Fokus sollte immer darauf liegen, was schon da ist an Potenzial. Ein Warten auf das große Geld, oder die besonderen Menschen oder die richtigen Umstände ist lähmend. Die Lösung fürs Jetzt liegt genau vor einem. Nicht überdenken. Einfach Machen. Ein Sharehaus heißt: Arbeiten mit dem was da ist. Wie ein Garten, den man mit den wenigen Samen und der Handvoll Erde beginnt, die man hat. Richtig gepflegt wächst der Garten dann. So war es bei uns auch. Das Sharehaus Kreuzberg 2014 war ein Nachbarschaftsladen, der ein Jahr fruchtbar war, dann aufgegeben wurde, weil daraus 2015 das weit größere Sharehaus Refugio entstand. Man wird immer überrascht sein, welche Reichtümer sich im Vorhandenen verbergen. Wer richtig fragt, hinsieht und das Vorhandene wertschätzt, kann in die nächste Phase wachsen. Ein Sharehaus sollte also auf Dauer kein Ort sein, der Hilfe braucht, sondern der sich selbst finanzieren kann. Das muss von Anfang an geklärt sein. Das Refugio trägt sich durch Mieten, Café und Veranstaltungen aber brauchte auch Zuschuss. Das hätten wir anders planen sollen, aber hier erlebten wir z.B. den Nachteil einer großen Partnerschaft in der gemeinsamen Leitung. Das Projektmanagement konnte nicht agil genug sein und schnellere Entscheidungen treffen, die den nächsten Wachstumsschritten angemessen waren. Was am Anfang funktionierte, um das Projekt aus dem Hafen laufen zu lassen, wurde auf hoher See wiederholt, obwohl es nicht mehr funktionierte.

 

Wer kann ein Sharehaus starten?

Die Menschen, die davon träumen, denn der Traum wurde ihnen anvertraut. Die Visionäre haben eine wichtige Rolle und können scheinbar unbedeutend auf den ersten Blick sein, aber sie müssen in der jahrelangen Aufbauphase unterstützt und gefördert werden, weil sie die Kompetenzhierarchie einer alles einenden Vision haben und vor Ort mit reicher Erfahrung leben.

Wie kann man ein Sharehaus starten?

Es braucht ein Team mit einer Einheit in Vision und Werten, das heißt: Offene und regelmäßige Kommunikation, groß Denken, kleine Schritte planen, genau den anderen zuhören. Mit einem starken Team ist nichts unmöglich. Alles andere folgt, ob Neubau, Finanzierung, Umbauen, Verein, Unternehmen oder Genossenschaft gründen. Das Praktische folgt immer der Vision und der Einheit der Gründer.

Können Sharehäuser voneinander lernen?

Darauf sind sie angelegt. Schon bevor ein neues gestartet wird, wird wertvolle Erfahrung geteilt und damit Planung und Umsetzung vereinfacht.

Wer hilft?

Da jedes Sharehaus vor Ort ganz anders sein kann, beraten wir Visionäre im Detail, und finden ganz praktisch zusammen heraus, ob sie ein Sharehaus gründen können.

Noch mehr Fragen zu Community Building? bitteschön… 

Fragt uns gerne: Sven Lager und Elke Naters

 

Weiterlesen