Die Psychologie der Klarheit: Dein Weg zum digitalen “Second Brain” Zettelkasten

In einer Welt, die immer komplexer wird, ist die Fähigkeit, Informationen sinnvoll zu organisieren, nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern auch der mentalen Gesundheit – wir sprechen von „digitaler Resilienz”. Diese erreichen wir nicht nur durch Übungen und Vorkehrungen, sondern auch durch das Arbeiten an unserem System: Die Frage, wie wir in Zeiten von Informationsüberfluss die wirklich wichtigen und sinnvollen (und sinngebenden) Informationen so speichern, dass wir mit ihnen – auch zu einem weitaus späteren Zeitpunkt – kreativ werden können. 

Die Idee eines „Second Brain“ – eines externen Gedächtnisses – und die Methodik des digitalen Zettelkastens ist die Lösung, die wir dazu empfehlen (weitere Beiträge). 

Die Idee des Zettelkastens geht auf Niklas Luhmann zurück, der in seinem Leben über 80.000 Zettel mit etlichen Verweisen in seinen zwei Zettelkästen erzeugt hat. Niklas Luhmann arbeitete noch analog – heute haben wir viele digitale Möglichkeiten, von denen Luhmann nur träumen konnte. Diese ermöglichen uns, digital ungewöhnliche Verbindungen zu erstellen – oder auch durch Tools wie Obsidian, Roam u.a. zu finden. 

Warum ist der Ansatz eines digitalen Zettelkasten so wirksam? Die Antwort liegt in der Psychologie und den neurokognitiven Prinzipien, die unser Denken und Handeln bestimmen.

 

Wie ein externes Gedächtnis dein Gehirn entlastet

Der Neurowissenschaftler (und erfolgreiche Musiker und Produzent) Daniel Levitin beschreibt in seinem Buch The Organized Mind einen zentralen Mechanismus unseres Denkens: 

Prof. Daniel J. Levitin

Wenn wir uns nicht auf das Erinnern von Details konzentrieren müssen, können wir uns auf höherwertige Prozesse wie Problemlösung und Innovation fokussieren.

Die primäre Aufgabe unseres Gehirns sollte nicht sein, als Festplatte für uns zu fungieren – wir sollten es nutzen, um kreativ zu werden
— Klaus Motoki Tonn

Daniel Levitin schreibt: „Die Externalisierung von Informationen organisiert den Verstand und ermöglicht ihm, kreativer zu sein.“ Genau hier setzt das Konzept des Second Brain an: Der Aufbau eines Systems wie der digitalen Zettelkasten erlaubt es, Informationen zu kategorisieren, relevante Zusammenhänge herzustellen und sie bei Bedarf abzurufen. Diese äußere Ordnung reduziert mentale Überlastung und steigert gleichzeitig unsere Fähigkeit, Neues zu lernen.

Zudem ist der Einsatz eines Notizbuchs oder Zettelkastens keine neue Erfindung. Viele der kreativsten Köpfe der Geschichte, darunter Leonardo da Vinci, Kurt Cobain, Thomas Edison und Virginia Woolf, nutzten Notizbücher, um ihre Gedanken festzuhalten und Ideen weiterzuentwickeln.

Die digitale Technologie ermöglicht uns heute, Informationen leichter aufzufinden (Volltextsuche, wir müssen nicht so viel blättern) und können Informationen leichter verbinden (Linking Your Thinking “LYT”). Dadurch können neue Zusammenhänge entstehen, die wir zuvor für uns nicht erkennbar waren.

Daniel J. Levitin argumentiert, dass unser Gehirn evolutionär nicht dafür ausgelegt ist, die Masse an Daten, mit der wir heute konfrontiert sind, zu speichern und zu verarbeiten. Der Aufbau eines Second Brain, zum Beispiel mithilfe der PARA-Methode oder eines digitalen Zettelkastens, ermöglicht es, Informationen zu kategorisieren, relevante Zusammenhänge herzustellen und sie bei Bedarf abzurufen. Diese äußere Ordnung reduziert mentale Überlastung und steigert gleichzeitig unsere Fähigkeit, Neues zu lernen.

Die Externalisierung von Informationen organisiert den Verstand und ermöglicht ihm, kreativer zu sein.
— Daniel Levitin

Kreativität entsteht durch Ordnung

Es ist ein hartnäckiges Gerücht, dass Kreative Unordnung oder gar “kreatives Chaos” lieben.

Im Gegenteil: Kreative, innovative Prozesse benötigen Ordnung, Klarheit und Struktur. Hinzu kommt, dass wir unbewusst außerordentlich viel über Informationen nachdenken – nach vielen Jahren kommen wir dann zu einer Erkenntnis, die sich dann für unser Bewusstsein anfühlt “das habe ich jetzt gerade erfunden”. Tatsächlich haben wir jedoch unbewusst weiter Zusammenhänge gebildet und unbewusst weiter gearbeitet. Jetzt brauchen wir einen schnellen Zugriff auf das Element, die Notiz, die Sprachnachricht oder wo sich auch immer die originalquelle befindet. Genau hier hilft uns ein digitaler Zettelkasten.

Der Zettelkasten, inspiriert von Niklas Luhmanns Methode, funktioniert genau nach diesem Prinzip. Durch die Verknüpfung von Notizen entstehen neue Einsichten, die ohne diese externe Struktur vielleicht verborgen geblieben wären.

Luhmann selbst sagte: „Ich denke ja auch nicht alles allein, sondern größtenteils im Zettelkasten.“ Dieses Prinzip der Vernetzung und Verbindung entspricht dem, was Psychologen als „associative thinking“ bezeichnen. Das Gehirn arbeitet auf die gleiche Weise: Neue Informationen werden mit bestehenden verknüpft, wodurch wir tiefere Einsichten gewinnen.

 

Stressreduktion durch Klarheit

Ein weiteres psychologisches Element des Second Brain ist die Reduktion von Stress. Das Gefühl, den Überblick zu verlieren, ist eine der Hauptursachen für Stress in der modernen Arbeitswelt. Ein gut organisiertes externes Gedächtnis schafft Klarheit darüber, was wichtig ist, und bietet gleichzeitig eine Zuverlässigkeit, die unser Gehirn beruhigt.

Levitin nennt dies den „Clean-Space-Effekt“: Wenn unsere Umgebung – sei es physisch oder digital – aufgeräumt ist, fühlen wir uns sicherer und leistungsfähiger. Ein Second Brain, das klare Kategorien wie Projekte, Arbeitsbereiche, Ressourcen und Archiv (PARA-Methode) nutzt, unterstützt diesen Effekt und erleichtert es, Prioritäten zu setzen.

Tipps von uns und Daniel Levitin:

  • Einen dedizierten Arbeitsplatz zu haben (“In diesem Raum, an diesem Tisch schreibe ich mein Buch”).

  • Aufräumen ist mental belohnend und schafft einen sauberen Tisch für die nächste Arbeitseinheit.

  • Geringe Hürden für den Arbeitsprozess schaffen: Ein vorbereiteter Arbeitsplatz macht uns einen schnellen Einstieg möglich.

  • Das Gleiche gilt für unseren Zettelkasten: Nutze/nutzen SIe Werkzeuge, die schnell und ohne 

 

Einen digitalen Zettelkasten als Second Brain aufbauen

Wie kann man die Prinzipien des Second Brain und des digitalen Zettelkastens in die Praxis umsetzen? Hier sind einige Schritte:

  1. Capture: Alles festhalten, was wichtig ist: Erfassen Sie alle relevanten Informationen an einem zentralen Ort. Nutzen Sie Tools wie Notion, Obsidian oder Evernote, um Gedanken, Artikel, Zitate und Ideen zu speichern.

  2. Organize: Strukturen schaffen – organisieren Sie diese Informationen mithilfe der PARA-Methode, indem Sie Projekte, Arbeitsbereiche, Ressourcen und abgeschlossene Elemente trennen.

  3. Distill: Das Wesentliche herausarbeiten: Reduzieren Sie die Informationen auf die Kernpunkte. Markieren Sie relevante Passagen, erstellen Sie Zusammenfassungen und stellen Sie Verknüpfungen her. Die MoMa Methode nutzen, um Sinnzusammenhänge zu schaffen.

Express: Wandeln Sie Ideen in Texte, Präsentationen oder Strategien um und setzen Sie sie in die Tat um – an dieser Stelle zeigt sich das Ergebnis des Zettelkastens und wir sehen, ob wir es tatsächlich verstanden haben. Wir meistern die Informationen und kreieren im besten Falle etwas eigenes daraus.

 
 

Sinnvolle Verbindungen schaffen

Eine im wahrsten Sinne des Wortes sinnvolle Ergänzung hierzu ist die MoMa-Methode (inklusive sogenannter Maps of Content), die im Rahmen von Linking Your Thinking (LYT) entwickelt wurde. 

Diese Methode hilft, persönliche Verbindungen zwischen Notizen zu schaffen – basierend auf Sinnzusammenhängen. Die Frage die dahinter steht ist: 

“Warum ist diese Notiz für mich von Bedeutung?”

“Welches meine zentralen Probleme kann ich mit ihr lösen?”

“Wo stiftet diese Information Inspiration?”

Diese können dann dynamisch in so genannten „Maps of Content“ strukturiert werden, die mehr sind als Inhaltsverzeichnisse. Solche Maps sind keine statischen Archive, sondern flexible Werkzeuge, die sowohl als Wissensspeicher als auch als kreativer Workflow dienen können. Gerade für visuell orientierte Menschen sind diese MOCs eine ideale Möglichkeit, Gedanken sinnvoll zu ordnen und gezielt oder auch spontan Inspiration im eigenen Zettelkasten zu finden (im Gegensatz zur Google-Suche, die linear für alle Nutzerinnen und Nutzer je nach Präferenz, Suchverhalten und Standort ein Ergebnis liefert).

 
Hey Google, gib mir fünf kreative Ideen – geht nicht.
— Guia Carmona
 

Ein Werkzeug für mehr als nur Produktivität

Der wahre Wert eines Second Brain liegt nicht nur in der gesteigerten Produktivität, sondern in der Möglichkeit, unser Leben bewusster und weniger hektisch zu gestalten. Indem wir die Prinzipien des digitalen Zettelkastens anwenden, können wir nicht nur unsere Arbeit effizienter erledigen, sondern auch unsere mentale Gesundheit stärken und Raum für Kreativität schaffen. Wie Levitin treffend feststellt: „Die Externalisierung von Informationen organisiert den Verstand und ermöglicht ihm, kreativer zu sein.“

Die Psychologie hinter dem Second Brain zeigt uns: Wenn wir Ordnung schaffen, geben wir unserem Geist die Freiheit, sich auf das wirklich Wesentliche zu konzentrieren.

 

Wissensmanagement und Künstliche Intelligenz

Bei GenAI-Anwendungen bedienen wir uns einer Metapher, angelehnt von Steve Jobs’s: „KI ist wie ein eBike für das Gehirn“. Sie ermöglichen es uns, schneller, weiter und mit mehr Qualität ans Ziel zu gelangen, Schwächen auszugleichen und gleichzeitig unsere Stärken zu fördern. Der Einsatz dieser Technologien bietet neue Verbindungen zur Idee des digitalen Zettelkastens:

  • Kontext schaffen: GenAI-Anwendungen sind hervorragend darin, große Mengen an Informationen zu verarbeiten. Doch Qualität entsteht erst durch den richtigen Kontext. Dieser Kontext wird durch Informationen aus dem Zettelkasten geliefert – sei es aus PDFs, Notizen oder anderen gespeicherten Inhalten, die individuell organisiert sind.

  • GenAI-Anwendungen als Second Brain: Tools wie ChatGPT oder Google Notes können selbst als digitale Zettelkästen fungieren. Die Chats und Notizen, die diese Anwendungen generieren, enthalten oft eine Fülle von Informationen. Entscheidend ist jedoch, zwischen nützlichen und unnützen Inhalten zu unterscheiden, um die Qualität der Wissensbasis zu erhalten und gezielt zu erweitern.

  • Optimierung durch Rückkopplung: Wir können GenAI dazu nutzen, um die Inhalte unseres Zettelkastens zu analysieren und Zusammenhänge oder Lücken aufzuzeigen, die vorher nicht offensichtlich waren. Dies ermöglicht es, den eigenen Wissensbestand kontinuierlich zu erweitern und bestehende Ideen auf neue Weise zu entwickeln.

 

Noch mehr Interesse?

Dann haben Sie zwei Möglichkeiten:

  1. Download unseres E-Books “Digitale Resilienz” mit Beiträgen zu Flow und dem digitalen Zettelkasten.

  2. Nehmen Sie Kontakt auf, wenn Sie ein Training für sich oder Ihre Organisation wünschen:

E-Book Digitale Resilienz & Flow für Teams und Organisationen


 
 
 
 

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Kontakt zum Autor und Search Inside Yourself Facilitator und Mentor Klaus Motoki Tonn.

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