Ethik der Künstlichen Intelligenz – eine Heranführung

Ein Beitrag von Maximilian Seeth:

Viele haben schon von Ethik in der KI gehört. Aber was bedeutet Ethik eigentlich? Und was können wir aus den verschiedenen ethischen Traditionen, die zum Teil Tausende von Jahren zurückreichen, lernen, wenn wir uns mit KI beschäftigen? Im Folgenden möchte ich aufzeigen, dass es sich lohnt, von den Klassikern der Philosophie zu lernen, wenn wir über KI nachdenken.

Dieser Beitrag behandelt drei Aspekte:

📚 Deep Dive: Traditionen der Ethik

🔬 Inspiration: Technikphilosophie

🤖 Anwendung: Herausforderungen mit KI

📚 Deep Dive: Traditionen der Ethik

+ Ethik und Moral: Die Ethik ist eine Unterdisziplin der Philosophie, Theologie, Psychologie, Soziologie, Bildungswissenschaft, Politikwissenschaft, und Anthropologie. Dabei ist es hilfreich, die Ethik in drei Bereich aufzuteilen: in 1) die deskriptive Ethik, die sich mit der empirischen Frage beschäftigt, welche moralischen Normen und Regeln innerhalb einer Gesellschaft vorherrschend sind, 2) die normative Ethik, die die Gründe eines ethischen Systems reflektiert, und 3) die Metaethik, die sich mit moralischer Sprache auseinandersetzt. Von einem deskriptiven Gesichtspunkt aus kann man zum Beispiel auch untersuchen, welche psychischen Faktoren unsere moralischen Entscheidungen beeinflussen. Die in der Ethik dominanten Traditionen beschäftigen sich hingegen mit der normativen Ethik.

+ Die drei großen Traditionen der Ethik: Es gibt drei ethische Schulen, die sich in der Geschichte des abendländischen Denkens etabliert haben. Die meisten der zeitgenössischen EthikerInnen können nach wie vor häufig mit einer der Schulen identifiziert werden. Die erste Schule, von der viele bereits gehört haben, ist der Utilitarismus. Aus Sicht des Utilitarismus sollte jedes Handeln den Nutzen für die größtmögliche Anzahl von Individuen maximieren. Manchmal wird der Utilitarismus auch als „greatest happiness principle“ bezeichnet. Die zweite Tradition in der Ethik ist eng verbunden mit dem deutschen Philosophen, Immanuel Kant, der den Kategorischen Imperativ als Maß alles ethischen Handelns eingeführt hat. Der Imperativ schreibt vor: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Kant gibt uns in anderen Worten ein Werkzeug an die Hand, mit dem wir jede Handlung nach ihrem moralischen Wert hin überprüfen können. Die dritte Tradition in der Ethik ist die älteste. Sie geht auf den griechischen Philosophen, Aristoteles, zurück. Im Gegensatz zu den anderen beiden Traditionen zeichnet sie sich durch eine Reihe von Tugenden (z.B. der Nachsicht) aus, die laut Aristoteles zu einem guten Leben insgesamt führen würden.

🔬 Inspiration: Technikphilosophie

+ Ich, Technologie, und die Welt: Der Philosoph, Don Ihde, hat eine simple, aber gehaltvolle Abstraktion entwickelt, die uns helfen kann, Technologie zu reflektieren. Stellen wir uns vor, dass wir durch ein Mikroskop die Wunder der Natur beobachten. Während wir zum Beispiel einige Bakterien auf einer Petrischale betrachten, vergessen wir alles um uns herum. Man könnte auch sagen, dass wir mit dem Mikroskop eins geworden sind: Es ist Teil unserer Sicht auf die Welt. Ihde beschreibt diese Beziehung mit der Technologie mit dem Schema:

 

(Ich – Technologie) – Welt

 

Stellen wir uns eine andere Situation vor: Wir halten uns in einem warmen Wohnraum auf, während Regen gegen dessen Scheiben prasselt. Als wir auf ein Thermometer an der Wand schauen, können wir sehen, dass es draußen fast friert. Wir werden der Außentemperatur aber nur durch das Thermometer gewahr und nicht durch ein Kältegefühl. Ihde schlägt für diese Konstellation folgendes Schema vor:

 

Ich – (Technologie – Welt)

 

Das heißt die Temperatur ist für uns nur indirekt durch die Technologie des Thermometers zugänglich.

🤖 Anwendung: Herausforderungen mit KI

+ Technologische Beziehungen und moralische Entscheidungen: Wenn wir Entscheidungen im Zusammenhang mit KI fällen, ist es hilfreich zu verstehen, wie KI dabei verwendet wird. Verschmelzen wir während des Fahrens zum Beispiel mit einem Fahrassistenten, der durch KI gesteuert wird? Oder konfrontieren wir die Wirklichkeit, so wie sie uns durch Algorithmen vermittelt wird, zum Beispiel wenn wir durch soziale Medien gezeigt bekommen, wie ein vermeintlich guter Urlaub auszusehen hat? Wenn wir unser Verhältnis zur KI klären, können wir besser verstehen, wie KI unser Handeln beeinflussen oder sogar verändern kann. KI kann uns beispielsweise helfen, den größtmöglichen Vorteil für alle Betroffenen in kritischen Situationen zu realisieren. KI kann uns aber genauso täuschen, wenn wir zum Beispiel einen Chatbot fragen, welches moralische Gesetz wir befolgen sollten. Für einen ethischen Umgang mit KI kommt es darauf an, ihren Einfluss auf unser Handeln zu reflektieren. Don Ihdes Schemen können uns dabei helfen!

+ Das Andere: Abschließend schlägt Ihde eine dritte Abstraktion vor, die solche Situationen einfangen soll, bei der wir Technik als ein „anderes Wesen“ wahrnehmen. Er beschreibt diese Situationen mit:

 

Ich – Technologie – Welt

 

Ob KI jemals ein solches anderes Wesen sein wird, ist noch offen. Sollte sie es werden, müssen wir auch diesen Gesichtspunkt in unser ethisches Denken mit aufnehmen.

In diesem Beitrag haben Sie ein Grundverständnis von Ethik erlangt. Sie haben Abstraktionen aus der Technikphilosophie kennengelernt, die dabei helfen, den Einsatz von Technologien wie KI zu reflektieren. Mit diesem Wissen hoffe ich, sind Sie motiviert, mit KI ethisch umzugehen.

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